Inklusion ist in den musikalischen Hitparaden selbstverständlich, davon zeugen viele bekannte, weltberühmte Beispiele. An anderen Stellen des Kunst- und Kulturbetriebes ist es deutlich schwieriger, seine Berufung zu einem Beruf zu machen. Axel Hill stellt eine Reihe erfolgreicher Künstlerinnen und Künstler vor.

Musik

Die Liste berühmter Musiker, die blind sind, ist lang: Allen voran Stevie Wonder, der im Mai 1950 zu früh zur Welt kam und im Inkubator zu viel Sauerstoff erhielt, was zu einer Netzhautschädigung führte. Sein musikalisches Talent entfaltete er dennoch schon in jungen Jahren: Bekannt wurde er in den 1960er-Jahren als Little Stevie Wonder. Ein paar Jahre später begann er auch selbstkomponierte Songs aufzunehmen, darunter „I was made to love her“ oder „For once in my life“. Letzteres wurde nicht nur ein Hit für ihn, sondern wurden auch von vielen anderen gecovert.

Sänger und Pianist Ray Charles (1930-2004) erblindete erst mit sieben Jahren am Grünen Star, seine musikalische Ausbildung erhielt er auf einer Blindenschule. Lieder wie „What Id say“, „I cant stop lovin you“ oder „Georgia on my mind“ verkauften sich millionenfach, „Hit the road, Jack“ wurde zum (Party-)Klassiker.

Andrea Bocelli (66) erblindete auch an Grünem Star, das komplette Sehvermögen verlor er mit zwölf Jahren. Musikalisch wanderte der Tenor immer zwischen der Klassik- und der Pop-Welt. Den größten Hit hatte er zusammen mit Sarah Brightman: „Time to say goodbye“.

José Feliciano, der ebenfalls durch Grünen Star erblindete, kennt man hierzulande vor allem durch seinen Weihnachtsevergreen „Feliz Navidad“, aber auch durch eigene Versionen von „Light my fire“ oder „Che sarà“, das 1971 bis auf Platz 7 der deutschen Charts kam.

Jazzsängerin und -pianistin Diane Schuur (70), die seit ihrer Geburt blind ist, gewann im Laufe ihrer langen Karriere zwei Grammys, bei einem der beiden wurde die Inschrift in der Blindenschrift Braille angefertigt.

„Du hast ja Tränen in den Augen“, „Glaube mir“ und „Cindy, oh Cindy“ gehören zu den Hits, die Wolfgang Sauer (1928-2015) in den 1950er-Jahren hatte. Als er sieben Monate alt war, bekam auch er Grünen Star und verlor im Laufe der Jahre mehr und mehr das Augenlicht. Wie bei vielen Nicht-Sehenden wurde eine schwarze Brille sein Markenzeichen.

Corinna May (54, von Geburt an blind) versuchte ihr Glück beim Eurovision Song Contest: Bei der ersten Teilnahme am Vorentscheid 1999 gewann ihr Lied „Hör den Kindern einfach zu“ zwar, wurde aber disqualifiziert, weil es schon veröffentlicht war. Beim zweiten Anlauf 2000 hatte „I believe in God“ gegen Stefan Raabs „Wadde hadde dudde da“ keine Chance. Als sie 2002 mit „I cant live without music“ nach Talinn reisen durfte, landete sie nur auf dem 21. Platz.

Thomas Quasthoff wurde mit einer Conterganschädigung geboren. Seine Gesangskarriere nahm Umwege. Auf der Musikhochschule Hannover wurde er abgelehnt, später fand er eine Gesangslehrerin. Dennoch studierte er zunächst Jura, arbeitete im Marketingbereich einer Sparkasse. Parallel dazu trat er mit Kabarettprogrammen auf, sang hier und da. Mit dem Sieg beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD kam sein Durchbruch als klassischer Sänger.

Felix Klieser wurde ohne Arme geboren – und lernte dennoch, Horn zu spielen. Die Ventile bedient er mit den Zehen des linken Fußes, das Instrument ist dabei auf einem eigens konstruierten Ständer montiert. Im Laufe seiner Karriere gewann der heute 33-Jährige viele Preise und nahm eine Reihe von Alben auf, unter anderem sämtliche Konzerte für Horn und Orchester von Mozart.

Schauspiel

Als Marlee Matlin (59), die seit ihrer Kindheit nahezu vollständig gehörlos ist, für ihre Rolle in „Gottes vergessene Kinder“ (1986) den Oscar bekam, bedankte sie sich in Gebärdensprache. Und danach ging ihre Film- und TV-Karriere weiter, so spielte sie unter anderem große Rollen in Serien wie „Picket Fences“, „The West Wing“ oder „The L Word“.

Eine Reihe bekannter Darstellerinnen und Darsteller sind kleinwüchsig, etwa Linda Hunt („Ein Jahr in der Hölle“), Peter Dinklage („Game of Thrones“) oder Tamara De Traux, die E.T. verkörperte. Und natürlich ChrisTine Urspruch, die ihren Humor auch bei den Namen ihren Serienfiguren durchblitzen lässt, entweder als Kinderärztin Dr. Klein oder als Rechtsmedizinerin mit dem Spitznamen „Alberich“ in den Münster-„Tatorten“.

Traurige Berühmtheit erlangte Samuel Koch, seit er durch einen Unfall bei „Wetten Dass“ im Dezember 2010 querschnittsgelähmt wurde. Kurz zuvor hatte der heute 37-Jährige mit einer Schauspielausbildung begonnen. 2014 machte er seinen Schauspielabschluss und spielt seitdem sehr viel Theater, tritt aber auch in Serien und Filmen auf.

Comedy

Als sich Stevie Wonder in der Late Show von James Cordon beim „Carpool Karaoke“ selbst hinters Steuer setzte, war das ein wunderbarer Gag (denn das Auto, in dem Cordon mit wechselnden Gästen sang, fuhr natürlich auf einem Anhänger befestigt durch Los Angeles).

Und wie Wonder machen es viele Künstlerinnen und Künstler: Sie nehmen den Stier bei den Comedy-Hörnern.

Timur Turga ist fast blind und gewinnt seinem Alltag auf der Bühne komische Seiten ab. „Wenn Asphalt nicht so weh tun würde, bräuchte ich keinen Blindenstock.“

Carl Josef Statnik sitzt, seitdem er zwölf Jahre alt ist, im Rollstuhl – und hat nicht nur eine Muskelerkrankung, sondern auch eine extrem spitze Zunge. Als er in Amerika gewesen sei und in Disneyworld viele Menschen in Elektrogefährten gesehen habe, dachte er: „Wow, hier haben aber ziemlich viele Leute meine Krankheit! Nach einiger Zeit ist mir aufgefallen: Die sind nur krass fett.“

Kollege Tan Caglar sieht es so: „Türke, Rollstuhlfahrer, Hildesheimer – ich bin quasi ein Schweizermesser der Minderheiten.“

Und Martin Fromme sagt auf die Frage, ob man Witze über Behinderung machen darf: „Wer das macht, dem soll der Unterarm abfallen. Das passiert nämlich, wenn man schlechte Witze macht. Also mir ist es bisher einmal passiert. Deswegen passe ich jetzt auf und mache nur gute Witze über die Thematik Behinderung.“