Olaf Scholz verliert das Vertrauen der Abgeordneten im Bundestag, aber nicht die Fassung. Die bemerkenswertesten Momente der historischen Sitzung im Bundestag, in der Friedrich Merz sogar über Froschschenkel sprach.
VertrauensfrageDas waren die denkwürdigsten Momente der historischen Sitzung
Die Ampel ist Geschichte, erhitzt aber weiter die Gemüter. Warum Christian Lindner (FDP) im Bundestag ausgelacht wurde und der Grüne Anton Hofreiter wutschnaubend den Saal verließ.
Scholz bleibt Scholz
Der Kanzler verfolgt die Debatte um die Vertrauensfrage weitgehend regungslos. Schwarzer Anzug, graue Krawatte, den Blick undurchsichtig in die Ferne gerichtet. Gegen diesen Kanzler war selbst Angela Merkel ein offenes Buch. Einen Moment der Gefühle genehmigt sich der Kanzler, der seine Rede ansonsten geschickt als Wahlkämpfer nutzt, dann doch. „Politik ist kein Spiel. In eine Regierung einzutreten, dafür braucht es die nötige sittliche Reife“, ruft er FDP-Chef Christian Lindner zu. Ein Raunen geht durch die Reihen. Zwischen diesen beiden Herren jedenfalls ist das Tischtuch zerschnitten. Aber darüber bestand eigentlich auch kein Zweifel mehr. Lindner erntet heftiges Gelächter, als er später fordert: „Wir müssen wahrhaftig sein!“ Das D-Day-Papier wirkt nach.
Froschschenkel und Wachteleier
Friedrich Merz sorgt für den kulinarischen Überraschungsmoment der Debatte. Um die geplante Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel, die Olaf Scholz eingangs angekündigt hatte, als Verteilungspolitik mit der Gießkanne zu entlarven, greift der CDU-Chef zur Speisekarte der Luxus-Restaurants. Damit würden dann ja wohl auch Wachteleier, Froschschenkel und frischer Trüffel günstiger, merkt Merz kritisch an. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich schlägt wenig später zurück: In seiner Gegend in Köln wüssten die Menschen nicht mal, wo sie Froschschenkel kaufen sollten. Dafür interessiere die Menschen sehr, wenn das Stück Butter wieder günstiger werde.
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Der lauteste Schrei
Als SPD-Fraktionschef Mützenich Kanzler Olaf Scholz bescheinigt, mit seiner Reise nach China 2022 einen Atomkrieg verhindert zu haben, ist ein lauter und unverständlicher Schrei aus den hinteren Rängen der Grünen-Fraktion zu hören. Alle Kameras sind plötzlich auf die Hinterbänke gerichtet. Man sieht Anton Hofreiter mit hochrotem Kopf aus dem Sitzungssaal rauschen. Der erklärt anschließend auf Nachfrage draußen, er habe „skandalöse Legendenbildung“ geschrien. Als völlig anmaßend habe er diese Huldigung von Scholz durch Mützenich empfunden. Und bleibt erstmal draußen.
Die auffälligsten Outfits
Vorweihnachtliche Stimmung im Bundestag oder doch schon Koalitionsaussagen? Die neue Grünen-Chefin Franziska Brantner kommt in Dünkelgrün-Schwarz, ihre Parteifreundin Katrin Göring-Eckardt in Hellgrün-Schwarz. Auch Julia Klöckner setzt mit schwarzem Oberteil und grünem Rock einen auffälligen Akzent in Richtung Schwarz-Grün. Bei der SPD dominieren rote Blazer zum schwarzen Look. Schwarz jedenfalls ist überall dabei. Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck erscheint mit neuer Kurzhaar-Frisur und im schwarz-weißen Dreiteiler – staatstragend.
Bevor die Sitzung losgeht, versammelt sich jedoch kurzzeitig eine schwarz-gelbe Menschentraube um Friedrich Merz und Christian Lindner zur fröhlichen Runde. Angesichts der mauen Umfragewerte für die FDP dürfte dieser Zirkel Stand heute allerdings kaum gemeinsam auf die Regierungsbank wechseln.
Das Wort zum Sonntag
Der SPD-Fraktionschef ist der Mann der mahnenden Worte. Der Tag sollte sich „in Würde und Anstand vollziehen“. Als die AfD darauf mit Zwischenrufen reagiert, setzt er nach: „Sie können das nicht.“ Mützenich führt anschließend aus, dass er glaubt, die Vertrauensfrage werde künftig womöglich häufiger gestellt, weil es schwieriger werde, im zerklüfteten Parteiensystem Regierungen zu bilden. Er mahnte: „Ich glaube, dass frühere Generationen vor größeren Herausforderungen standen. Lassen wir nicht zu, dass Leichtsinn und Heuchelei sich breitmachen.“
Männer (fast) unter sich
Man musste unweigerlich an Angela Merkel denken. Was sie angesichts des Ampel-Aus als erstes gedacht habe, wurde sie in einem Interview gefragt. „Männer!“, antwortete die erste Kanzlerin der Bundesrepublik. Mehr als eine Stunde Debatte im Bundestag vergehet, ehe an diesem Montag die erste Frau spricht. Scholz, Merz, Habeck, Lindner – im Wahlkampf ist das Feld der Spitzenkandidaten so männlich wie lange nicht, und ihr Streit geht munter weiter. Da ist es fast schon eine Ironie der Geschichte, dass die Kanzlerkandidatin der Rechtsaußen-Partei AfD die erste Frau im Reigen der Redner dieser Bundestagsdebatte ist.
Stimmen aus der AfD für Scholz
Kurz vor Schluss der Aussprache sorgt noch eine AfD-Abgeordnete für einen Überraschungsmoment. Christina Baum erklärt, sie spreche Scholz ihr Vertrauen aus, weil er keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern will. Kurzzeitig war unklar, ob Scholz tatsächlich viele Stimmen aus der AfD erhalten würde. Er verlor die Vertrauensfrage dann aber erwartungsgemäß sehr klar. Die Grünen hatten sich vorsorglich enthalten.
Philipp Amthor brieft die „heute-show“
Die Fernsehkomiker und „heute-show“-Reporter Fabian Köster und Lutz van der Horst versuchten, den CDU-Dauergast ihrer Sendung Philipp Amthor schon vor der Sitzung in Verlegenheit zu bringen. Ob man sich auch Jens Spahn „sparen“ kann, wenn man schon sparen will? „Natürlich nicht!“, sagt Amthor und wechselt sogleich in den Wahlkampfmodus. „Leistung muss sich wieder lohnen, auch bei den Gags!“ Die Ampel hätte es der „heute-show“ viel zu einfach gemacht. Auf die Kabarettisten kämen mit der Union im Kanzleramt wieder härtere Zeiten zu. Köster und van der Horst wirkten nicht so, als würden sie das glauben.