Aggressives Betteln ist in einigen Bereichen der Innenstadt zunehmend zum Problem geworden. Kürzlich hat Grünen-Bezirksbürgermeister Andreas Hupke im Redaktionsgespräch bei der Rundschau Alarm geschlagen und ein Elendsmanagement gefordert. Franco Clemens, Straßenmusiker und erfahrener Streetworker in sozialen Brennpunkten, stellt fest: „Es gibt eine erhöhte Anzahl von bewussten Aussteigern.“ Und er ist überzeugt, dass das auch „systemisch bedingt“ ist.
Die Hartz IV-Auflagen, die drohenden Repressionen, wenn bestimmte Anforderungen nicht erbracht werden und die sofortige Sanktionierung führe dazu, dass sich Menschen, insbesondere solche mit Alkohol- oder Drogenproblemen, aus den normalen Strukturen verabschiedeten und auch keine Sozialleistungen annehmen. „Da muss man auch sehen: Früher war das Flaschensammeln ein Alleinstellungsmerkmal dieser Menschen. Heute haben sie Konkurrenz durch Rentner oder Hartz IV-Empfänger, deren Geld nicht reicht. Auch deshalb ist das Betteln möglicherweise etwas forscher geworden.“ Gleichwohl, unterstreicht Clemens, „aggressives Betteln, Bedrohungen und Gewaltandrohungen sind absolut inakzeptabel“.
Er plädiert für die Ordnungspartnerschaft, in der Streetworker, Ordnungsamt und Polizei involviert sind. In erster Linie seien Streetworker gefordert, mit Angeboten und Gesprächen Einsichten zu schaffen. Etwa wenn die Betroffenen dazu gebracht werden sollen, den Standort zu wechseln beziehungsweise ihr aggressives Verhalten abzustellen. „Wenn das nicht freiwillig zu machen ist, erst dann müssen Ordnungsamt oder Polizei eingeschaltet werden.“ Klagen gibt es zunehmend vor einigen Museen, deren Mitarbeiter Angst haben zur Arbeit zu gehen, weil sie sich bedroht fühlen. Das berichtete Hupke im Rundschau-Gespräch.
„Das Ganze braucht Zeit“, betont Clemens und fordert ein festes Team aus einem Mann und einer Frau im Umfeld von Bahnhof, Domplatte, Schildergasse und Hohe Straße, die getrennt von den Mitarbeitern des Ordnungsamtes agieren. Erst wenn man pädagogisch nicht weiterkomme, könnten im zweiten Schritt das Ordnungsamt gerufen und etwa Platzverweise erteilt werden. Vor zehn Jahren seien die Angebote der Resozialisierung in verschiedenen Schritten deutlich größer gewesen, versichert Franco Clemens.
Es habe mehr Plätze in betreuten Wohngemeinschaften oder Wohnungen und alternative Freiräume für diese Klientel gegeben. „Wenn alle Hilfsangebote von den verhaltensauffälligen Aussteigern in Anspruch genommen würden, gäb’s ein Riesenproblem, weil das Angebot viel zu gering ist.“
Und wenn es gelänge, „Leute mit Engelszungen in die Hilfsangebote zu reden“, stelle sich nicht selten die nächste Hürde: „Menschen, die fünf, sechs Jahre außerhalb der gesellschaftlichen Strukturen gelebt haben, stoßen an ihre Grenzen, wenn es darum geht, eine neue Meldeadresse oder die Anmeldung beim Arbeitsamt zu regeln.“