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Bund übernimmt Kontrolle über PCK Schwedt

Lesezeit 6 Minuten

Berlin – Zur Sicherung der Produktion von Sprit, Heizöl und anderen Produkten übernimmt der Bund die Kontrolle über die deutschen Töchter des russischen Staatskonzerns Rosneft. Das betrifft in erster Line die für Ostdeutschland sehr wichtige PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt, aber auch zwei weitere Raffinerien in Baden-Württemberg und Bayern. Diese weitreichende Entscheidung gab das Bundeswirtschaftsministerium bekannt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Entscheidung als ganz wichtigen Schritt für die Energiesicherheit in Deutschland. „Wir wollen jetzt die Chancen nutzen, die sich aus diesen Entscheidungen ergeben. Die Hängepartie ist zu Ende”, sagte Scholz in Berlin. Kein Arbeitnehmer müsse Angst um seinen Arbeitsplatz haben.

Scholz bezeichnete das Konzept zur Sicherung der PCK-Raffinerie in Brandenburg außerdem als „weitreichende energiepolitische Entscheidung zum Schutz unseres Landes”. Russland sei kein zuverlässiger Partner mehr, sagte der SPD-Politiker. Die Bundesregierung tue alles dafür, die Versorgung mit Energie und insbesondere mit Erdöl zu sichern.

Am Standort Schwedt würden in den kommenden Jahren im Rahmen eines Zukunftspakets eine Milliarde Euro investiert. Der Standort und die Arbeitsplätze seien damit gesichert. Niemand in der PCK-Raffinerie müsse sich um seinen Arbeitsplatz Sorgen machen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte: „Mit diesem Tag heute kann man sagen: Der Standort ist gesichert und die Zukunft für Schwedt wird erarbeitet.”

Kanzler spricht mit PCK-Belegschaft

Bundeskanzler Olaf Scholz stand nach der Ankündigung der Belegschaft der PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt Rede und Antwort. Das Unternehmen habe eine lange Tradition, die mit vielen Geschichten verbunden sei, sagte der SPD-Politiker am Rande der Veranstaltung.

„Deshalb ist die Botschaft von heute: Es wird auch noch eine Zeit für die Zukunft geben. Hier wird noch lange Öl verarbeitet werden”, so Scholz. Aber auch mit Blick auf die Entwicklung hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft werde es hier Arbeit geben, „die dem entspricht, was es bisher gegeben hat. Das ist eine wichtige Botschaft”.

SPD: 1200 Arbeitsplätze gesichert

Die SPD im Bundestag erwartet, dass mit dem Konzept der Bundesregierung für die PCK-Raffinerie Schwedt alle 1200 Arbeitsplätze gesichert werden. Bundestagsfraktionsvize Verena Hubertz sagte, ohne die Übernahme der deutschen Töchter des russischen Konzerns Rosneft in Treuhandverwaltung wäre der Weiterbetrieb nicht gewährleistet gewesen.

„Zum einen erhalten wir nun über 1200 und viele tausend weitere Jobs in der Region Schwedt”, betonte Hubertz. „Zum anderen ist der Erhalt der Raffinerie aber auch ein wichtiger Beitrag zur Sicherstellung der Kraftstoffversorgung in Ostdeutschland, vor allem in der Region Berlin/Brandenburg.” Ein „Transformationspaket” stelle gleichzeitig sicher, dass der Standort „auch in Generationen nachhaltig betrieben wird”.

Hintergrund ist das Öl-Embargo gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs, das am 1. Januar 2023 greift. Die Bundesregierung hat sich auf EU-Ebene verpflichtet, auch auf russisches Pipelineöl zu verzichten. PCK ist darauf aber bisher angewiesen: Die Raffinerie wird seit Jahrzehnten über die „Druschba”-Pipeline mit russischem Öl beliefert. Der Mehrheitseigner Rosneft hatte nach Angaben des Wirtschaftsministeriums wenig Interesse an einer Abkehr von russischem Öl.

Regierung setzt auf Treuhandlösung

Nun setzt die Bundesregierung auf eine sogenannte Treuhandlösung, um Rosneft die Kontrolle zu entziehen. Die Rosneft Deutschland (RDG) und die RN Refining & Marketing GmbH kommen unter Verwaltung der Bundesnetzagentur, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte. So übernehme die Bundesnetzagentur auch die Kontrolle über den jeweiligen Anteil in den drei Raffinerien PCK Schwedt, MiRo (Karlsruhe) und Bayernoil (Vohburg).

Die Treuhandverwaltung sei eine Reaktion auf die drohende Gefährdung der Energieversorgungssicherheit und ein wesentlicher Grundstein für den Erhalt des Standorts Schwedt, betonte das Ministerium. Für Schwedt solle es zudem ein „umfassendes Zukunftspaket” geben, das einen „Transformationsschub” für die Region bringen und die Raffinerie unterstützen solle, damit die Versorgung mit Öl auf alternativen Lieferwegen sichergestellt werde.

Mögliche Konsequenzen

PCK fürchtet, dass Russland rasch Konsequenzen ziehen könnte: „Wir bereiten uns auf mögliche, kurzfristige Einschränkungen in der Druschba-Rohölversorgung vor”, teilte das Unternehmen mit. Ein Teil der Versorgung laufe aber bereits über den Hafen Rostock. „Unser Fokus bleibt der sichere und zuverlässige Raffineriebetrieb und die Versorgung der Region mit Mobilität und Wärme.”

