Hersteller regionaler Spezialitäten sollen künftig die Herkunft der Hauptzutaten angeben. Gegen die Pläne regt sich Widerstand.
Nürnberger Lebkuchen und Co.Aufregung um EU-Vorstoß zu regionalen Spezialitäten
Es geht um Nürnberger Lebkuchen, Lübecker Marzipan, Aachener Printen, Dresdner Christstollen und auch um die berühmte Wurst, genauer gesagt die Bratwurst. Und damit in den exponierten Städten und Regionen sozusagen um alles oder zumindest um sehr viel.
Sollen die Hersteller solcher regionalen Spezialitäten künftig die Herkunft der Hauptzutat angeben, wenn diese nicht aus dem gleichen Land wie die Spezialität stammt?
„Schwer umsetzbar“
Bei den Unternehmen trifft der Vorstoß aus Brüssel auf Widerstand. Eine solche Regelung sei in der Praxis „nicht beziehungsweise nur schwer umsetzbar“ und entwerte die beliebten Produkte, teilten der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) und der Schutzverband Nürnberger Bratwürste mit. Carsten Bernoth, Chef des BDSI, nannte die Pläne „vollkommen praxisfern“.
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Die zuständigen Europaabgeordneten versuchen zu beruhigen. Eine Einigung sei „noch weit entfernt“, sagte die EU-Parlamentarierin Marlene Mortler (CSU) auf Anfrage. Derzeit laufen die sogenannten Trilogverhandlungen zwischen Vertretern des Rats, also des Gremiums der 27 Mitgliedstaaten, des Europa-Parlaments und der EU-Kommission. Vonseiten des Hohen Hauses Europas hieß es jüngst, dass der ursprüngliche Parlamentsvorschlag bereits entschärft wurde. Man nehme die Bedenken ernst und versuche in Gesprächen mit den Betrieben, die besondere regionale Spezialitäten herstellen, „zufriedenstellende Lösungen“ zu finden, sagte Mortler.
In Deutschland haben nach BDSI-Angaben mehr als 80 Produkte den Status der geschützten geografischen Angabe. Diese sind aus der seit gut drei Jahren geltenden EU-Regelung ausgenommen, wonach Herkunftsangaben die Hauptzutat und nicht den letzten Verarbeitungsschritt betreffen müssen.
Tatsächlich heißt es in der aktuellen Version der parlamentarischen Verordnungs-Position, dass das Ursprungsland einer primären Zutat, sollte es nicht mit jenem der geografischen Angabe übereinstimmen, anzugeben ist, wenn auch nicht in spezifischer Form. Es würde demnach ausreichen, wenn auf der Packung vermerkt würde, dass das Mehl in den Schwäbischen Spätzle oder der für die Nürnberger Lebkuchen verwendete Zimt aus einem EU-Mitgliedsland oder aus einem Drittstaat stammt.
Traditionsbetriebe könnten bedroht sein
Den Herstellern der traditionellen Köstlichkeiten gehen solche Ideen zu weit. Die Forderungen würden „zu einem unvorstellbaren bürokratischen Aufwand und enormen Kosten für die betroffenen Unternehmen führen und auch Verbrauchern keinen Mehrwert bieten“, kritisierte Bernoth. Sollte die Regelung so kommen, seien laut BDSI viele mittelständische Unternehmen und teils jahrhundertealte Lebensmitteltraditionen bedroht.
Bei Lebensmitteln, die nicht besonders geschützt sind, gilt seit April 2020 die Pflicht zur Kennzeichnung. Damit wollte die EU die Praxis verhindern, dass auf Salami-Packungen die italienische Flagge prangt, obwohl das Schweinefleisch in Wirklichkeit aus Großbritannien importiert wurde, oder dass die „Spanische Tomatensauce“ beworben wird und die Tomaten in der Türkei gereift sind. Mehr Transparenz für die Verbraucher sollte geschaffen werden.
Wird auf der Packung eines Lebensmittels also durch bildliche Elemente oder den Text eine Herkunft angedeutet, beispielsweise durch die Aufschrift „Pizza made in Italy“, stammt dessen Hauptzutat jedoch aus einem anderen Land oder einer anderen Region, muss auf dem Etikett seitdem verpflichtend deren Ursprung angegeben werden. Ob dies bald auch für Spezialitäten gilt, die den Status der geschützten geografischen Angabe genießen, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.