Die Bahnunterführung in Dahlem-Schmidtheim wurde jetzt von Künstlern aus Bonn mit Motiven aus der Ortsgeschichte verschönert.
Gesprühte OrtsgeschichteWie Graffitis die Bahnunterführung in Schmidtheim verschönern
Die Bahnunterführung in Schmidtheim war alles andere als ein Schmuckstück. Jetzt ist sie ein echter Blickfang: Profis haben Motive des Ortes auf den kahlen, unansehnlichen Beton gesprüht. Aus der dunklen Ecke ist eine Open-Air-Ortsgeschichte in Bildern geworden.
Der letzte „Tag“, der typische großformatige, auf 3D-Wirkung angelegte Schriftzug eines unbekannten Graffiti-Sprayers, ist verschwunden. Über Jahre ist er das einzige irgendwie belebende Element an den betongrauen Wänden der Bahnunterführung gewesen. Dieser wuchtige, graue Zweckbau teilt seit Jahrzehnten den Ort. Immerhin hat man vor Jahren in der Unterführung eine Beleuchtung angebracht, die der Passage die Unbehagen einflößende Wirkung genommen hat.
Im Ort und im Gemeinderat hat es immer wieder Überlegungen gegeben, den kahlen Beton künstlerisch gestalten zu lassen, doch erst vor wenigen Monaten kam es zum Beschluss. 10.000 Euro kostet das neue Design, das die Bonner Fassadenmaler von „Highlightz“ anbringen. Die sind in der Region keine Unbekannten: Sie haben etwa die Unterführung in Kall gestaltet, ein Trafohäuschen in Blankenheim, Betriebsgebäude der Westnetz oder von E.on.
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Schmidtheim: Schloss, Alte Bürgermeisterei und Bahnhof als Motive
Bezahlt wird das aktuelle Werk aus dem Gemeindeetat und dem Budget von Ortsbürgermeister Hans-Josef Bohnen. Er, die Interessengemeinschaft Schmidtheim und die Ratsmitglieder aus dem Ort stellten sich die Frage, welche Motive an den Wänden angebracht werden sollten. Immerhin handelt es sich insgesamt um 150 Quadratmeter.
Man habe im Gemeindearchiv im Rathaus historische Schwarz-Weiß-Fotos gesichtet und eine Auswahl getroffen, so Bürgermeister Jan Lembach. Aufgesprüht werden sollten auf der linken Wandseite in Fahrtrichtung B51 eine Ansicht des in natura oberhalb der Brücke gelegenen Schlosses Schmidtheim sowie der Alten Bürgermeisterei aus dem Jahre 1938.
Auf der rechten Wandseite wiederum der alte Schmidtheimer Bahnhof, ergänzt um den lokalpatriotischen Zusatz „Höchstgelegener Bahnhof der Eifel (554 Meter)“, dann der Bau der Eisenbahnbrücke selbst, beides zwischen 1870 und 1871 entstanden.
Auf dieser Seite der Bahnbrücke ist an einer vorspringenden Ecke Platz für zwei weitere Motive: Die Urftquelle als Rinnsal ist frei erfunden, dazu der Tower der nahen Dahlemer Binz. Zwischen den Bildmotiven füllen stilisierte Natur wie Bäume oder einfach Grün und grafische Elemente den Raum.
Sechs Fassadenmaler aus Bonn sorgen für die Verwandlung
Am Montag haben sich sechs Fassadenmaler aus Bonn um Stefan Vogt-Thomas ans Werk gemacht. Sie haben für die künstlerische Verwandlung der 150 Quadratmeter vier Tage einkalkuliert. Ein sicheres Arbeiten hat ihnen die einseitige Wechselsperrung für den Verkehr samt Ampelschaltung ermöglicht. Die Bürgersteige neben der Fahrbahn wären für Team und Material schlicht zu schmal gewesen.
Auch Lena Ortmann vom Highlightz-Team hat sich die Fotovorlage für die maßstabgetreue Übertragung ihres Bildmotivs auf den Beton an die Wand geklebt: Der Bau der Eisenbahnbrücke selbst, mit Baugerüsten, Arbeitern darauf, Baumaterialien und Werkzeug ist das komplexeste der ausgewählten Motive.
Künstler brauchten vier Tage für die Arbeiten in Schmidtheim
Die Arbeiten starten mit Fassadenschutzfarbe als Grundierung, es folgen die Skizzierung der Umrisslinien auf Basis der Vorlage, schließlich wird das Motiv mit Acrylfarben für den Außenanstrich aufgetragen. Wie bei den alten, zweifarbigen Fotovorlagen ist auch die Wiedergabe ohne natürliche Farben, sondern reduziert. Eine Ausnahme ist das Schloss. Jedes Motiv wird zudem aus der historischen Umgebungsbebauung isoliert. Dahinter gibt's die grüne Eifelwald-Kulisse. Um die neuen Bilder vom Betondunkel der Durchfahrt optisch abzusetzen, ist an beiden Seiten über die gesamte Länge bis auf drei Meter Höhe eine Art Bilderrahmen in hellblau-grauer Fassadengrundierungsfarbe gezogen.
Vier Tage haben die Profis, die zum Teil eine einschlägige Vergangenheit als illegale Straßengraffiti-Künstler haben, dann auch für die Schmidtheimer Bahnbrücke benötigt. Während die illegalen Sprayer meist im Schutz der Dunkelheit und möglichst schnell ihre aufwendigen Pieces anbringen, arbeitet das Bonner Team tagsüber – und alle Passanten können das Entstehen des Werks beobachten.
„Wir haben schon eine ganze Reihe von positiven Reaktionen auf die Bilder bekommen“, so Bürgermeister Jan Lembach. Auch die Highlightz-Profis sind zufrieden. Doch wie lange bleibt die Bilderpracht intakt? Was werden Kollegen aus der Szene davon halten? Stefan Vogt-Thomas wirkt entspannt: „In der Szene gibt es einen Ehrenkodex. Der allerdings ist komplex. Eines der ungeschriebenen Gesetze, an die sich die meisten Writer halten, besagt: Übermale niemals jemanden, der besser ist als du.“ Die neue Bildergeschichte von Schmidtheim ist sehenswert genug, um schützenswert zu sein.