Ein Armutsflüchtling schafft es von Libyen bis Gladbach, wird direkt beim Klauen erwischt, sitzt fünf Monate. Jetzt steht er vor Gericht.
DiebstahlIn Gladbach erwischt: Fünf Monate U-Haft für Armutsflüchtling
„Was soll ich denn machen? Ich kann ihn doch nicht mit nach Hause nehmen“: Mit diesen wenigen Worten bringt Schöffengerichtsvorsitzende Birgit Brandes die Verfahrenheit der Situation auf den Punkt. Ihr Gericht hat über einen 29-jährigen Mann zu urteilen, der nach monatelanger Odyssee von Libyen über die Türkei, Frankreich und Belgien Anfang September am Bergisch Gladbacher Busbahnhof angekommen ist.
Dort übernachtet der junge Mann und bemerkt sehr schnell, dass die Nächte im Bergischen sehr kühl sein können. Er geht in ein Kaufhaus in der Fußgängerzone und versucht sich eine 100 Euro teure Jacke zu stehlen, wird aber von zwei Ladendetektiven am Schlafittchen gepackt und der Polizei übergeben.
Angeklagter spricht über seine lange Reise
Nach einem Tag in Deutschland klauen, etwas, was, so die Richterin, „mit Sicherheit auch in Libyen verboten ist“: Das macht Abdul G. (Name geändert) weniger zum Sympathieträger als zu einem, bei dem akute Fluchtgefahr besteht. Er wandert in Untersuchungshaft, aus der er jetzt, nach fast fünf Monaten, in den Gerichtssaal geführt wird. Die Anklage lautet auf räuberischen Diebstahl: Als ihn die Ladendetektive packten, gab er nicht sofort auf, sondern versuchte, sich ihnen mitsamt seiner Beute zu entziehen.
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Ganz so schlimm, wie es in der Anklage klingt, stellt sich der Fall im Prozess dann aber doch nicht dar. Beide Detektive sagen aus, dass er wohl einfach nur weggewollt habe. Der Angeklagte selbst, der nur Arabisch und Französisch spricht, räumt auf Fragen der Richterin via Dolmetscherin freimütig ein, dass ihn nicht Furcht nach Bergisch Gladbach gebracht habe, sondern Not: „Nach dem Tod meines Vaters hat meine Mutter gesagt: ‚Hier ist kein Platz mehr für dich.‘“ Er habe die Mutter unterstützen wollen.
Gericht hebt Haftbefehl auf
Das wirkt zwar ehrlich, aber nicht wie ein anerkennungsfähiger Grund für politisches Asyl. Klar ist aber andererseits, dass der Haftbefehl nach so vielen Monaten aufgehoben wird. Am Ende verurteilt ihn das Gericht für den räuberischen Diebstahl im minder schweren Fall und Körperverletzung zu sieben Monaten auf Bewährung.
Mit der Aufhebung des Haftbefehls beginnt sogleich das nächste Problem: Die JVA Köln sieht sich nicht mehr zuständig für den Rücktransport des Ex-Knackis zu seinen paar Habseligkeiten. Am Ende soll ihm die Dolmetscherin erklären, wie er mit einem KVB-Ticket der Justiz zurück nach Ossendorf kommen könnte – und das möglichst noch vor 16 Uhr, wenn bei der JVA die Zugbrücken hochgezogen werden. Zu dem Zeitpunkt ist es bereits 14 Uhr durch.