PCK hat rund 1200 Mitarbeiter und gilt als wirtschaftliche Säule der Region um Schwedt. Die Raffinerie versorgt große Teile des deutschen Nordostens mit Treibstoff. Rosneft Deutschland hielt nach Unternehmensangaben dort bislang einen Anteil von 37,5 Prozent, ebenso wie Shell Deutschland. Über die Tochter RN kontrolliert Rosneft weitere Anteile, so dass der russische Staatskonzern auf insgesamt gut 54 Prozent kommt.

„Ein Ausfall des Betriebs der PCK-Raffinerie hätte zur Folge, dass die bundesweite Versorgung mit Erdölprodukten – und demnach mit lebenswichtigen Gütern – beeinträchtigt und insbesondere im Nordosten Deutschlands gefährdet wäre”, schreibt das Wirtschaftsministerium im Bundesanzeiger.

Ausbleibende Lieferungen jederzeit möglich

Die PCK Raffinerie solle von russischem Öllieferungen gelöst werden, da diese jederzeit ausfallen könnten. Zur Umstellung auf andere Lieferanten sollen die Hafeninfrastruktur in Rostock und die Pipeline von Rostock nach Schwedt ausgebaut werden. Darüber hinaus seien Öllieferungen über eine Pipeline vom Hafen des polnischen Danzig nötig. Dies wolle die polnische Regierung aber erst ermöglichen, wenn die russischen Gesellschafter nicht mehr im Boot sind.

Zur Frage, ob nun Öl über Polen nach Schwedt fließen solle, sagte eine Ministeriumssprecherin, diese Entscheidung liege bei Polen. Man sei aber seit Monaten mit der dortigen Regierung im Gespräch. Versuche in den vergangenen Monaten hätten gezeigt, dass in Schwedt verschiedene Ölsorten verarbeitet werden könnten. Wie hoch die erwartete Auslastung der Raffinerie nun sein werde, konnte die Sprecherin nicht genau sagen. Das Öl aus Rostock sichere eine Auslastung von ungefähr 50 Prozent, weitere Lieferungen seien denkbar über die „Druschba”-Pipeline aus Kasachstan und auch über Polen.

Reaktionen überwiegend positiv

Erste Reaktionen auf die Ankündigung der Bundesregierung fielen überwiegend positiv aus. Der Branchenverband Fuels und Energie nannte die Entscheidung nachvollziehbar. Der Koalitionspartner FDP trägt den staatlichen Eingriff mit. Auch die „Wirtschaftsweise” Veronika Grimm begrüßte die Übernahme. „Das staatliche Einschreiten erscheint sinnvoll, um den Weiterbetrieb der wichtigen Ölraffinerie in Schwedt zu sichern”, sagte Grimm der „Rheinischen Post”.

Der Vizevorsitzende der CDU, Jens Spahn, äußerte sich derweil skeptisch. „Was veranlasst die Regierung dazu, diese Maßnahme zum jetzigen Zeitpunkt, über drei Monate vor Beginn des europäischen Ölembargos, zu ergreifen? Wie genau und in welchem Umfang wird die Versorgung, insbesondere Ostdeutschlands, gewährleistet?”, sagte Spahn der „Rheinischen Post”. Man werde die Ampel an der Einhaltung ihrer bisherigen Zusagen messen, betonte er. Kritik kam vom Ostbeauftragten der Linksfraktion, Sören Pellmann, der die Abkehr vom russischen Öl überstürzt nannte.

Rohöl im Wert von mehreren hundert Millionen Euro

Rosneft Deutschland vereint nach Ministeriumsangaben insgesamt rund zwölf Prozent der deutschen Erdölverarbeitungskapazität auf sich und ist damit eines der größten erdölverarbeitenden Unternehmen in Deutschland. Die deutschen Töchter RDG und RNRM führen laut Wirtschaftsministerium jeden Monat Rohöl im Wert von mehreren hundert Millionen Euro aus Russland nach Deutschland ein.

Die Mineralölraffinerie Oberrhein (MiRO) in Karlsruhe ist nach Unternehmensangaben Deutschlands größte Raffinerie. Gesellschafter sind demnach Phillips 66, Esso, Rosneft und Shell, der Standort hat 1100 Mitarbeiter, die aus Rohöl Produkte wie Benzin, Diesel oder Heizöl herstellen, insgesamt rund 14 Millionen Tonnen pro Jahr. Die Raffinerie im bayerischen Vohburg an der Donau nahe Ingolstadt stellt nach Angaben des Unternehmens Bayernoil unter anderem Flüssiggas, Benzin, Diesel und Heizöl her.

Die Treuhandverwaltung wurde am Freitag wirksam und ist zunächst auf sechs Monate befristet. Die Kosten dafür haben die betroffenen Unternehmen zu tragen. Die Bundesnetzagentur kann damit Mitglieder der Geschäftsführung abberufen und neu bestellen sowie der Geschäftsführung Weisungen erteilen. Rechtliche Grundlage der Treuhandverwaltung ist eine Regelung im Energiesicherungsgesetz.

© dpa-infocom, dpa:220916-99-781846/15 (dpa)