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Serie

Babylon Köln
Wie die Kölner Polizei Verbrecherkönig Leonard Kinna erledigte

Lesezeit 5 Minuten
Die Hohenzollernbrücke 1935.

Die Hohenzollernbrücke 1935.

Kinna war Anführer einer berüchtigten Einbrecher- und Schieberbande geworden, die seit Ende des Ersten Weltkriegs die Gegend vor allem zwischen Köln und Aachen in Angst und Schrecken versetzte.

Die Kölner Kriminalpolizei hatte einen Tipp bekommen. Am Samstag, 19. Juni 1920, abends gegen 9 Uhr, sei Bandenchef Leonard Kinna, der berüchtigte Ein- und Ausbrecherkönig, am Waidmarkt „zu haben“. Kommissar Jean Merbeck zögerte nicht. Er beorderte die Kriminalbeamten Josef Hilmer, Hövel, Heinrich Steimel und Josef Wendling zu seiner Begleitung und legte sich im Vringsveedel auf die Lauer. Vorsicht war geboten, denn Kinna hatte schon vorher einmal verlauten lassen, dass er beabsichtige jeden niederzuschießen, der zu versuchen wagen würde, ihn festzunehmen. Insbesondere Kommissar Merbeck hatte er bei der nächsten Begegnung einen heißen Tanz versprochen.

Der am 27. Januar 1893 in Mönchengladbach geborene Leonhard Kinna war zwar gelernter Installateur. Mittlerweile aber war er zum Anführer einer berüchtigten Einbrecher- und Schieberbande geworden, die seit Ende des Ersten Weltkriegs die Gegend vor allem zwischen Köln und Aachen in Angst und Schrecken versetzte. Mit seiner Bande überfiel er den Kassierer des Stolberger Konsum-Vereins. Sprengte den Geldschrank eines Werkes bei Knapsack. Und den vom Eschweiler Bergwerksverein. Ein besonderer Aufschrei ging durch die Bevölkerung, als er und seine gottlosen Helfershelfer in der Nacht zum 30. Juni 1919 in der Kirche St. Lucia in Stollberg das Tabernakel mit Dynamit sprengte, um eine Monstranz, drei Kelche und Kirchentücher mitgehen zu lassen.

Banditen beraubten auch das Traditionsgeschäft Franz Sauer

Auch in Köln war die Bande aktiv gewesen. Beim Traditionsgeschäft Franz Sauer in der Hohe Straße hatten sie Herren- und Damenbekleidung im Wert von 300.000 Mark geraubt. Bei Josef Hülz in der Aquinostraße 1 am Sundermannplatz etliche Anzüge und 35.000 Mark Bargeld. Und wer wusste schon, was die Banditen noch auf dem Kerbholz hatten, ohne dass man es bislang mit ihnen nachweislich in Verbindung bringen konnte? Dutzend Bandenmitglieder, einige davon aus Köln, waren zwar inzwischen bereits festgenommen und zu teils äußerst ausgedehnten Zuchthausaufenthalten verurteilt worden. Mindestens zwei hatten sich nicht festnehmen und verurteilen lassen und waren bei Schießereien mit der Polizei umgekommen. Ungeschoren geblieben war bislang im Großen und Ganzen das Haupt der Bande: Leonhard Kinna.

Zwar hatte man diesen Räuberhauptmann im Februar 1920 schon einmal in Köln festnehmen können. Kinna war gerade angereist, als Kriminalwachtmeister Simon zugriff. Kinna zog seine geladene Browningpistole, wurde aber nach kurzem Kampf überwältigt. Wiederholt sollte ihm jedoch die Flucht aus dem in Nachkriegszeiten so überfüllten Gefängnis gelingen. Einmal entsprang er beispielsweise auf einem Transport in Bonn.

