Köln-Chorweiler – Dass die Ausstattung des Bezirks Chorweiler mit medizinischen Einrichtungen zu wünschen übrig lässt, ist im Kölner Norden schon lange eine Binsenweisheit. Klagen über lange Wege etwa zu Fachärzten sind vor allem aus den außenliegenden Vierteln mit ihren mittelständischen Sozialstrukturen zu hören. Im Stadtteil Chorweiler selbst, dessen zu einem Großteil migrantisch geprägte Bevölkerung mit hoher Arbeitslosigkeit und Armut zu kämpfen hat, sind die Schwierigkeiten nochmal ganz andere.
„Hier geht es nicht um den Weg zum Facharzt, sondern darum den Menschen ins Bewusstsein zu bringen, dass es so etwas wie Fachärzte überhaupt gibt“, weiß Birgit Skimutis, die Leiterin von „die Kümmerei“. Das liege nicht nur daran, dass das deutsche Gesundheitssystem gerade für Menschen mit wenig Deutschkenntnissen „wie ein fremder Planet“ erscheine, sondern auch an den besonderen Problemlagen sozial benachteiligter Milieus. „Die Sorgen, die die Menschen hier haben, sind oft multidimensional. Sie haben Probleme mit dem Vermieter, weil die Wohnung von Schimmel befallen ist. Sie suchen Arbeit und einen Kita-Platz für das jüngste Kind. Das erscheint dann alles erst einmal wichtiger, als zum Arzt zu gehen – selbst wenn etwa der Fuß so weh tut, dass man kaum laufen kann.“
Schnittstelle zwischen Medizin, Arbeit und Wohnen
An diesem Punkt setzt die „Kümmerei“ an, die seit gut einem Jahr in einem Ladenlokal in der Lyoner Passage zu finden ist. „Medizinische und soziale Problemlagen bedingen einander sehr oft“, sagt Skimutis. „Darum arbeiten wir an der Schnittstelle von Medizin und sozialen Belangen wie etwa Arbeit oder Wohnen. Wir sehen diese Bereiche nicht als getrennt voneinander, sondern als Einheit.“ Damit steht sie im Einklang mit der World Health Organization (WHO), die Gesundheit als „vollständiges körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden“ definiert. Die „Kümmerei“ sei daher ein Modell, mit dem „wir Praxisforschung betreiben, um herauszufinden, wie man den Menschen in besonders benachteiligten oder belasteten Stadtteilen wie Chorweiler den Zugang zum Gesundheitswesen ermöglichen kann“, so Skimutis.
Die Einrichtung ist eine gemeinsame Initiative der Stadt Köln, des Sozialunternehmens HerzNetzCenter und der Krankenkassen IKK Classic und der AOK Rheinland/Hamburg, die einen bedeutenden Beitrag zur Finanzierung der „Kümmerei! liefert. „Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die Versorgungsstruktur mit möglichst niedrigen Schwellen zu versehen, gerade dort, wo der Zugang schwierig ist“, sagt Sandra Sändker, Leiterin des Regionalen Gesundheitsmanagements der AOK Rheinland/Hamburg.Kern der „Kümmerei“ ist ein Team von neun Gesundheitslotsen, die Beratung und Begleitung anbieten und nicht nur eine Berufsausbildung im medizinischen Bereich, sondern zum großen Teil ebenfalls Migrationshintergrund und Kenntnisse in 13 verschiedenen Sprachen mitbringen. „ Unsere Mitarbeitende haben etwa einen polnischen, griechischen oder bulgarischen Hintergrund. Eine iranisch-stämmige Kollegin hat etwa Kenntnisse in Farsi, Aserbaidschanisch, Türkisch und Arabisch.“ Das bedeute jedoch nicht, dass die einzelnen Teammitglieder sich auf Klienten aus den ihren Sprachkenntnissen entsprechenden Kulturkreisen konzentrieren würden. „Es geht gar nicht so sehr um die Sprache, sondern vielmehr um den gemeinsamen Nenner der Erfahrung des Fremdseins. Allein das schafft Vertrauen zwischen unseren Mitarbeitenden und den Klienten“, sagt Skimutis. In dieser Einzelfallbegleitung werde über den medizinischen Fall hinaus eruiert, „welche Bedarfe bestehen, in welchen Versorgungsbereichen es Lücken und Engpässe gibt und wie wir darauf reagieren können.“
„Kümmerei“ im Viertel sehr gut vernetzt
Zu diesem Zweck ist die „Kümmerei“ in hohem Maß im Viertel und darüber hinaus vernetzt. „Jeder Hausarzt im Viertel kennt uns und kann Patienten mit Beratungbedarf an uns vermitteln. Wir setzen uns außerdem mit sämtlichen Akteuren aus dem sozialen und auch dem medizinischen Bereich in Werkstattrunden zusammen, damit diese jeweils ihren Blick weiten können, über die eigene Kernkompetenz hinaus. Es geht darum, interdisziplinär und sektorenübergreifend zu arbeiten.“
Darum stellt die „Kümmerei“ ihre Räume auch einer ganzen Reihe weiterer Einrichtungen zur Verfügung, die hier stundenweise Beratung anbieten.„Es sind 20 Einrichtungen, die hier eine Anlaufstelle bieten – von der Caritas über das Job-Center bis hin zur psycho-onkologischen Beratung“, sagt Skimutis. So sind die Wege kurz: Wer etwa beim Job-Center im Gespräch seinen Diabetes erwähnt, findet gleich im nächsten Raum eine Anlaufstelle.