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Fragen unsere Leser, Teil 2Kann ich als Risikopatient freigestellt werden?

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Die Co­ro­na­vi­rus-​Pan­de­mie hat gra­vie­rende Aus­wir­kun­gen auf die Ar­beits­welt, das beweisen viele De­tail­fra­gen unserer Leser.

  1. Fünf Experten beraten Rundschau-Leser bei Problemen, die mit der Corona-Pandemie zusammenhängen. Heute gibt es eine Auswahl von Antworten auf arbeitsrechtliche Fragen, die Anrufer gestellt haben.

KölnDarf ich eine Ferienwohnung noch an Monteure vermieten?

Köllmann: Die NRW-Verordnung untersagt Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken und ordnet zugleich Bußgelder im Fall von Verstößen an. Die langfristige Vermietung von Wohnraum zu anderen Zwecken ist damit nicht grundsätzlich verboten. Allerdings: Auch hier ist etwa bei der Wohnungsübergabe das in der Öffentlichkeit bestehende Kontaktverbot von mehr als zwei Personen zu beachten.

Meine Frau ist schwer lungenkrank. Kann ich mich von meinem Job freistellen lassen und Lohnfortzahlung erhalten?

Köllmann: Mitarbeiter haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Freistellung oder auf Verweigerung der Arbeitsleistung. Dies kann nur in absoluten Ausnahmefällen angenommen werden, wenn die Erbringung der Arbeitsleistung eine konkrete und erhebliche Gefahr für die Gesundheit des Arbeitnehmers darstellt. Allerdings können Sie mit Ihrem Arbeitgeber eine einvernehmliche Freistellung vereinbaren. Dies ist jederzeit möglich, es besteht aber kein Anspruch darauf. Ein Anspruch auf Lohnfortzahlung wird in einem solchen Fall aber nicht bestehen. Ohne Erbringung der Arbeitsleistung besteht ein solcher Anspruch nur in Ausnahmefällen. Dies kann etwa die eigene Erkrankung oder auch die Verhängung einer behördlichen Quarantänemaßnahme gegen Mitarbeiter aufgrund einer Infektionsgefahr sein. Bei einer Freistellung aus Sorge vor Infektionen wird ein solcher Anspruch nicht bestehen.

Ich bin Krankenschwester und leide unter Asthma. Kann ich auf infektiösen Stationen eingesetzt werden oder habe ich Anspruch auf Freistellung?

Köllmann: Den Arbeitgeber treffen gewisse Schutz- und Rücksichtnahmepflichten. Dazu kann es auch gehören, bestimmte Risikogruppen so einzusetzen, dass Sie nicht in unmittelbaren Kontakt zu Covid19-Patienten kommen. Ein Anspruch auf Freistellung oder Verweigerung der Arbeit kann indes nur in absoluten Ausnahmefällen bestehen, wenn eine konkrete und erhebliche Gefahr für die Gesundheit durch die Erbringung der Arbeitsleistung besteht. Ob das der Fall ist, lässt sich nur im Einzelfall, etwa auch unter Beachtung des Einsatzes von Schutzkleidung, dem konkreten Infektionsrisiko, beurteilen. Generell gilt: Zunächst sollte Kontakt zum Arbeitgeber aufgenommen und nach einer einvernehmlichen Lösung gesucht werden.

Das Rundschau-Expertenteam

Die Experten:

1. Dr. Sabine Schäfer-Wiedenmann,Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologin

2. Prof. Dr. Ralf-Joachim Schulz,Facharzt für Innere Medizin und Geriatrie

3. Dr. Annegret Quade,Fachärztin für Laboratoriumsmedizin

4. Thomas Köllmann,Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeitsrecht

5. Susanne Schönewolff,Sozialpädagogische Seniorenbetreuerin

Ich zähle zu den Risikopatienten und möchte das Haus nicht verlassen, muss aber Rechnungen bezahlen. Kann ich die Zahlung aufschieben?

