Wie die Perspektiven für die Wiedereröffnung sind – und was die Kölner Ex-Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner mit dem Wiederaufbau zu tun hat.
Wiederaufbau von Notre-DameVier Fenster werden immer an Köln erinnern
Was haben Sie am Abend des 15. April 2019 gemacht? In Paris und weit darüber hinaus können sehr viele Menschen diese Frage beantworten. Sie erinnern sich genau an den Moment, in dem sie von etwas Unvorstellbarem erfuhren: Die Kathedrale Notre-Dame brannte. Lichterloh.
Überall auf der Welt bangten Menschen um das Meisterwerk der Gotik, das seit mehr als acht Jahrhunderten an der Seine steht. Die Feuerwehr brauchte fast die ganze Nacht, um den Brand in den Griff zu bekommen. Am nächsten Abend versuchte Präsident Emmanuel Macron, Mut zu machen, indem er betonte, die Franzosen seien seit jeher „ein Volk der Erbauer“. Deshalb würden sie Notre-Dame in nur fünf Jahren wieder errichten. Und zwar „noch schöner als zuvor“.
Macron wird Wort halten, trotz Problemen wie der gefährlich hohen Bleibelastung und der Corona-Pandemie, welche die Baustelle mehrmals zum Stillstand brachten. Die offizielle Wiedereröffnung ist auf den 8. Dezember 2024 angesetzt. Noch stehen hohe Kräne und Gerüste um das Pariser Wahrzeichen, doch bis zum Beginn der Olympischen Spiele Ende Juli soll es wieder das gewohnte äußere Erscheinungsbild haben.
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Kupferhahn trägt die Namen aller, die am Wiederaufbau mitwirkten
Nachdem der Vierungsturm, den der Architekt Eugène Viollet-le-Duc im 19. Jahrhundert hinzugefügt hatte, hinabgestürzt war, wurde ein neuer Spitzturm geschaffen. Inzwischen ist er wieder platziert, mitsamt einem neuen vergoldeten Kupferhahn, in dessen Inneren die Namen aller am Wiederaufbau beteiligten Personen stehen – es sind fast 2000. Der Original-Hahn, der aus den Trümmern gerettet wurde, soll im zukünftigen Notre-Dame-Museum zu sehen sein.
Das rasante Voranschreiten der Baustelle sei beeindruckend, sagt die ehemalige Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner im Gespräch mit unserer Redaktion. Sie sah an jenem Abend vor fünf Jahren erschüttert die Bilder der brennenden Kathedrale im Fernsehen. „Ich dachte, mein Herz bleibt stehen.“ Trotzdem sei die Kirche noch relativ gut davongekommen: „Der Dachstuhl ist zwar verbrannt, aber nur drei Gewölbe sind eingestürzt und das große Glück war, dass es in den Monaten danach keinen Sturm gab, der das Gebäude in dieser heiklen Phase der Instabilität noch zum Einsturz hätte bringen können.“
Schock-Werner koordinierte deutsche Hilfe
Die Fachfrau kennt die Baustelle gut, denn die Bundesregierung beauftragte sie mit der Koordination der Hilfen aus Deutschland. Zum einen stellte die Universität Bamberg digitale Daten zur Verfügung, deren Mitarbeiter 2015 bei einem Studienprojekt die Querhäuser gescannt hatten.
Zum anderen war eine Summe von rund 700 000 Euro zusammengekommen. Schock-Werner wollte sie einem konkreten Projekt widmen: der Restaurierung einiger Kirchenfenster. Dafür wurde in der an der Kölner Dombauhütte angeschlossenen Werkstätte eigens eine Glasrestauratorin eingestellt. „Nun können wir sagen, die ersten vier Fenster rechts, nämlich im Obergarten auf der Südseite, wurden von uns gereinigt“, sagt die 76-Jährige stolz.
So wie sie bekam auch Tomas van Houtryve einen Zugang zur Baustelle, wenn auch aus anderen Gründen. Der belgisch-amerikanische Fotograf wurde 2020 von der Zeitschrift „National Geographic“ mit einer Foto-Reportage über den Wiederaufbau der Kathedrale beauftragt. Seine Aufnahmen werden derzeit auch auf dem Vorplatz von Notre-Dame gezeigt.
Es sind überraschende Ansichten von den gigantischen Gerüsten oder von oben auf das Monument, das versorgt wird wie ein verwundeter Patient. Daneben machte er auch Schwarz-Weiß-Bilder von den beteiligten Arbeitern – Dachdeckern, Maurern, Restaurateuren. „Ihre Expertise, ihre Passion und die Qualität ihrer Arbeit zu sehen, das gab Zuversicht“, so der Fotograf.
Alle teilten dasselbe Ziel – wie bereits jene, die 1163 mit dem Bau der Kathedrale begannen, der 182 Jahre dauerte. „Die Menschen damals wussten, dass weder sie selbst noch ihre Kinder und Enkel das Gebäude fertig sehen würden. Diese Arbeit über mehrere Generationen hinweg zeigt, dass wir etwas erschaffen können, das größer ist als wir selbst“, betont van Houtryve. Genau das gelinge heute erneut mit diesem so ambitionierten Wiederaufbau – in einer Zeit, in der es der Welt an guten Nachrichten fehlt.