Köln – Ruhe kann etwas Schönes sein. Doch diese Ruhe ist irritierend. Denn in der Kölner CDU sollte jetzt eigentlich Unruhe herrschen. In knapp zwei Wochen, am 14. Juni, findet der erste Kreisparteitag nach der Landtagswahl statt. Eine Wahl, bei der die CDU zwei Direktmandate für Düsseldorf verloren hat. Einer der Verlierer: Der Partei- und Fraktionsvorsitzende Bernd Petelkau. Das schreit nach Kurswechsel, nach Personaldebatte, nach... Doch da ist nur diese seltsame Ruhe.
Ein Beigeschmack von Valium
Die Tagesordnung hat den Beigeschmack von Valium: Wahl einer Stimmzählungskommission, eines Ersatzdelegierten für den Bundesparteitag. Erst bei Punkt 8 steht, was eigentlich auf den Nägeln brennen sollte: „Wahlanalyse Landtagswahl 2022“. Endlich: Schlagabtausch, Petelkau erklärt sich, Zukunftsdebatte. Nein, eine Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung soll vorgetragen werden.
Bitte aufwachen
Europawahl, Kommunalwahl, Bundestagswahl, Landtagswahl – vier mal hintereinander hat die CDU in Köln Wahlergebnisse mit historischen Tiefständen eingefahren. Und dennoch versucht die Parteispitze nach außen hin Ruhe zu bewahren. Man möchte sie gerne an den Schultern packen, durchschütteln und Rufen: Aufwachen, bitte aufwachen!
Irrelevanz: Was die Junge Union für die CDU aufziehen sieht, ist für die Partei in weiten Teilen der Stadt schon Realität. In den kommenden drei Jahren muss gelingen, was in den vergangenen drei Jahren nicht gelungen ist: Die Stadtgesellschaft besser in der Union abzubilden. Ansonsten scheint sicher, wie die Kommunalwahl 2025 für die CDU ausgeht.
Die Agenda des Parteivorsitzenden Bernd Petelkau für die Mitgliederversammlung lässt sich nur so deuten, dass er sich an der Spitze des Erneuerungsprozesses sieht. Woher er dafür die Legitimation nach seinem auch persönlich desaströsen Wahlergebnis noch nehmen will, das muss er nun erklären
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Wo sind da die Unruhestifter, wo ist das „Team Breuer“? Die Christdemokraten, die mit der Initiative „Zukunft jetzt“ Petelkau ablösen wollten. Im September 2021 sind sie damit knapp gescheitert. Petelkau versprach damals, die Partei wieder nach vorne zu bringen. Hat nicht so ganz geklappt. Also erneut Attacke? „Wir sind erst einmal froh, dass es überhaupt einen Parteitag gibt“, hält Thomas Breuer den Ball flach. Der Termin sei lange hinausgezögert worden. Vergangenen Dienstag dann ging die Einladung raus. Knapp vor kurz. Denn die Frist für Anträge endete tags drauf. Für Breuer ein eindeutiges Signal: „Eine ehrliche Analyse ist nicht gewollt.“ Warum fordert „Team Breuer“ diese nicht ein, eventuell mit der erneuten Aufforderung an Petelkau, den Parteivorsitz niederzulegen? Konrad Adenauer, Mitglied im „Team Breuer“: „Wir haben Bernd Petelkau schon mehrfach zum Rücktritt aufgefordert, jetzt muss er mal von sich aus drauf kommen.“
Ruhe kann auch trügerisch sein. „Hinter den Türen finden Gespräche statt, in kleinen und großen Kreisen“, heißt es aus der Union. „Ja, da geht es auch um Personalien.“ Und: „Das ist in allen Ortsverbänden ein Thema.“ Wie zum Beispiel im Ortsverband Bayenthal/Marienburg, Mitten im Wahlkreis des ehemaligen CDU-Landtagsmitgliedes Oliver Kehrl. Auch er hat ihn verloren, so wie Petelkau. Das war es aber auch schon an Gemeinsamkeiten. Ansonsten gilt für die beiden: Was ist schlimmer als ein Feind? Ein Parteifreund. Im Ortsverband Bayenthal/Marienburg fanden am vergangenen Montag Vorstandswahlen statt. Man könnte wohl auch sagen: ein Stellvertreterkrieg. Die Unternehmerin Sandra von Möller trat an, um Constanze Aengenvoort den Vorsitz streitig zu machen. Im Ortsverband heißt es, im Auftrag von Petelkau. Wenn es ein Coup werden sollte, so ist er misslungen. Aengenvoort wurde im Amt bestätigt.
Petelkau gibt sich gelassen
Ruhe kann auch die Ruhe vor dem Sturm sein. Vor dem Ansturm der Jugend. Die Junge Union hat einen vierseitigen Antrag für die Mitgliederversammlung der Kreispartei eingebracht. Der Kerninhalt: Die Partei soll jünger, weiblicher und bunter werden. Auf Wahllisten soll mindesten ein Drittel der Aufgestellten unter 35 Jahre alt sein, ein Viertel Migrationshintergrund haben. Jeder zweite Listenplatz soll an eine Frau gehen. So könne sich die Stadtgesellschaft in der Partei widerspiegeln. „Die CDU ist gar nicht so unbeliebt, aber sie gilt in Köln vielen als Partei der alten weißen Männer“, sagt der JU-Vorsitzende Alexander Yohannes. Er sagt auch: „Kriegen wir den Wandel nicht so schnell wie möglich hin, droht uns Irrelevanz.“
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Demonstrativ ruhig: Bernd Petelkau beantwortet Anfragen zurzeit nur noch schriftlich. Ob er sich erklären werde auf dem Parteitag? Er lässt es einfach unbeantwortet. Was er sich verspricht vom Parteitag? „Eine offene Wahlanalyse.“ Wie soll es weiter gehen mit der CDU? „Wichtigstes Ziel ist es, die Partei wieder zusammenzuführen.“ Die Vielfalt der Stadt müsse authentisch in der Partei verankert werden. Der Antrag der JU biete da gute Ansätze.
Klingt nicht nach Rücktritt, mehr nach Gelassenheit. Kommt er damit durch am 14. Juni? Stoische Ruhe kann auch wütend machen.