Radeln im RheinlandAuf dem Rheinradweg, das Siebengebirge immer im Blick
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Fahrradtouren gibt es viele rund um Köln, aber manche sind einfach besonders schön. So ist es mit dieser Genusstour am Rhein entlang, das Siebengebirge immer im Blick.
Kennen Sie das „Rheinische Nizza“? Den Begriff prägte der Naturforscher Alexander von Humboldt, mit dem er das milde Klima und das damit verbundene Lebensgefühl auf den Punkt brachte.
Winfried Kessel, Tourenleiter beim ADFC, hat die Rundfahrt zusammengestellt, bei der man es gerne etwas ruhiger angehen lässt.
Diese Radtour ist eine Zeitreise in die Gründerjahre der Bundesrepublik Deutschland, als mit Panoramaaussicht aufs Siebengebirge Politik betrieben wurde und der „Alte von Rhöndorf“, Konrad Adenauer, den Takt diktierte. Die Weichen zur Aufstiegsgeschichte Nachkriegsdeutschlands wurden vor der Kulisse des „achten Weltwunders“ gestellt, wie es ein von der Landschaft überwältigter Alexander von Humboldt einmal beschrieb. Seit dem Umzug der Bundesregierung nach Berlin 1999 ist es aus mit der kräftigen Prise Rheinromantik im politischen Alltag.
Los geht's vom Parkplatz Rheinaue in einem großen Schlenker am Beethoven-Denkmal vorbei Richtung Rheinuferpromenade und dort weiter stromaufwärts. Der Strom bleibt auf den insgesamt rund 35 Kilometern der Tour ein ständiger Begleiter. „Wer nun zum ersten Mal mit Blick auf das sich in Höhe von Bad Godesberg und Königswinter verengende Rheintal in die Pedale steigt, wird Humboldt in Gedanken sicher sofort zustimmen wollen“, sagt Touren-Experte Winfried Kessel vom Tourenleiterteam der ADFC-Ortsgruppe Neuss.
Prachtvolle Gründerzeitbauten und Denkmäler
„Statt sportlicher Herausforderung sollte deshalb das Genussradeln in gemächlichem Tempo im Mittelpunkt stehen.“ Rechter Hand liegen schon kurz nach dem Start in bester Lage teils schlossartige Villen. In dem sich dahinter ausbreitenden Viertel mit seinen oft prachtvollen Gründerzeitbauten bestimmte über Jahrzehnte die Diplomatie das Erscheinungsbild, da viele Gebäude nach 1949 als Botschaften genutzt wurden. Bis heute befinden sich dort Außenstellen und (General-)Konsulate.
Mit dem Mausoleum von Carstanjen passieren wir zudem ein einzigartiges Kulturdenkmal, erbaut 1895/96 als hochrepräsentative Begräbnisstätte der als Industrielle zu Reichtum und Adel gekommenen Familie von Carstanjen. Seit 2007 dient es als würdevoller Ort zur Urnenbeisetzung.
Die Versuchung einer Rast wächst
Wenig später erreichen wir den Schaumburger Hof, ein historisches Gasthaus mit wunderschönem Biergarten. Im September 1948 trat hier der Parlamentarische Rat zusammen, um über die Verfassung der künftigen Bundesrepublik Deutschland zu beraten.
Vorbei am Knotenpunkt 3 geht es immer weiter. Wir passieren die alte Fährstation Godesberg-Königswinter, die Bastei, erbaut 1898 als Wartehaus der ehemaligen Dampfschifffahrtsanlegestelle Bad Godesberg. Mit dem nun auftauchenden Weinhäuschen am Rhein wächst erneut die Versuchung, eine Rast einzulegen, um von dort aus den fantastischen Blick hinüber auf Drachenburg, Drachenfels und Petersberg zu genießen. Angesichts der Tatsache, dass bis dahin aber kaum ein Fünftel der Strecke absolviert ist, verkneifen wir uns die Pause.
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Die nächste Etappe führt in die Höhe der Rheininsel Nonnenwerth. Auf einem Felsen oberhalb erblicken wir den berühmten Rolandsbogen, den letzten Überrest der einstigen Höhenburg Rolandseck und eines der prägenden Wahrzeichen der Rheinromantik. Die Burg und das Frauenkloster Nonnenwerth wurden zu Beginn des 12. Jahrhunderts von Erzbischof Friedrich I. von Köln errichtet. Zusammen mit Burg Drachenfels und der Wolkenburg im Siebengebirge bildete Rolandseck ein Bollwerk an der Südgrenze des Kölner Erzstifts.
Preußische Baukultur
Rund anderthalb Kilometer weiter erreichen wir den Fährpunkt Rolandseck – Bad Honnef. „An dieser Stelle haben viele Maler das Ensemble von Rolandsbogen, die Inseln Nonnenwerth und Grafenwerth sowie das Siebengebirge mit Drachenfels, Wolkenburg, Löwenburg, Drachenburg und Petersberg gemalt“, weiß Winfried Kessel.
Hangseitig sehen wir das 1858 in klassizistischem Stil erbaute Empfangsgebäude des Bahnhofs Rolandseck, eines der bedeutendsten Zeugnisse preußischer Baukultur aus der Anfangszeit des Eisenbahnwesens und gleichzeitig ein schönes Beispiel für die touristische Erschließung des Mittelrheintals. Im Festsaal feierten und gastierten Kaiser und Könige, Kanzler und Komponisten. Um ein Haar wäre dieses Denkmal Anfang der 1960er- Jahre nach langem Verfall abgerissen worden. Doch durch couragiert-kreatives Eingreifen erlebte es eine Revitalisierung als Künstlerbahnhof und ist seit 2007 Teil des Arp Museums Rolandseck.
