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Lange Schlangen in Köln/BonnWas man jetzt zum Chaos an Flughäfen wissen muss

Lesezeit 7 Minuten
Wartende am Flughafen

Lange Schlangen an den Check-In-Schaltern gibt es europaweit – so auch am Schiphol Airport in Amsterdam.

  1. Auf den Ansturm der vielen Reisenden nach zwei Jahren Corona-Pandemie ist die Flugreise- Branche offenbar nicht vorbereitet.
  2. In Köln/Bonn und anderen Airports bilden sich lange Schlangen vor dem Check-In. Urlauber verpassen ihre Flüge.

Eigentlich beginnt der Urlaub mit dem Abflug. Der Alltag wird mit jedem Meter kleiner, den die Maschine steigt. Doch in diesen Tagen endet der Urlaub für viele Reisende, bevor er angefangen hat. Flüge werden annulliert oder Abflugzeiten verschoben. Die Schlangen vor Check-In und Sicherheitskontrollen sind so lang, dass die Wartezeit viele Stunden dauern kann. Wer Pech hat, verpasst seinen Flug. Grund für das vielfach vermeldete Chaos soll Personalmangel bei der Luftsicherheit sein. Fluggesellschaften wie Lufthansa, Eurowings und Easyjet haben deshalb kurzfristig tausende Flüge für die kommenden Wochen gestrichen.

So bewertet der Flughafen Köln/Bonn die Situation

Auf Flughäfen, Airlines und die Bundespolizei mit ihren Dienstleistern - in Köln/Bonn ist das Securitas - läuft die Reisewelle zu. Die Bewährungsprobe haben sie am Wochenende mit dem Ferienbeginn in NRW zu bestehen. Von Freitag bis Montag erwartet Kölns Flughafen-Chef Thilo Schmid 150 000 Fluggäste. Problematisch für den Betrieb sind einzelne Stoßzeiten am Morgen oder Nachmittag. Vor allem dann gibt es lange Wartezeiten bei Check-In und Sicherheitskontrolle.

Zu verantworten hat der Flughafen die Probleme nur zum Teil. Für die Sicherheitskontrollen ist etwa die Bundespolizei verantwortlich, die einen Dienstleister beauftragt hat. Der hat laut der Gewerkschaft Verdi 100 Mitarbeitende zu wenig. Manchmal muss da die Bundespolizei aushelfen.

Das Be- und Entladen der Maschinen erledigt der Flughafen aber zum Teil selbst. Gerade in Stoßzeiten kann ein verspätet eintreffender Flieger dann den Ablauf durcheinander bringen. Soll das Personal dann vielleicht schon die nächste Maschine entladen, bauen sich Verspätungen auf. Auch muss möglicherweise Gepäck wieder ausgeladen werden, weil es die Besitzer nicht rechtzeitig durch die Sicherheitskontrolle geschafft haben.

Um 100 neue Mitarbeitende hat der Flughafen das Personal aufgestockt. 80 weitere warten noch auf das Ergebnis der Zuverlässigkeitsprüfung, ohne die niemand am Airport arbeiten kann. Die dauert acht bis zehn Wochen.

Das sagen die Fluggesellschaften zu den Ausfällen

Anfang des Jahres sprach Eurowings-Chef Jens Bischof von Zehntausenden Neubuchungen und kündigte an, die Zahl der Flüge mindestens auf das Vorkrisen-Niveau auszubauen. Anfang Juni teilte dann Eurowings mit, dass im Juli „mehrere hundert“ Flüge gestrichen würden, nachdem die Konzernmutter Lufthansa bereits mitgeteilt hatte, 1000 Flüge nicht durchzuführen. Jetzt streicht Eurowings Flüge auch im bereits laufenden Monat. Die industrieweiten Herausforderungen hätten dazu geführt, dass Airlines in den kommenden Tagen europaweit kurzfristig weitere Flüge aus dem System nehmen mussten, darunter auch Eurowings.

