Die Scholz-Regierung hatte sich schlicht selbst zerlegt. Auch das wird in die Geschichte eingehen.
Scholz und die VertrauensfrageDer Tiefpunkt einer blamabel gescheiterten Regierung
Es war der Tiefpunkt einer blamabel gescheiterten Regierung. Das letzte Mittel, das letzte Wort – die Vertrauensfrage gestern im Bundestag. Mit der erwartungsgemäßen Abstimmungs-Niederlage verabschiedete sich ein Regierungschef, der – anders als frühere Kanzler – nicht unter dem Druck eines für Deutschland bedeutsamen Zukunftsthemas wie etwa Brandts Ostpolitik die Vertrauensfrage stellte. Die Scholz-Regierung hatte sich schlicht selbst zerlegt. Auch das wird in die Geschichte eingehen.
Die eigentliche Vertrauensfrage aber kommt erst noch: Am 23. Februar wird darüber abgestimmt, wer das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger hat. Wem trauen die Deutschen Antworten auf die drängenden Fragen zu? Steigende Preise, Fachkräftemangel, Rentenfinanzierung, bezahlbarer Wohnraum, Gesundheitskosten, Energieversorgung, Verteidigungsfähigkeit, Migrationspolitik gehören auf die Agenda – die Liste ist noch weitaus länger. Genau genommen besteht Reformbedarf in nahezu allen Bereichen.
Geradezu reflexhaft reagieren die Parteien mit Wahlversprechen. Die CDU stellt etwa reduzierte Netzentgelte, Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie, Eigenheimförderung oder eine höhere Pendlerpauschale in Aussicht; die SPD will die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel senken, für 95 Prozent der Steuerzahler die Einkommenssteuer herunterschrauben und den Mindestlohn aufstocken; die Grünen wollen mit Klimageld und E-Auto-Förderung punkten. Das alles klingt vor allem nach schönen, aber teuren Wahlgeschenken. Vertrauensbildend? Wohl kaum. Eine ehrliche Analyse und eine Positionsbestimmung mit dem, was machbar, also finanzierbar, ist und was nicht, wären wahrscheinlich glaubwürdiger.
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Mehr Mut zur Selbstkritik
Im laufenden Politikwettbewerb wird das offenbar ausgeblendet. Eine Ermahnung zur Selbstkontrolle kommt in Talkshows eher von Ehemaligen, wie der Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang oder Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (SPD), die aus der Distanz mehr Ehrlichkeit fordern, um das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen. Dazu gehört auch der Mut, sich selbstkritisch mit dem eigenen Auftreten zu beschäftigen.
Ein anderer Umgang, untereinander und im Dialog mit den Bürgern, könnte den Politikbetrieb verändern. Das Scheitern der Ampel, der bevorstehende Neustart durch eine vorgezogene Wahl, hätte geeignet sein können, sich respektvoller zu begegnen. Immerhin führte das bei dem Kanzler zu der Erkenntnis, dass man den Bürgern „Anstand und Ernsthaftigkeit“ schulde. Doch der dann folgende Schlagabtausch im Bundestag war so aufgeladen, dass damit wohl vorerst nicht zu rechnen ist. Wenn Olaf Scholz der FDP weiterhin „Sabotage“ um die Ohren haut und ihr Schaden an Regierung und Demokratie vorwirft, wenn Friedrich Merz dies wiederum als „blanke Unverschämtheit“ tituliert, dann stecken darin vor allem Kampfgeist und der Drang auszuteilen.
Es ist Wahlkampf. Und das bedeutet auch Abgrenzung und die Definition roter Linien zwischen den Parteiabsichten. Nach dem 23. Februar allerdings wird es ohne ein Bündnis – wie auch immer gestaltet – nicht weitergehen. Das Bild, das die Parteien derzeit abgeben, lässt wenig Neigung erkennen, sich aufeinander einzustellen. Für die Wählerinnen und Wähler macht das die Vertrauensfrage nicht leichter.