Showdown auf dem Waidmarkt

Kommissar Merbeck und seine Begleiter entdeckten Kinna schnell. Da stand er auf dem Waidmarkt, nobel gekleidet, mit einem Zwicker auf der Nase und hochgedrehtem Schnurbart. Neben ihm drei Komplizen, darunter sein jüngerer Bruder Paul, der gerade erst aus dem Gefängnis entlassen worden war. Unauffällig versuchten die Polizisten sich zu nähern. Aber dem wachen Auge von Leonhard Kinna entgingen sie nicht. Die Verbrecherbrüder zogen sofort ihre Revolver und schossen auf die Gesetzeswächter. Kriminaloberwachtmeister Heinrich Steimel erwischte es mitten in den Bauch. Ein zweiter Schuss ging hart an der Brieftasche vorbei und streifte die Herzgegend. Lange würde er mit dem Tode kämpfen, doch letztlich schaffte er es zurück in seine Wohnung im zweiten Stock in der Florastraße 16. Bei Merbeck wurden ein Hosenbein und der Schirm seines Huts durchlöchert. Die Polizisten schossen ihrerseits zurück. Der 25 Jahre alte Paul Kinna fiel schließlich um, von einer Kugel in den Kopf getroffen. Er war sofort tot.

Die beiden Begleiter Kinnas ließen sich schließlich festnehmen. Nicht aber ihr Bandenchef. Der ergriff die Flucht, während er immerfort nach hinten auf seine Verfolger schoss. Im Laufen schaffte er es mit routinierter Hand, seinem Revolver einen neuen Patronenrahmen einzusetzen. Dann aber meinte Merbeck zu sehen, wie Kinna zusammenknickte. War er getroffen? Er wollte sich auf den Flüchtenden stürzen – doch er konnte nicht. Eine große Menschenmenge hatte sich inzwischen auf der Severinstraße zusammengefunden und ergriff nicht für die Verfolger, sondern für den Flüchtenden Partei. Erkannten sie die Polizisten in Zivil nicht? Oder wollten sie sie nicht erkennen? Sogar bedroht wurden die Beamten und konnten sich nur mit Mühe in einem Gebäude an der Hohepforte in Sicherheit bringen. Leonhard Kinna war da schon lange in der Menschenmenge untergetaucht und schließlich durch eine Seitenstraße entkommen.

Spur führte nach Aaachen

Die Kölner Kriminalpolizei gab aber nicht auf und fand schließlich die Spur Kinnas in Aachen wieder. Unter dem Namen Karl Bischof bewohnte er dort mit seiner Braut, einem Mädchen aus Mausbach, seit längerer Zeit zwei Parterrezimmer. Gemeinsam umstellten Beamte aus Aachen und Köln Mitte September, Dienstagvormittag gegen 11 Uhr, die Hausnummer 24 in der Emmichstraße, die heute wieder Lütticher Straße heißt. Kinna und seine Lebensgefährtin fanden sich plötzlich in ihren Zimmern in die Enge gedrängt, umgeben von einer ganzen Kiste voll der feinsten Diebeswerkzeuge und Raubgut aus einem Einbruch in Köln. Aufzugeben fiel Kimma aber gar nicht ein. Er zückte seine Waffen. Also beschloss die Polizei, das Haus zu stürmen. Kriminalwachtmeister Richter aus Stollberg schlich sich durch den Garten an und versuchte, durch ein Parterrefenster zu klettern. Ihn erwischte ein Schuss Kinnas mitten in den Bauch. Schwer verletzt wurde er ins Luisenhospital gebracht, wo er zwar lange in Lebensgefahr schwebte, sich aber letztlich wieder erholte.

Doch andere Beamte schafften es ins Haus. Sie traten die verschlossene Zimmertür ein, hinter der sich Kinna verbarrikadiert hatte. Der schoss wild umher. Aber traf nicht. Ein Kampf brach los. Weitere Schüsse fielen. Mehrere von ihnen streckten schließlich Leonhard Kinna nieder. Er starb noch vor Ort. 27 Jahre alt war der Verbrecherkönig geworden. Seine Freundin wurde als Mitwisserin und Aufpasserin diverser in Köln verübter Diebstähle verhaftet und nach Köln abgeführt.