Köllmann: Der Bundestag hat am 25. März 2020 ein Gesetz verabschiedet, wonach Verbraucher vorübergehend für bestimmte Vertragsverhältnisse die Möglichkeit zum Zahlungsaufschub haben, soweit sie wegen der Folgen der Corona-Pandemie derzeit nicht zahlen können. Dies soll aber (nur) für die Leistungen der Grundversorgung wie Strom oder Telekommunikation gelten. Ähnliches ist vorübergehend für die Zahlung der Miete geplant. Dieses Gesetz wird voraussichtlich in den nächsten Tagen in Kraft treten. Sie haben aber auch nach diesem Gesetz keinen generellen Anspruch, fällige Rechnungen aufzuschieben. Setzen Sie sich mit dem Vertragspartner telefonisch in Verbindung, erklären Sie Ihre Situation und versuchen Sie eine einvernehmliche Lösung zu finden. Möglicherweise kann auch ein Verwandter die Zahlung vornehmen.

Gibt es Hilfen für Minijobber, die Corona-bedingt gekündigt wurden?

Köllmann: Tatsächlich nur eingeschränkt. Minijobber sind Personen, deren Arbeitsentgelt 450 Euro monatlich nicht übersteigt. Sie müssen keine Beiträge an die Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung abführen. Aus diesem Grund haben sie auch keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Allerdings haben auch Minijobber grundsätzlich Kündigungsschutz und sind arbeitsrechtlich in vielen Bereichen mit Vollzeitbeschäftigten gleich zu behandeln. Einen Überblick über die Rechte von Minijobbern gibt die Minijob-Zentrale (www.minijob-zentrale.de)

Zudem hat der Bundestag am 25. März 2020 ein Gesetz verabschiedet, mit dem der Zugang zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II) erleichtert wird. So soll insbesondere die Vermögensprüfung befristet ausgesetzt werden, wenn erklärt wird, dass kein erhebliches Vermögen verfügbar ist.

www.arbeitsagentur.de/corona-faq-grundsicherung

Einer meiner Angestellten ist Risikopatient. Muss er sich krankschreiben lassen?

Köllmann: Eine Krankschreibung erfolgt durch den Arzt und nur bei einer Erkrankung, die zur Arbeitsunfähigkeit führt. Ein Risikopatient ohne Erkrankung kann sich nicht einfach „krankschreiben lassen“. Allerdings sollte ein Risikopatient in der momentanen Lage dann nicht weiterbeschäftigt werden, wenn er Kontakt zu mehreren Personen hat und erheblichen Infektionsrisiken ohne Schutz ausgesetzt ist. Der Arbeitgeber hat eine Rücksichtnahmepflicht. Wenn Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz nicht ausreichen sollten, können die Parteien Homeoffice oder – falls nicht möglich – eine einvernehmliche Freistellung der Person gegebenfalls unter Fortzahlung der (anteiligen) Vergütung vereinbaren.

Ich bin Auszubildender und habe von der derzeit geschlossenen Berufsschule Aufgaben erhalten, für deren Bearbeitung ich einen freien Tag haben möchte. Mein Chef hat abgelehnt und aufs Wochenende verwiesen? Darf er das?

Köllmann: Fällt der Unterricht aus, muss der Auszubildende grundsätzlich im Ausbildungsbetrieb erscheinen. Rechtlicher Hintergrund ist, dass der Betrieb die Auszubildenden nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) für die Teilnahme am Berufsschulunterricht von der betrieblichen Ausbildung freistellt. Bietet die Berufsschule alternativen Unterricht, zum Beispiel online an, muss der Betrieb ihn auch dafür freistellen. Da die technischen Voraussetzungen dafür vielerorts fehlen, erteilen Berufskollegs ihren Schülern häufig Arbeitsaufträge. Die Handwerkskammern empfehlen, dass Ausbildungsbetriebe den Azubis in der aktuellen Situation Lernräume – für den Berufsschulstoff – eröffnen, um das Erreichen des Ausbildungsziels nicht zu gefährden.

Der Auszubildende kann sich von der Berufsschule bestätigen lassen, dass es sich um Aufgaben handelt, die den Unterrichtsausfall kompensieren sollen und nicht um „normale“ Hausaufgaben. Dann sollte er nochmals mit seinem Ausbilder über die Situation sprechen.

Kann mein Chef die Belegschaft zwingen Urlaub zu nehmen und was bedeutet es, wenn er Kurzarbeit beantragt?