Top Sehenswürdigkeiten und Einkehrmöglichkeit
Von Rolandseck aus nehmen wir die Fähre nach Bad Honnef (Maske ist derzeit außerhalb von Autos Pflicht) und setzen rechtsrheinisch und stromabwärts die Radtour fort. Nach kurzer Fahrt geht es mit einem Abstecher über die Insel Grafenwerth, von der aus man nun das Panorama rund um den gegenüberliegenden Rolandsbogen bestaunen kann. Danach bietet es sich an, das „Rheinische Nizza“ kennenzulernen. Auch diesen Ausdruck prägte einst Humboldt, mit dem er das milde Klima Bad Honnefs und das damit verbundene Lebensgefühl auf den Punkt brachte. Villen, Privatsanatorien, Hotels, Grünanlagen und Fachwerk bestimmen das beschauliche Stadtbild. Vom Zentrum Bad Honnefs aus geht es Richtung Rhöndorf.
Top-Sehenswürdigkeit ist hier das in Hanglage erbaute Wohnhaus Konrad Adenauers, des ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland, der auf dem Waldfriedhof beigesetzt ist. Ebenso pittoresk wie skurril ist die auf einer Verkehrsinsel stehende Marienkapelle. Benachbart liegt das Weingut Broel, das in weiten Teilen noch so erhalten ist wie zur Erbauungszeit Anfang des 20. Jahrhunderts.
Im Ortskern sollte man unbedingt ins legendäre Café Profittlich einkehren. Das Haus im Turm ist ein weiteres Highlight. Und natürlich der Drachenfels mit seiner zum Wahrzeichen gewordenen Burgruine, an dessen Hängen ein respektabler Tropfen gedeiht. Zusammen mit den Rebhängen im unweit liegenden Oberdollendorf bildet die Ecke das einzige Weinanbaugebiet Nordrhein-Westfalens.
Märchenschloss
Von Rhöndorf geht es rheinabwärts nach Königswinter. Wer die Blicke nun noch mal bergauf schweifen lässt, sieht über sich bald die Drachenburg, das Ende des 19. Jahrhunderts erbaute Märchenschloss eines rheinischen Bankiers, das mit seinem Interieur inzwischen auch als Filmkulisse genutzt wird und einen Besuch lohnt.
Bis zur schönen Platanenpromenade von Königswinter ist es nicht weit. Das Städtchen bietet mit seiner hübschen Rheinfront nette Ecken zum Bummeln und Pausieren. Wer von Königswinter aus einen verkürzten Heimweg antreten will, nutzt hier die Fähre nach Mehlem. Ansonsten heißt es: Noch einmal kräftig in die Pedale treten! Wir erreichen Niederdollendorf – auch dort gibt es eine Fährverbindung. Dort könnten wir noch einen Abstecher nach Oberdollendorf machen, um im bereits 1444 erwähnten Bungertshof einen Schoppen zu genießen. Ein Fußweg führt vom Lokal durch den nahen Weinberg hoch zum Aussichtspunkt Hülle mit seinem prähistorischen Steinkreis.
Nach so viel Rhein- und Weinromantik nähern wir uns nun wieder Bonn. Von der Oberkasseler/ Beueler Seite aus ist vis-à-vis das alte Regierungsviertel mit dem Abgeordneten- Hochhaus „Langer Eugen“, Plenarsaal, Kanzler-Bungalow, Palais Schaumburg und Villa Hammerschmidt zu sehen. In Höhe der Bonner Innenstadt erreichen wir die Kennedybrücke. Zeit, wieder ins Linksrheinische zu wechseln. Direkt hinter der Brücke geht es rechts ab in einer Schleife vorbei an Knotenpunkt 79 und wieder auf den Rheinuferradweg, über den wir – das Siebengebirgspanorama vor uns in der Abendsonne erstrahlend – wieder die Rheinaue erreichen.
Fazit
Sowohl landschaftlich und kulturell als auch kulinarisch hat diese Strecke entlang des Rheins viel zu bieten. Man spürt, wie hoch die Lebensqualität in Bonn und Umgebung ist. Zusammengefasst: eine Tour vom Feinsten.
Tour-Tipps:
Bahnhof Rolandseck/ Arp Museum, Hans-Arp-Allee 1, 53424 Remagen, Telefon 02228 942516. Derzeit ist der Besuch im Restaurant nur mit Reservierung möglich. Ein Liefer-und Abholservice wird auf dem Parkplatz angeboten. Das Museum ist geöffnet.www.arpmuseum.org
Biergarten Alter Zoll, Brassertufer, 53113 Bonn, Telefon 0228 241243, hat geöffnet, Öffnung wetterabhängig, etwa von 11 bis 23 Uhr, Ablauf nach normalen Corona-Regeln.www.alterzoll.de
Weinhaus Jesuiterhof, Hauptst. 458, 53639 Königswinter, Telefon 02223 22650, Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr, Sa 16.30 bis 23 Uhr, So 12 bis 22 Uhr. Speisen und Getränke auch zum Mitnehmen, Reservierung aufgrund der reduzierten Kapazitäten empfohlen. Es gelten die allgemeinen Spielregeln (Maskenpflicht bis man am Tisch sitzt, Registrierung der Personen etc.)www.jesuiterhof.de