RWE-Chef im Interview„In Hambach gibt es wieder 80 Baumhäuser“
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Der RWE-Chef Rolf Martin Schmitz über die Folgen von Corona, die Lage im rheinischen Revier und Forderungen für den Windstrom-Ausbau.
In der Corona-Krise ist vieles unsicher. Wie sicher ist der Strom?Wir tun alles, um die Stromversorgung auch in der Corona-Krise zu sichern. Dazu arbeiten wir in den Kraftwerken mit Schichtsystemen - streng getrennte Schichten, die sich nicht begegnen - und haben in der Verwaltung fast alle Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Die Mitarbeiter wissen, welche Verantwortung sie tragen. Dafür möchte ich noch einmal ausdrücklich Danke sagen!
Wie viele Infizierte gibt es bei RWE?
In der Spitze war eine zweistellige Zahl von Mitarbeitern infiziert, meistens kamen sie aus dem Skiurlaub oder haben Partner, die im Ges undheitswesen tätig sind. Jetzt ist die Zahl deutlich rückläufig.
Wegen der Krise haben Sie die Hauptversammlung verschoben. Die Aktionäre warten auf die Dividende. Wie geht es weiter?
Ich hielte es für unverantwortlich, ein Treffen mit bis zu 3000 Aktionären zu veranstalten. Daher kann ich mir gut vorstellen, dass wir eine virtuelle Hauptversammlung noch in der ersten Jahreshälfte abhalten werden. Darüber wird der Aufsichtsrat am Dienstag beraten.
Der Konzern RWE
Der Konzern RWE ist noch der größte deutsche Braunkohleverstromer, aber zugleich der drittgrößte Ökostrom-Erzeuger in Europa.Chef Rolf Martin Schmitz (62) ist Ingenieur und war bei Steag, Veba, Rheinenergie tätig. Seit 2016 führt er RWE und ist Chef von 20.000 Mitarbeitern.
Wie wirkt sich die Krise auf das Geschäft aus?
Der Stromverbrauch in Deutschland ist etwas heruntergegangen, zum Beispiel durch den Stillstand in Automobilfabriken. Doch Einbrüche wie in Italien oder Frankreich, wo der Verbrauch um 20 Prozent und mehr gesunken ist, sehen wir hierzulande nicht. Und viele Betriebe fahren inzwischen die Produktion wieder hoch.
Wie trifft es RWE?
Die Corona-Krise trifft RWE derzeit kaum: Wir haben den Strom, den wir jetzt produzieren, schon vor zwei, drei Jahren auf Termin verkauft. Bei einzelnen Revisionen von Kraftwerken kann es zu Problemen kommen, da wir dabei Experten aus dem Ausland einsetzen – quasi die Erntehelfer der Energiewirtschaft. Hier gibt es Schwierigkeiten wegen der Reisebeschränkungen. Das kann dazu führen, dass Revisionen verschoben werden.
Durch den Absturz der Aktienmärkte haben auch Energieaktien gelitten. Wird RWE jetzt zum Schnäppchen für ausländische Investoren?
RWE ist doch kein Übernahmekandidat. Die Aktie ist seit Ankündigung der innogy-Transaktion um über 35 Prozent gestiegen. Der jüngste Rückgang ändert daran kaum etwas. Zudem: Wer sollte denn kaufen? Viele Unternehmen haben aktuell ganz andere Probleme. Denken Sie nur an die Ölkonzerne.
Die Eon-Aktie ist bei weitem nicht so gut gelaufen. Was machen Sie mit Ihrer Beteiligung?
Die Eon-Aktie ist stabil. Und wir haben keine Pläne, an unserer Eon-Beteiligung von 15 Prozent etwas zu ändern. Sie sichert sehr gut unsere Rückstellungen für die Rekultivierung der Braunkohle-Tagebaue ab.
Die müssen nun wegen des Kohleausstiegs schneller anwachsen. Wie weit ist der öffentlich-rechtliche Vertrag?
Wegen der Corona-Krise verzögern sich die Verhandlungen. Aber ich gehe davon aus, dass wir Anfang Mai einen Entwurf vom Bundeswirtschaftsministerium erhalten. Dabei geht es nur noch um die Mühen der Ebenen, Eckpunkte und Ausstiegspfad sind ja fest vereinbart.
Was passiert mit den Braunkohle-Jobs im rheinischen Revier?
Es bleibt dabei: Bis Ende 2022 müssen wir 3000 de r aktuell 10.000 Stellen in der Braunkohle abbauen, bis 2030 werden es 6000 sein. Das werden wir sozialverträglich tun. Auch das Anpassungsgeld muss noch von der Bundesregierung festgeschrieben werden. Unsere Mitarbeiter können sich jetzt auf den Ausstiegspfad einstellen.