„In den vergangenen Tagen kam es zu kurzfristigen Krankmeldungen unserer Crews, darunter auch Corona-Erkrankungen“, heißt es vom Unternehmen. „Die überraschenden Abmeldungen überstiegen für kurze Zeit unsere vorgehaltenen Reserven, weshalb wir einige Flüge bedauerlicherweise nicht durchführen konnten.“ Zahlreiche Airlines in ganz Europa seien gezwungen, ihr Programm aufgrund der Überlastung der Luftverkehrs-Infrastruktur anzupassen, so Eurowings weiter. Nach der schwersten Krise in der Luftfahrt weltweit sei die Infrastruktur noch nicht vollständig wiederhergestellt. Die Luftfahrt-Branche habe seit Corona europaweit 150 000 Mitarbeitende verloren. Entsprechend komme es aktuell noch zu Engpässen.

Ryanair teilte auf Anfrage dagegen mit, dass im Mai kein Flug der Airline nach oder von Deutschland aus wegen Personalprobleme ausgefallen sei. Auch für den laufenden Monat geht Ryanair davon aus, alle Flüge durchführen zu können, wenn es nicht zu Problemen bei den Sicherheitskontrollen oder beim Be- und Entladen der Flugzeuge komme.

So reagieren die Reiseveranstalter

Über Flugstreichungen, Verspätungen und Umbuchungen sind die deutschen Reiseveranstalter offenbar mächtig verärgert. Man stehe vor einer Situation, „die wir so noch nicht gesehen haben“, sagt Dirk Inger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Reiseverbands (DRV) dem Wirtschaftsmagazin Capital. Jeglicher Flugausfall sorge für Stress und mehr Aufwand auf allen Seiten – bei den Reisenden aber auch bei den Reiseveranstaltern und den Reisebüros, beklagt die Branche. Laut Capital beharrt Ralph Schiller, Chef des drittgrößten deutschen Reiseveranstalters FTI, darauf, dass die „zum Verkauf bereitgestellten Flüge auch bedient und abgewickelt werden“. Flughafenbetreiber und Fluggesellschaften würden „alles dafür tun, die Probleme für An- und Abreisende schnellstmöglich zu beheben.“ Storniert wird manchmal kurzfristig und für die Passgiere überraschend. Laut Capital laufen die Verhandlungen zwischen Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften auf Hochtouren, um abzuklären,welche Verbindungen bestehen bleiben, welche Kunden auf welche Maschinen umgebucht werden, und wer für Mehraufwand und Entschädigungen auf kommt.

Diese Rechte haben Reisende, wenn sie ihren Flug verpassen

Hier kommt es auf den Einzelfall an. Ein Anspruch gegen die Airline, den Reiseveranstalter oder den Flughafenbetreiber besteht nur, wenn sich der Fluggast rechtzeitig vor dem Abflug am Flughafen eingefunden hat. Voraussetzung für eine Verantwortlichkeit von Airline oder Betreiber ist darüber hinaus ein organisatorischer Fehler im Vorfeld des Check-ins oder der Kontrolle, zum Beispiel der Einsatz von zu wenig Personal, die Öffnung von zu wenig Schaltern oder Schleusen oder eine insgesamt schlechte Organisation der Abläufe. Ist man rechtzeitig am Flughafen und droht, wegen langer Warteschlangen dennoch den Flug zu verpassen, sei es wichtig, den Zeitablauf zu dokumentieren, sagte der Reiserechtler Paul Degott dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). So sollte man Fotos machen – etwa von der rechtzeitigen Ankunft am Flughafen, der Schlange im Terminal, der Zahl der geöffneten Schalter.

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Werden Flüge storniert, haben Reisende je nach Zeitpunkt Anspruch auf Erstattung und gegebenenfalls Schadenersatz. Dafür gibt es die EU-Fluggastrechteverordnung, die für alle Flüge, die innerhalb Europas starten, anwendbar ist.

