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Frauenfußball wird dieses Jahr 50Mit Talent und Ehrgeiz gegen alle Widerstände

Lesezeit 4 Minuten

Die Damen-Fußballnationalmannschaft 1995 am Abend ihres 1:0-Sieges über China im WM-Halbfinale in Helsingborg. Mit Torfrau Manuela Goller unten in der Mitte knieend. Das Team holte bei der WM den Vize-Titel.

Wipperfürth – An den ersten offiziellen Moment mit dem Adler auf der Brust kann sich Manuela Goller erinnern, als wären seither erst ein paar Stunden vergangen. 1990, ein US-amerikanisches Publikum, es geht um den North America Cup. Gegner in Gollers erstem Länderspiel sind die besten Spielerinnen Englands, die sich neben der DFB-Elf nahe dem Anstoßkreis aufgebaut haben.

„Da stehst du dann mit der Mannschaft und deine Nationalhymne wird gespielt – das ist schon ein richtig tolles Gefühl“, nickt die damalige Nummer eins. Dass Goller diesen Moment erlebt, der ihr so lange in Erinnerung bleiben wird, hat sie sicher ihrem Talent und dem Ehrgeiz zu verdanken. Aber eben auch den Förderern und Trainern in den kleinen und später größeren Klubs, die unerschütterlich an den Erfolg des deutschen Frauenfußballs geglaubt haben.

Auf angekündigte Prämien warten die Frauen bis heute

Rückblick: Zum ersten Mal schnürt Manuela Goller die Stollenschuhe für den TuS Egen. Vier weitere Mädchen laufen damals mit den gleichaltrigen Jungs aus dem Wipperfürther Norden auf, in den Achtzigerjahren eine kleine Sensation. Ziemlich schnell landet Goller zwischen den Pfosten. „Und zwar nicht, weil die Mädels immer ins Tor müssen“, lacht die 49-Jährige. Im Kinderfußball gebe es genau zwei Positionen mit dem Zeug, ihre Inhaber zu Helden zu machen – Mittelstürmer und eben Torwart.

Mit Erreichen der C-Jugend ist die geschlechtergemischte Aufstellung allerdings verboten. Goller wechselt zunächst zur DJK Wipperfeld, die eine reine Mädchenmannschaft zusammengestellt hat, und schafft dann den Sprung zur SSG 09 Bergisch Gladbach. Mit 17 Jahren rückt sie dort zur Keeperin der ersten Auswahl auf.

Manuela Goller auf ihrem Hof nahe Wipperfürth. Als Fan drückt die Europameisterin dem 1. FC Köln die Daumen.

„Ich hatte immer richtig viel Spaß am Spiel – eine Karriere habe ich nie geplant, aber es ging immer weiter“, blickt Manuela Goller heute zurück. Sie wird für die Mittelrhein-Auswahl nominiert, wo sie Tina Theune kennenlernt, die 1985 als erste deutsche Frau die Trainerlizenz erworben hat und später Nationalcoach wird. Nach der Meisterschaft mit der SSG 09 steht Goller 1990, im Weltmeisterjahr der Männer, erstmals für den DFB auf dem Rasen.

Dass der Frauenfußball damals, zwei Jahrzehnte nach seiner Anerkennung, noch wenig Rückhalt besitzt, erlebt Goller immer wieder. Sie nennt das Beispiel eines Klubs aus dem Siegerland, dessen Frauen-Team mitten im Kampf um die Deutsche Meisterschaft das Geld ausgeht. Die Vereinsführung will lieber in den Aufstieg der Herren in die Regionalliga investieren.

Zur Person

Manuela Goller, ist Jahrgang 1971, die Wipperfürtherin ist staatlich geprüfte Landwirtin und bewirtschaftet heute den Famileinhof bei Egen.

In ihrer aktiven Zeit spielte die Torfrau beim TuS Egen, DJK Wipperfeld, Rot-Weiss Olpe. In der Bundesliga spielte sie für SSG 09 Bergisch Gladbach, Grün-Weiß Brauweiler und den Sportfreunden Siegen. Die größten Vereinserfolge waren die Meisterschaft 1997 sowie die Pokalsiege 1994 und 1997 mit Brauweiler.

45 Spiele absolvierte Manuela Goller zwischen 1990 und 1996 für die A-Nationalmannschaft.

1995 wurde sie mit dem Nationalteam Europameisterin und Vize-Weltmeisterin, dazu kommen mehrere Deutsche Meisterschaften und DFB-Pokalsiege.

1996 war Goller mit dem DFB-Team qualifiziert für die Olympischen Sommerspiele 1996 in Atlanta.

1998 nahm sie ihren Abschied in Brauweiler, 1996 war sie bereits aus der DFB-Elf zurückgetreten. (sfl)

Als Goller und ihre Mitspielerinnen 1995 das Endspiel der Europameisterschaft gegen Schweden vor historischer Kulisse in Kaiserslautern gewinnen, notiert der Spielbericht 8500 Zuschauer – mehr als achtmal so viele hätten in das legendären Fritz-Walter-Stadion auf dem Betzenberg gepasst. „Auch von Seiten des Verbandes wurden wir nur geduldet – wirkliche Investitionen, um die Mannschaft mit Schwung nach vorne zu bringen, gab es nicht“, erinnert sich die Torfrau.

Nach dem Vize-Weltmeistertitel 1995 organisieren die Funktionäre zwar den traditionellen Empfang am Frankfurter Römer. „Unten standen allerdings nur unsere Angehörigen, die uns abholen wollten“, erzählt Goller mit einem Schmunzeln. Sechs Jahre zuvor hat sich der DFB bis auf die Knochen blamiert, als er den frisch gebackenen Europameisterinnen zum Titelgewinn ein Kaffeeservice spendierte. In den Folgejahren wurden attraktive Prämien versprochen. „Auf die wartet die Mannschaft allerdings bis heute“, kritisiert Manuela Goller.

Frauenfußball hat sich gut entwickelt

Trotzdem, das betont die Wipperfürtherin, habe damals niemand der Prämie wegen gespielt. „Wir waren uns bewusst, dass wir echte Pionierarbeit leisten. Wir wollten einfach nicht in eine Schublade gesteckt werden“, so Goller. Gerade in den letzten 15 Jahren habe sich der Frauenfußball gut entwickelt. „Inzwischen engagieren sich alle Profi-Teams und ziehen die besten Talente aus dem Umland zusammen.“

Schon lange tritt Manuela Goller nicht mehr selbst vor den Ball. Ein paar Kontakte zu früheren Mitspielerinnen gibt es noch, für mehr fehlt neben Stall und Ernte die Zeit.

Wenn überhaupt, besucht sie ein Spiel des 1. FC Köln. Mit den Geißböcken kann die einst beste Torfrau der Republik herrlich leiden. Unten auf dem Rasen kicken dann allerdings meist Männer.