Nach der tödlichen Fahrt in Mannheim verdichten sich Hinweise zu dem Tatverdächtigen. Behörden gegenüber war der Mann bereits früher auffällig geworden.
Todesfahrt von MannheimWas über den Tatverdächtigen bekannt ist – Zettel mit Formeln im Tatfahrzeug

Ein Zettel mit handschriftlichen Notizen klebt auf dem Armaturenbrett. Der mutmaßliche Täter soll am Rosenmontag mit seinem Auto in der zentralen Mannheimer Einkaufsstraße Planken mehrere Menschen angefahren haben. des Tatfahrzeugs.
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Nach der Todesfahrt in der Mannheimer Innenstadt haben die Ermittler nun weitere Details zu den Hintergründen bekanntgegeben. Demnach gebe es Anhaltspunkte, dass der 40 Jahre alte Deutsche, der sein Auto in eine Menschengruppe gesteuert haben soll, eine psychische Erkrankung hat. Man werde sich deshalb auf diesen Aspekt konzentrieren, sagte Staatsanwalt Romeo Schüssler am Abend in Mannheim.
Zuvor hatte bereits Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) gesagt, es gebe keine Hinweise für einen religiösen oder extremistischen Hintergrund.
Mannheim: Tatverdächtiger soll Opfer bewusst angesteuert haben
Der mutmaßliche Täter soll am Rosenmontag mit seinem Auto in der zentralen Mannheimer Einkaufsstraße Planken mehrere Menschen angefahren haben. Eine 83-jährige Frau und ein 54 Jahre alter Mann kamen nach Angaben der Ermittler ums Leben. Elf Menschen wurden verletzt, darunter mehrere schwer.

Beamte der Spurensicherung untersuchen das Tatfahrzeug.
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Die Polizei geht davon aus, dass der Mann seine Opfer bewusst ansteuerte. Es habe sich schnell herausgestellt, dass es sich bei dem Vorfall in Mannheim um eine gezielte Fahrt gehandelt habe, bei der bewusst mehrere Personen erfasst worden seien, sagte Mannheims Polizeipräsidentin Ulrike Schäfer.
Mannheim: Was über den Tatverdächtigen bekannt ist
Der mutmaßliche Täter wurde kurz nach der Todesfahrt festgenommen und liegt im Krankenhaus. Bei seiner Festnahme soll sich der Mann mit einer Schreckschusspistole in den Mund geschossen haben. Entsprechende Medienberichte bestätigte der Präsident des Landeskriminalamtes, Andreas Stenger. Der Gesundheitszustand des 40-Jährigen aus Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) sei derzeit stabil. Er habe aber bislang nicht vernommen werden können.
Bei dem Tatverdächtigen handele sich um einen 40-jährigen Deutschen aus Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz), gab die Staatsanwaltschaft bekannt. Der Mann war Landschaftsgärtner. Ob er zum Tatzeitpunkt eine Arbeit hatte, wisse man nicht, sagt Staatsanwalt Romeo Schüssler. Er sei ledig, habe nach ersten Erkenntnissen der Ermittler keine Kinder und auch nicht in einer Partnerschaft gelebt. Man gehe davon aus, dass er alleinstehend war, so Schüssler.
Die Todesfahrt hatte nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler keinen extremistischen oder religiösen Hintergrund. Die Motivation könne eher in der Person des Täters begründet sein, erklärte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU). Laut Polizei handelte es sich um eine gezielte Fahrt, bei der bewusst mehrere Personen erfasst wurden. Die Staatsanwaltschaft verwies auf Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung des Täters, weshalb sich die Ermittler auf diesen Aspekt konzentrieren.
Die Ermittler stießen im Fahrzeug des mutmaßlichen Täters auf einen DIN-A4-Zettel. Das Blatt klebte auf dem Armaturenbrett des völlig demolierten schwarzen Ford Fiesta. Darauf zu erkennen waren Zeichnungen und Notizen - darunter eine eine grinsende Fratze mit herausgestreckter Zunge, zwei Herzen sowie Formeln zur Berechnung des Anhalte- und Bremswegs eines Fahrzeugs.
In den unteren Ecken des Blattes befanden sich zwei Pfeile mit den Beschriftungen „links“ und „rechts“. Zudem war eine kindliche Skizze abgebildet, die ein Auto und eine Person zeigte, versehen mit der Aufschrift „Dani bremst“.
Die Ermittler prüfen nun, ob dieser Zettel auf eine geplante Tat hinweist oder eine andere Bedeutung hat.
Mannheim: Polizei warnt vor Fake News
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Landschaftsgärtner unter anderem Mord vor. Man habe ein Ermittlungsverfahren wegen zweifachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes eingeleitet, sagte Schüssler. Den Behörden gegenüber war der Mann bereits früher auffällig geworden, allerdings eher mit kleinen Vergehen. Es gebe ein paar Vorstrafen, die lange zurücklägen, sagte Schüssler. Dabei gehe es um eine Körperverletzung, für die er eine kurze Freiheitsstrafe verbüßt habe vor über zehn Jahren, außerdem ein Fall von Trunkenheit im Verkehr.
Bei der letzten Tat handle es sich um ein Delikt im Bereich von Hate Speech aus dem Jahr 2018. Er habe einen entsprechenden Kommentar auf Facebook abgesetzt und sei deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Nähere Informationen gab es dazu vorerst nicht.
Die Mannheimer Polizei hat nach der Tat in einer Mitteilung vor kursierenden Gerüchten und Fotos von Ausweisdokumenten gewarnt, die angeblich den vermeintlichen Tatverdächtigen zeigen sollen. Sie forderte dazu auf, die falschen Informationen nicht weiter zu verbreiten.
Mannheim: Mehrere Hundert Meter durch die Einkaufsstraße gerast
Nach Augenzeugenberichten soll der Mann mit seinem Wagen vom Friedrichsring kommend in die mehrere Hundert Meter lange Haupteinkaufstraße gerast sein und auf Höhe des Paradeplatzes mehrere Passanten an- oder umgefahren haben. Auf den Planken und rund um den Wasserturm findet derzeit ein Fasnachtsmarkt mit Dutzenden Imbissbuden und Fahrgeschäften statt.
Die Einkaufsstraße war nach Angaben der Polizei nicht mit Pollern oder Absperrungen gesichert. Dafür habe es keine besondere Veranlassung gegeben. „Es war ein ganz normaler Tag im Stadtleben von Mannheim“, sagte Polizeipräsidentin Schäfer mit Blick darauf, dass dort am Montag keine besondere Veranstaltung anstand. Auf den sogenannten Planken gebe es Straßenbahnverkehr, zudem gebe es die Möglichkeit, dass Lieferverkehr in die Straße einfahre.

