Richard David Precht legte sich früh fest: Die Ukraine habe keine Chance gegen die russische Armee. Nach der Befreiung Chersons rudert der Philosoph nun zurück.
Philosoph über Ukraine-KriegRichard David Precht räumt „Fehlannahme“ ein
Buchautor und TV-Philosoph Richard David Precht hat eingeräumt, zu Beginn des Ukraine-Krieges Fehleinschätzungen aufgesessen zu sein. „Die Ukraine in eine Position der Stärke zu bringen, ist viel besser geglückt, als nahezu alle Beobachter, auch ich, zu hoffen gewagt haben“, sagte Precht am Montagabend beim Ständeshaustreff der „Rheinischen Post“ in Düsseldorf. Auch die China-Politik kommentierte der Philosoph.
„Damals haben die Militärexperten, von wenigen Ausnahmen abgesehen, alle die gleiche Prognose gestellt und gesagt, dass die Ukraine diesen Krieg binnen Tagen, Wochen oder vielleicht ein, zwei Monaten verlieren wird.“
Richard David Precht: „Wir wissen jetzt erst, wie stark die ukrainische Armee von Anfang an gewesen ist“
„Wir wissen jetzt erst, wie unglaublich stark die ukrainische Armee von Anfang an gewesen ist, bevor die Waffenlieferungen kamen“, behauptete Precht. „Insofern bin ich natürlich von einer Fehlannahme ausgegangen, dass es sich nicht lohnt, sich zu verteidigen, wenn der Krieg in ein, zwei Wochen verloren ist. Man kann sehen, wie man sich täuschen kann.“
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Precht gehörte noch Ende Juni zu den Unterzeichnern eines offenen Briefes mit der Forderung, den Ukraine-Krieg durch Verhandlungen möglichst rasch zu beenden. Zudem stellten die Prominenten in Frage, ob Waffenlieferungen des Westens der richtige Weg seien. Dafür waren sie unter anderem vom damaligen Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, scharf kritisiert worden.
Richard David Precht und Harald Welzer sorgen mit Buch für Wirbel
Auch der Kölner Sicherheitspolitikexperte Carlo Masala hatte sich damals mit Kritik zu Wort gemeldet. „Der nächste Versuch von Menschen, die sich bislang nicht mit internationaler Politik beschäftigt haben (mit zwei Ausnahmen), Dinge zu fordern, ohne Lösungen zu präsentieren“, kommentierte Masala damals den offenen Brief.
Der Philosoph sorgte in den letzten Monaten auch mit Talkshow-Auftritten immer wieder für Wirbel. Zusammen mit dem Soziologen Harald Welzer brachte er schließlich ein Buch über vermeintliche Verfehlungen der deutschen Medienlandschaft heraus und attestierte der Berichterstattung eine „Selbstangleichung“. Auch dafür bekamen Precht und Welzer überwiegend kritische Reaktionen.
Beim Gespräch in Düsseldorf äußerte Precht sich auch zu anderen Themen. Zu der viel diskutierten Frage, wie man in Zukunft mit China umgehen sollte, erklärte er: „Wer nur noch mit moralisch einwandfreien Ländern kooperiert, verstärkt am Ende die Blockbildung und macht die Gräben tiefer.“ An der „Globalisierung führt kein Weg vorbei“, so Precht. In Bezug auf den Klimawandel befand der Wahl-Düsseldorfer: „Wir müssen uns besser an Krisenzeiten gewöhnen“. (das/dpa)