Der Wasserverband Eifel Rur hat viele Aufgaben. Mitte des Jahres werden erste Überlegungen zur Platißbachtalsperre vorgestellt.
Trinkwasser, Abwasser, HochwasserschutzSo steht es um die Gewässer in der Eifel
Über einen Mangel an Arbeit und Aufgaben können sich die Verantwortlichen des Wasserverbands Eifel Rur (WVER) wahrlich nicht beklagen: Die Folgen der Flutkatastrophe sind noch nicht komplett beseitigt, der Hochwasserschutz ist neu zu organisieren, zahlreiche Großprojekte sind zu stemmen. Zudem will man bis 2030 klimaneutral werden.
All diese Anstrengungen setzt Vorstand Dr. Joachim Reichert in den globalen Kontext, um den Wert des Wassers zu unterstreichen: Zwei Milliarden Menschen haben keinen gesicherten Zugang zu sauberem Trinkwasser und der Entsorgung von Abwasser. Durch den Klimawandel und nach den Dürrejahren sieht er auch in Deutschland eine wachsende Konkurrenz in der Wassernutzung. Vor diesem Hintergrund seien die Ziele der vom Bundeskabinett verabschiedeten Nationalen Wasserstrategie nur zu begrüßen – etwa, überall und jederzeit bezahlbares Trinkwasser zur Verfügung zu haben.
Die Wasserernte
Wenig Niederschlag gleich wenig Zufluss in die Talsperren gleich niedriger Wasserstand: Diese Rechnung macht Reichert auch für 2022 auf. Durch den trockenen Sommer sind demnach knapp 306 Millionen Kubikmeter in die Talsperren geflossen, der Mittelwert liegt bei knapp 343 Millionen.
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Da in der Wasserwirtschaft in Zwei-Jahres-Zyklen gerechnet wird, sei dies durch die ersten Monate 2023 kompensiert, durch den März bislang sogar überkompensiert worden. In den kommenden Tagen rechne der WVER durch die prognostizierten Regenmengen mit weiteren Zuflüssen. Aktuell ist die Oleftalsperre mit 15,5 Millionen Kubikmetern gefüllt. Die theoretisch möglichen 19,3 Millionen Kubikmeter werden laut WVER aufgrund des Hochwasserschutzraums „nie realisiert“. In der Urfttalsperre sind aktuell 32,8 Millionen Kubikmeter Wasser, theoretisch möglich sind hier 45,5 Millionen. Beide Werte liegen leicht über dem langjährigen Mittel.
„Die Gewässer sind voll und die Grundwasserstände steigen“, so Reichert. Im Januar und auch aktuell seien die Talsperren im Hochwasserschutzraum – was für diese Jahreszeit nicht ungewöhnlich sei: „Es liegt alles im Rahmen des Betriebsplans. Und es ist noch viel Luft nach oben.“ Das erreichen kritischer Hochwassermarken ist laut Reichert nicht in Sicht. Und: Diese Wasserernten im Frühjahr seien erforderlich, um für die trockeneren Sommer vorzubeugen.
Die Flutschäden
288 Schäden an den Flussläufen hat der WVER nach der Flutkatastrophe aufgelistet, 51 an den Böschungen. Sie sind weitestgehend beseitigt, die Fertigstellungen sind für Mitte beziehungsweise Ende des Jahres vorgesehen. Jedoch: Dies sind ausschließlich Schäden an den unterhalb des Staubeckens Untermaubach gelegenen Gewässern wie Inde, Vicht und Rur. Die Flutfolgen im Kreis Euskirchener Bereich des WVER, in erster Linie an Urft und Olef, sind da nicht erfasst. Der Grund: Hier sind die Anrainerkommunen für die Gewässerunterhaltung zuständig – und damit auch für die Beseitigung der Flutschäden.
Anders sieht es bei den Kläranlagen aus. Der WVER betreibt im Kreis Euskirchen die Anlagen Kall, Marmagen, Urft/Nettersheim, Schleiden und Gemünd. Sie wurden bei der Hochwasserkatastrophe teils komplett geflutet und waren zunächst außer Betrieb. Der WVER habe alles unternommen, die Anlagen und die dazugehörigen Sonderbauwerke, etwa Pumpstationen in der Kanalisation, wieder in Betrieb zu nehmen. Sie sind alle wieder funktionsfähig. Die größten Schäden habe die Elektronik genommen. In diesem Bereich gebe es noch Bauteile, in denen irgendwo Wasser schlummere. Diese werden nach und nach getauscht. Die elektronischen Steuerungselemente werden laut WVER hochwassersicher erneuert, etwa aufgeständert und nicht im Keller verbaut.
Der Hochwasserschutz
Während der Masterplan für Inde und Vicht mit 203 Maßnahmen in 63 Projekten bereits fertig ist, müssen sich die Flussanwohner im Südkreis noch gedulden. Ein Hochwasserschutzkonzept gehen hier die Kommunen Hellenthal, Schleiden, Nettersheim, Kall, Blankenheim und Dahlem sowie der Kreis Euskirchen gemeinsam an. Die Koordination und fachliche Erarbeitung hat der WVER dabei übernommen. In zwei bis drei Jahren, so Reichert, sei das sehr komplexe Paket wohl fertig. Jedoch werden in der Zwischenzeit durch die Kommunen bereits Maßnahmen umgesetzt, die nicht zum übergreifenden Konzept gehören werden.
Reichert erklärt, warum die Arbeit so aufwendig ist: „Die Gewässer haben durch die Flut Gesicht und Ausprägung verändert.“ Abgeschlossen ist gerade die auch per Drohnen durchgeführte Neuvermessung. Jetzt werden, so Reichert, digitale Abflussmodelle erstellt. Anhand dieser virtuellen Gewässer kann errechnet werden, welche Maßnahme bei welcher Wassermenge welchen Schutz bietet.