So finden Betroffene Hilfe, ihr Recht einzufordern

Sich selbst durch die Fluggastrechteverordnung wühlen und dann mit den Airlines in Kontakt treten - vor diesem Aufwand scheuen viele zurück. Hilfreich kann an der Stelle zum Beispiel die Flugärger-App der Verbraucherzentrale NRW sein. Mit der kostenlosen Anwendung können Reisende ihre Ansprüche prüfen und eine Mail an die Airline formulieren. Einen Entschädigungsrechner gibt es auch beim Autofahrer-Club ADAC. Damit könne man seine Rechte kostenfrei prüfen und dann entscheiden, ob und wie man tätig werden wolle, so der ADAC.

So ist die Situation am Flughafen Köln/Bonn

Ob es eine Ruhe vor oder nach dem Sturm ist, lässt sich am Dienstagmorgen nicht sagen. Am Flughafen Köln Bonn ist es jedenfalls ruhig. Die Schlangen am Check-In am Terminal 1 sind lang, aber nicht länger als an anderen Tagen auch. Eine junge Familie mit Kind will nach Mallorca fliegen. „Wir warten jetzt eine Stunde“, sagt die Mutter. „Aber alles ist ruhig und entspannt.“ Ob sie wegen der Berichte über den Andrang früher angereist sind? „Nein“, sagt der Vater. „Wir haben uns an die Empfehlung gehalten, zweieinhalb Stunden eher zu kommen und das scheint gut zu funktionieren.“

Andere waren vorsichtiger. Zwei Männer, die am Nachmittag nach Zypern fliegen wollen, sind schon vier Stunden vor Abflug am Flughafen. „Wir haben die Berichte gelesen, und sind deshalb früher angereist“, sagt der eine. „Das war aber völlig unnötig“, sagt der andere. „Hier ist überhaupt nichts los.“ Das werde sich wohl zum Wochenende ändern, wenn die Schulferien beginnen, sagt er. Ein größeres Problem sei die Anreise gewesen. Die Regionalbahn hatte Verspätung.

Wie sich Reisende vorbereiten können

Voraussetzungen für einen reibungslosen Flug sollten Reisenden schon vor dem Airport schaffen. Wer mit dem Zug anreist, sollte Umsteigezeiten einkalkulieren, Autofahrer Zeiten für die Suche nach einem Parkplatz. Wer sicher gehen will: Zweieinhalb Stunden vor Abflug sollten Fluggäste am Airport sein. Um die Abläufe hier zu beschleunigen, weisen Bundespolizei, Airlines und Flughafen darauf hin, dass Passagiere durch Online-Check-In und Check-In am Vorabend Wartezeiten am Abflugtag verkürzen könnten.

Wer in der Nähe des Flughafens wohnt, kann einen Vorabend-Check-in machen und dabei auch schon seine Koffer aufgeben. Das bieten einige Airlines an. Das kann Urlaubern die Schlange am Check-in sparen. Empfehlenswert ist, sofort zur Sicherheitskontrolle zu gehen, sobald man eingecheckt ist. Wer den Check-in im Vorfeld schon erledigt hat, geht direkt nach Ankunft am Airport dorthin.

Natürlich sollten die Passagiere alle nötigen Papiere parat haben. Bei der Sicherheitskontrolle sollten Handys, Tablett und Laptop bereitgelegt werden. Zeit spart auch, wer Jacke oder Mantel schon vor der Kontrolle auszieht. Auch sollten Passagiere nur ein Handgepäckstück mit in die Kabine nehmen. Schließlich muss jedes Gepäckstück kontrolliert werden – auch das Spielzeug für Kinder. Auch an die Regeln zur Mitnahme von Flüssigkeiten und scharfen Gegenstände erinnert der Flughafen etwa. Messer dürfen nicht ins Handgepäck, ein Feuerzeug ist erlaubt. (raz/dpa)