Der Hambacher Forst bleibt stehen. Trotzdem sind noch Aktivisten im Wald ...
Und zwar unverändert. Das ist bizarr. Obwohl der Forst bleibt, gibt es wieder 80 Baumhäuser, in denen Besetzer wohnen. Das zeigt, dass es denen gar nicht um den Forst geht. Das sind Antidemokraten. Immer wieder werden unsere Mitarbeiter ernsthaft attackiert oder angepöbelt, das ist eine große Belastung.
Die Besetzer werfen RWE vor, dem Wald das Wasser abzugraben und wollen Dörfer wie Keyenberg retten.
Der Tagebau schadet der Wasserversorgung des Waldes nicht. Auch wird am Hambacher Forst keine Insellage geschaffen, wie behauptet wird. Der Forst bleibt am Leben. Die meisten Bewohner der betroffenen Dörfer am Tagebau Garzweiler haben sich mit uns verständigt, viele sind bereits umgezogen, die Umsiedlungen gehen wie geplant weiter. Und das will auch die weit überwiegende Mehrheit vor Ort so.
RWE ist Eigentümer, warum lassen Sie den Hambacher Forst nicht räumen?
Das Land, das dies anordnen müsste, hat in der aktuellen Corona-Krise etwas anderes zu tun. Wir setzen auf Befriedung der Lage mit der Zeit.
Ärger gibt es auch noch um die Steinkohlekraftwerke. Verstehen Sie den Zorn vieler Stadtwerke auf die Braunkohle, weil diese Milliardenentschädigungen erhält, die Steinkohle aber nicht?
Wir erhalten bei der Braunkohle keine Entschädigung für entgangene Gewinne, sondern nur einen teilweisen Ausgleich unseres Schadens in Höhe von 3,5 Milliarden Euro durch Mehrkosten zum Beispiel bei der Rekultivierung, Personalrückstellungen und Investitionen für Umbauten unserer Kraftwerke. Aufwendungen wie zum Beispiel 2 Milliarden Euro bei der Rekultivierung gibt es beim Steinkohle-Ausstieg nicht.
Die Steinkohle-Verstromer sollen nicht rumjammern?
Ich verweise nur auf die Unterschiede zwischen Braun- und Steinkohle. Ansonsten kann ich die Kollegen verstehen, zumal wir selbst Steinkohlekraftwerke haben: Ibbenbüren, Westfalen und eine Beteiligung am Großkraftwerk Mannheim. Unser Branchenverband BDEW hat richtigerweise angeregt, die Entschädigungen für die Steinkohle länger als bis 2026 zu zahlen. Auch eine Erhöhung des Kohleersatzbonus für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen ist sinnvoll.
Die Zukunft von RWE liegt im Ökostrom. Spüren Sie beim Ausbau die Krise?
Finanziell gibt es keine Auswirkungen. Wir finanzieren die Ökostrom-Investitionen aus eigener Kraft. Es gibt aber Probleme bei einigen Lieferketten, das bedeutet bei einzelnen Projekten Verzögerungen von einigen Wochen. Solche Puffer sind bei solchen Großprojekten ohnehin immer mit eingeplant.
Kann Deutschland den angepeilten Ökostromanteil von 65 Prozent bis 2030 schaffen?
Das kommt darauf an. Das deutsche Onshore-Geschäft mit neuen Windparks ist fast zum Erliegen gekommen. In der Bevölkerung fehlt die Akzeptanz. Die Abstandsregeln sind dafür nur ein Beispiel. Im Offshore-Geschäft muss die Bundesregierung nun dringend die richtigen Weichen stellen, insbesondere was die langfristigen Ausbauziele nach 2030 angeht und das Auktionsdesign.
Wie sehen die aus?
Offshore-Parks müssen für Investoren verlässliche Investments sein. Groß britannien zeigt, wie es geht. Hier gibt es eine staatlich festgesetzte Bandbreite – einen Mindest- und Höchstpreis, auf den sich Investoren und Stromkunden einstellen können. Das führt im Ergebnis zum gewollten Ausbauziel sowie zu den niedrigsten Strompreisen, da Überrenditen abgeschöpft werden. Es wäre gut geeignet, auch in Deutschland einen zuverlässigen und wettbewerbsfähigen Ausbau von Wind auf See zu erreichen.
Was fordern Sie von der Bundesregierung?
Derzeit arbeitet das Bundeswirtschaftsministerium an den Ausschreibungsregeln. Sie sollte sich am erprobten britischen Modell orientieren. Das gibt Planungssicherheit. Auch die Deckelung der Solarstrom-Förderung sollte rasch beseitigt werden. Ohne richtige Anreize schafft Deutschland sein Ökostromziel nicht.