Köllmann: Im Grundsatz darf der Arbeitgeber den Urlaubszeitraum einseitig bestimmen. Allerdings kann der Arbeitnehmer jederzeit seine Wünsche äußern und die Urlaubserteilung für einen ihm nicht passenden Zeitpunkt ablehnen. In einem solchen Fall kann sich der Arbeitgeber mit einer einseitigen Anordnung des Urlaubszeitraums durchsetzen, wenn dringende betriebliche Belange den Urlaubswünschen des Arbeitnehmers entgegenstehen. Die aktuell bestehende, existenzielle Bedrohung der Unternehmen kann ein solcher dringender betrieblicher Belang sein, auch wenn dies durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt ist. Dafür spricht auch, dass zur Gewährung des Kurzarbeitergelds u.a. ein Teil des Erholungsurlaubs abgebaut werden muss. Möglich ist grundsätzlich auch die Anordnung von Betriebsferien durch den Arbeitgeber, hier wäre aber der Betriebsrat – soweit im Betrieb vorhanden – zu beteiligen. In dieser Zeit können dann etwa Überstunden abgebaut oder auch Urlaubsansprüche der Mitarbeiter verbraucht werden. Im Fall von Kurzarbeit wird die Arbeitsleitung nur zum Teil oder gar nicht mehr erbracht („Kurzarbeit-Null“). Die Agentur für Arbeit zahlt auf Antrag des Arbeitgebers in diesem Fall Kurzarbeitergeld. Dieses beträgt grundsätzlich 60 Prozent des pauschalierten Netto-Entgelts. Lebt mindestens ein Kind mit im Haushalt, beträgt das Kurzarbeitergeld 67 Prozent.

Unser Chef möchte uns im Homeoffice nur vier Stunden statt der tariflichen Arbeitszeit von sieben Stunden bezahlen, weil er glaubt, dass wir nicht die vollen sieben Stunden arbeiten. Ist das rechtens?

Köllmann: Im Homeoffice gelten – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen – die identischen Regeln zur Vergütung wie auch sonst. Eine einseitige Gehaltskürzung im Vorhinein kommt daher nicht in Betracht. Aber: Der Arbeitnehmer ist spiegelbildlich verpflichtet, die im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag vorgesehenen Arbeitszeiten auch im Homeoffice einzuhalten. Dies gilt sowohl für den Umfang, als auch für die Lage der Arbeitszeit. Arbeitet der Mitarbeiter ohne entsprechende Vereinbarung tatsächlich weniger, hat er nach dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ für die Zeiten, in denen er trotz Arbeitspflicht nicht arbeitet auch keinen Zahlungsanspruch. Auch kommen in diesem Fall andere arbeitsrechtliche Sanktionen wie Abmahnungen oder – im Wiederholungsfall – Kündigungen in Betracht. Werden im Homeoffice flexiblere Arbeitszeitmodelle – etwa wegen der Betreuung von Kindern – erforderlich, können und müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dies, gegebenenfalls unter Mitwirkung des Betriebsrates, regeln.

Mein Arbeitgeber hat alle über 60-Jährigen aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Mitarbeiter unter 60 mit Vorerkrankung sollen sich krankschreiben lassen. Letzteres trifft auf mich zu. Muss ich mich krankschreiben lassen oder kann ich Büroarbeit außerhalb Betreuungszeiten, ich arbeite in der Ganztagsbetreuung, ausüben?

Köllmann: Eine Krankschreibung erfolgt durch den Arzt und nur bei einer Erkrankung, die zur Arbeitsunfähigkeit führt. Soweit sie nicht arbeitsunfähig erkrankt sind, können sie sich auch nicht „krankschreiben lassen“. Wenn ihr Arbeitgeber sie tatsächlich nicht beschäftigen kann und daher einseitig freistellt, bleibt er grundsätzlich zur Zahlung der regulären Vergütung verpflichtet. Der Arbeitgeber trägt hier das sogenannte Betriebsrisiko (§ 615 S. 3 BGB). Ihr Arbeitgeber kann Ihnen, soweit eine Betreuung von Kindern momentan nicht möglich ist, im Rahmen seines Direktionsrechts anfallende Bürotätigkeiten zuweisen. Diese Zuweisung hat dabei grundsätzlich keinen Einfluss auf die Höhe ihrer Vergütung. Es wäre zunächst zu empfehlen, mit ihrem Arbeitgeber konkret zu besprechen, in welchem Bereich Sie tätig werden können und sollen.