Nach Augenzeugenberichten soll der Mann mit seinem Wagen vom Friedrichsring kommend in die mehrere Hundert Meter lange Haupteinkaufstraße gerast sein.
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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) brach ihre Teilnahme am Kölner Rosenmontagszug ab und reiste zum Tatort. Sie sprach am Abend von einem „Horror am hellichten Tag - an einem Tag mit schönem Wetter, wenn viele draußen sind“. Mannheims Bürgermeister Christian Specht sprach von einer „abscheulichen Tat“ und einer „schweren Tragödie“.
Faeser dankte der Polizei und den Rettungskräften. „Die Polizei hat einen herausragenden Job geleistet“, sagte die SPD-Politikerin am Abend, nachdem sie sich vor Ort ein Bild gemacht hatte. Etwa 30 Polizeikräfte seien in zehn Minuten vor Ort gewesen, sagte Faeser.
Nun gelte es, die Ermittlungsbehörden ihre Arbeit machen zu lassen. Es sei eine furchtbare Tat, „ein Horror am helllichten Tag, bei schönstem Wetter, in der Mittagspause, wo viele Menschen draußen sind“.
Mannheim: Mehrere Fasnachtsumzüge am Dienstag abgesagt
Nach der Todesfahrt wurden mehrere für Dienstag geplante Fasnachtsumzüge in Baden-Württemberg abgesagt worden. In Mannheim wurden nach Angaben der Stadt die für Dienstag geplanten Fasnachtsumzüge in den Vororten Feudenheim, Neckarau und Sandhofen abgesagt. Der sogenannte Fasnachtsmarkt am Wasserturm sei geschlossen, die Straßenfasnacht in der Innenstadt finde nicht statt, berichtete die Stadt.
Betroffen sind auch die Städte Heidelberg und Schwetzingen im Rhein-Neckar-Kreis. In Weinheim an der Bergstraße (ebenfalls Rhein-Neckar-Kreis) fällt der sogenannte Marktplatzfasching aus, wie die Kommune bestätigte. In Heidelberg verständigten sich die im Heidelberger Karneval Komitee zusammengeschlossenen Vereine und die Stadt in einer Krisensitzung auf den Schritt. Schwetzingen liegt westlich von Heidelberg.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) brach ihre Teilnahme am Kölner Rosenmontagszug ab und reiste zum Tatort.
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Der Fall weckt Erinnerungen an mehrere Anschläge, bei denen in den vergangenen Wochen Fahrzeuge in eine Menschenmenge gefahren waren. Im Dezember kamen in Magdeburg sechs Menschen ums Leben, als ein inzwischen 50 Jahre alter Arzt über den Weihnachtsmarkt gerast war. Mitte Februar war ein Mann mit seinem Fahrzeug in eine Gruppe von Demonstranten in München gefahren. Dabei kamen eine junge Frau und ein Kind ums Leben.
Fall weckt Erinnerungen an Angriff auf dem Mannheimer Marktplatz
Ende Mai vergangenen Jahres hatte zudem auf dem Mannheimer Marktplatz der mutmaßliche Islamist Sulaiman A. fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) sowie einen Polizisten mit einem Messer verletzt. Der 29 Jahre alte Polizist Rouven Laur erlag später seinen Verletzungen. Ein anderer Beamte schoss den Angreifer nieder.
Die Bundesanwaltschaft geht nach eigenen Angaben davon aus, dass der Angeklagte Sympathien für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hegt. Der mutmaßliche Täter steht derzeit in Stuttgart vor Gericht.
Mannheim liegt im Norden Baden-Württembergs an der Grenze zu Hessen und Rheinland-Pfalz. Die Stadt ist mit rund 320.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Baden-Württembergs. (tis mit dpa)