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Rheinisches RevierBraunkohle-Dorf Morschenich wird zum Zukunfts-Dorf

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Verlassene Wohnhäusern in Morschenich-Alt. Hier soll neues Leben einziehen.

Morschenich-Alt wird als erster von sechs Orten im Tagebaugebiet des Rheinischen Reviers wiederbelebt. Eine Vereinbarung dazu wurde am Donnerstag unterzeichnet.

Morschenich-Alt wird von RWE Power der Gemeinde Merzenich rückübertragen. Das haben der Versorger, Land und Gemeinde am Donnerstag in Grundsatzvereinbarung geregelt. Für den Grunderwerb sowie Sanierung und Entwicklung des Ortes bekommt die Gemeinde 90 Millionen Euro. „Im Zukunftsdorf soll nicht nur das frühere Ortsbild mit historisch wertvollen Gebäuden und Strukturen erhalten, sondern es soll mit innovativen Gebäuden und Baufeldern nachhaltig ergänzt werden“, sagte Scharrenbach.

Auch die im April bis auf die Grundmauern abgebrannte Sankt Lambertus-Kirche solle instandgesetzt werden. Sie soll nach den Worten der Strukturwandelmanager von Merzenich, Anna Hecker und Lennart Schminnes, Kristallisationspunkt werden. In der Kirche fanden Konzerte, Versammlungen und Ausstellungen statt.

Rückgabe zu „angemessenen Konditionen“

„Wir geben die Grundstücke und Gebäude, die nicht mehr für den Tagebaubetrieb benötigt werden, zu angemessenen Konditionen an die Gemeinde Merzenich und unterstützen somit die Bemühungen von Land und Kommune, hier einen Ort der Zukunft zu entwickeln, sagte RWE-Vorstand Kulik.

Bei der Revitalisierung sollen auch die Entwicklung des Ortes zum späteren Tagebausee Hambach, der in etwa 50 Jahren einer der größten Seen der Republik wird, seine Einbindung in die Landschaft sowie Maßnahmen zur innovativen Energieversorgung eine besondere Rolle spielen, so Scharrenbach. Die Grundstücke zwischen Ort und See bleiben noch im Besitz von RWE. Für den Seezugang erforderliche Flächen stehen aber Verfügung. RWE sagt jedenfalls zu, dass keine Vermarktung ohne vorherige Abstimmung mit der Gemeinde und Neuland Hambach erfolge, solange diese Entwicklungsabsichten hätten.

Innovative Photovoltaik-Anlage steht schon am Ortsrand

Ein Beispiel für innovative Energieversorgung ist schon am Ortsrand zu sehen. Aufgeständert in dreieinhalb Metern Höhe über dem fruchtbaren Börde-Boden gibt es 1000 Solarmodule auf einer Fläche von drei Fußballfeldern. Die Strukturwandel-Initiative Bioökonomie Revier mit Partnern wie dem Forschungszentrum Jülich erforscht, ob Beeren und andere Nutzpflanzen ökologisch und ökonomisch sinnvoll angebaut werden können. Bürgermeister Gelhausen nannte den Erwerb von Morschenich-Alt eine „einmalige Gelegenheit einer selbstbestimmten Zukunftsgestaltung.“ Er dankte dem NRW-Bauministerium, beteiligten Projektgesellschaften, RWE Power und der Neuland Hambach GmbH, die den Strukturwandel für die Anrainierkommunen unterstützen soll, dass gemeinsam ein tragfähiges Konzept für den Rückerwerb der Ortslage entwickelt werden konnte. „Der Rückerwerb ist somit nicht nur ein symbolischer Akt, sondern der Startschuss für die Revitalisierung und das Dorfleben der Zukunft“, so Gelnhausen.

Die Chancen für eine Revitalisierung stehen nicht schlecht. Die künftige Seelage ist attraktiv. Es gehe aber nicht um Wassersport, so die Strukturwandelmanager, sondern um ein Naturerlebnis. Wegen seiner Lage bekommt die zukünftige Böschung weniger Sonne ab als die in andere Kommunen am Tagebau Hambach. Und wenn der See vollständig gefüllt ist, wird es einen deutlichen Höhenunterschied zwischen Wasserspiegel und der Ortschaft geben. Der künftige Rad- und Wanderweg Hambach Loop führt aber am Ort vorbei. Der Ort soll einmal Bürgewald heißen wie der Hambacher Forst früher. Den Namen Morschenich bekommt der neue Ort, in den viele der ursprünglich 493 Bewohner umgesiedelt sind.

Klimaschonende Bebauung ist geplant

Die Bebauung Bürgewalds soll vollständig in klimaschützender, flächensparender und ressourcenschonender Weise erfolgen. Wo das möglich ist, soll Substanz erhalten bleiben. Das ist umweltschonend, weil Zement und Beton unter hohem Energieaufwand hergestellt wurden und schlecht recycelbar sind. Aber nicht jedes Haus kann erhalten bleiben. Dabei war der Ort nie verwaist. Die Besitzer von vier der 172 Anwesen haben nicht verkauft. Außerdem leben rund 100 Geflüchtete in dem Ort sowie Opfer der Flut von 2021. Bis vor kurzem war hier auch ein von der Flut getroffener Pferdehof aus Erftstadt untergebracht. Deshalb wurden die Versorgungsleitungen im Großen und Ganzen in Ordnung gehalten, müssen aber noch genauer überprüft werden. Und eine Handvoll Interessenten gibt es jedenfalls schon, die sich hier wieder ansiedeln wollen, darunter auch Umgesiedelte oder deren Angehörige.

Revitalisiert werden auch die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Unter- und Oberwestrich sowie Berverath der Stadt Erkelenz im Tagebaugebiet Garzweiler. Auch dafür gibt es Geld nach dem Investitionsgesetz Kohleregionen. Zusammen mit dem Geld für Morschenich fließen so 300 Millionen ins Rheinische Revier.