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Am Fühlinger SeeKraftklub kommen mit voller Festival-Energie

Lesezeit 3 Minuten
Kraftklub auf der Bühne am Fühlinger See

Politische Statements auf der Bühne gibt jede Menge bei Kraftklub.

Die Chemnitzer Band Kraftklub spielte am Fühlinger See unter freiem Himmel. Rund 18 000 Besucher kamen zum Konzert.

„Ich will nicht nach Berlin!“, schreien tausende Kehlen am Samstagabend am Fühlinger See. Köln genügt offenbar auch an diesem Sommerabend, denn mit Kraftklub ist eine der beliebtesten Rockbands der Republik ins Rheinland gekommen, um ihre gefeierten Indie-Hits zu präsentieren. Kraftklub stehen für politische Statements, Protest gegen Rechts, Anti-Haltung und nachdenkliche wie gefühlvolle Texte. Die Band aus Chemnitz vereint unter anderem Indie-Rock, Punk oder Rap und erreicht so ein buntes Massenpublikum.

Am Fühlinger See trafen sich daher die Generationen X, Y und Z zum Partymachen – von der Abiturientin bis zum Mittfünfziger wurden sämtliche Anhänger ohne Vorwarnung vom Sound der Chemnitzer umgehauen. Als sich der rote Vorhang hebt und die Band in ihren schwarz-weißen Outfits auftaucht, gehen alle auf dem grünen Hügel am See sofort ab. „In meinem Kopf“ und „Fahr mit mir 4x4“ bringen jeden Fan zum Tanzen oder Pogen. Es scheint so, dass man die fünf Jungs aus Sachsen einfach mögen muss – mit Ausnahme vielleicht von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, mit dem sich die Band einst in den sozialen Netzwerken anlegte.

Stockkonservative oder reaktionäre Haltungen sind Kraftklub zuwider – das machen sie in ihren Texten mehr als deutlich und werden daher von den rund 18 000 Besuchern und Besucherinnen gefeiert. Auch wenn sie sich über viele ihrer Generation indirekt lustig machen, denn mit ihrer schnoddrigen Art und viel Wortwitz nehmen sie so manchen Hipster aufs Korn.

Trotz und Starrköpfigkeit gehören ebenso zu Kraftklub wie Verletzlichkeit und ein Schuss Selbstironie. Dies wird auch bei Songs wie „Unsere Fans“ oder „Wittenberg ist nicht Paris“ deutlich, oder bei „Liebe zu dritt“, wo sie plötzlich auf Electronic-Dance-Sounds umschalten. Anschließend holen sie die Support-Acts Dilla und Ennio auf die Bühne, um mit ihnen den Dance-Klassiker „I love it“ von Icona Pop zu performen.

Frontmann Felix Kummer ist ein charismatischer und empathischer Sänger, kein Egomane oder Möchtegern-Superstar. Dies wird deutlich, wenn er kollabierende Fans mitten im Song nach ihrem Befinden fragt oder Frauen vor Grabschern warnt, die Konzerte für ihre Zwecke nutzen. Die Band steht für Offenheit, Toleranz und Feminismus in einem Bundesland, das für AfD-Stimmen bekannt ist. In Chemnitz haben sie unter dem Motto „Wir sind mehr“ ein Konzert gegen Rechts mit 65 000 Zuschauern auf die Beine gestellt, ihre Heimat bezeichnen sie immer noch spaßeshalber als Karl-Marx-Stadt. Humor und Politik kommen bei Kraftklub stets zusammen.

An diesem Abend stellen sie ihr neues Album „Kargo“ vor – die Hits, auf die sich die Fans am meisten freuen, sind jedoch am Ende des Konzerts zu finden und sorgen für rauschhafte Zustände: „Schüsse in die Luft“, „Blaues Licht“ oder „Songs für Liam“ werden frenetisch gefeiert. Auch die Nähe zu den Fans ist legendär – Anhänger werden auf die Bühne geholt, um am „Glücksrad“ zu drehen und so über die Songauswahl des Konzerts zu entscheiden, zudem werden jede Menge Fotos auf der Bühne geschossen.

Kummer lobt die rheinische Stimmung: „Ihr seid lauter als die Festivals, wo wir gerade gespielt haben!“. Immerhin war Kraftklub vor ein paar Tagen noch Headliner beim Hurricane Festival. Um 22 Uhr muss die Band jedoch Schluss machen – so hat es die Stadt Köln gefordert, zum Leidwesen der Partygäste. Man hätte gerne noch länger am See verweilt, um sich weiter von Kraftklub umhauen zu lassen. Johannes Spätling