Das Prognose-System
Ein Pilotprojekt wird an Inde und Vicht gestartet: HÜProS (Hochwasser- und Überflutungs-Prognose-System). Mittels Sensoren, Auswertungssystem und Künstlicher Intelligenz wird ein Warnsystem entwickelt, dessen Informationen auch den lokalen Krisenstäben zur Verfügung gestellt werden. Wenn das System – voraussichtlich bis Ende 2025 – an Inde und Vicht erfolgreich eingeführt ist, folgen die übrigen Gewässer im WVER-Gebiet, also auch die im Kreis.
Die Bürokratie
In den Chor derer, die mit Blick auf die Maßnahmen infolge der Flut über die Bürokratie stöhnen, stimmt auch Reichert ein: „Jede kleine Maßnahme muss in Deutschland beantragt werden.“ Und das ist alles andere als ein formloses Schreiben: Die Planungsunterlagen gehören dazu, ein Wirksamkeitsnachweis, ein Nachweis, dass keine Schäden an anderen Stellen entstehen und, und, und.
Die Klimaneutralität
63 Gigawattstunden Strom haben die WVER-Anlagen 2021 verbraucht – so viel wie eine 60.000-Einwohner-Stadt. Der Verbrauch soll laut Reichert bis 2030 auf 48 GWh gesenkt werden – und die will der Verband selbst erzeugen. Etwa zur Hälfte soll die Energie aus Klärgasen gewonnen werden, wo jedoch das Steigerungspotenzial von 21 auf 23 GWh nicht gigantisch ist.
Stattdessen sollen regenerative Energien auf den eigenen Flächen erzeugt werden – Photovoltaik, Windkraft, Wärme aus Abwasser werden genannt. Der Vorstand spricht auch über „schwimmende“ Anlagen für Talsperren. In diesem Bereich sind nach Angaben von Verbandssprecher Marcus Seiler die Debatten in den Fachverbänden nicht abgeschlossen: Eine Konkurrenz zu touristischen Nutzungen sei etwa zu beachten und gerade in Trinkwassertalsperren wie der Oleftalsperre die Wasserqualität sicherzustellen.
Bereits jetzt wird durch das Wasser, das aus den Talsperren abgegeben wird, Strom erzeugt. Entsprechende Turbinen gibt es genauso am Fuß der Oleftalsperre wie an der Urfttalsperre im weithin bekannten Jugendstilkraftwerk in Heimbach. Welche Maßnahmen konkret für den Kreis vorgesehen werden, ist noch nicht klar. Der entsprechende Plan soll bis Ende des Jahres erarbeitet werden.
Der Auftrag
684 Mitarbeiter kümmern sich aktuell um die Aufgaben. Jedoch wird der demografische Wandel zuschlagen. Bis 2036 geht, so Reichert, „fast der halbe Verband in Rente“. Daher sind 2022 bereits 58 neue Mitarbeiter eingestellt worden, 2023 sind 90 geplant.
In der Kooperation zur Erstellung des Hochwasserschutzkonzepts etwa übernimmt der Verband auch Zusatzaufgaben. „Er ist hier sozusagen als Dienstleister angefragt worden. Er ist nicht zuständig, hat aber das Know-how“, sagt Seiler. Den Kommunen sei klar gewesen, dass sie es nicht alleine machen können. Und Vorstand Reichert ergänzt: „Wir haben auf diese zusätzlichen Aufgaben zwar nicht gewartet. Aber wir sehen uns hier auch in der Verantwortung.“
Die Platißbachtalsperre
Ein Großprojekt im Hochwasserschutz könnte eine Talsperre an Platißbach und Prether Bach sein. Von Hellenthal bis Gemünd könnten dadurch, so die ersten Prognosen des WVER, die regulierbaren Anteile der Wassermengen in der Olef deutlich gesteigert werden: in Hellenthal etwa von 56 auf 96 Prozent, in Gemünd von jetzt 25 auf 42 Prozent. Einen genauen Zeitplan gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Bei der Vorstellung des Vorhabens im vergangenen Jahr wurde von zehn Jahren gesprochen, die es vom Zeitpunkt, wenn man sich auf Standort und Bauart verständigt hat, bis zum Baubeginn dauern – wenn alles klappt wie am Schnürchen.
Die Machbarkeitsstudie ist der Einstieg. Darin werden voraussichtlich mehrere Optionen aufgezeigt. Eine Variante mit einem Becken oder ein kaskadenartiger Bau mit mehreren Becken etwa können Möglichkeiten sein. Alleine die in der Projektvorstellung angegebene Bandbreite zwischen 1,5 und 23 Millionen Kubikmetern Wasser, die gestaut werden können, zeigt, dass wohl diverse Varianten diskutiert werden. Für Mitte dieses Jahres hat Dr. Joachim Reichert angekündigt, dass man erste Überlegungen vorstellen werde. (rha)
- 2087 Quadratkilometer umfasst das Gebiet des WVER: von Teilen des Kreises Viersen im Norden über Heinsberg, Düren und Aachen bis zum Südkreis Euskirchen.
- Sechs Talsperren betreibt der WVER: Olef-, Urft- und Rurtalsperre, die Staubecken Heimbach und Obermaubach sowie die Wehebachtalsperre. Das Gesamtspeichervolumen liegt bei 300 Millionen Kubikmetern.
- 43 Kläranlagen gehören auch zum Aufgabengebiet der rund 700 Mitarbeiter. Darin werden Abwässer von mehr als einer Million Menschen und zahlreichen Industriebetrieben gereinigt. (rha)