- Richard David Precht hat sich bei Markus Lanz auch zur deutschen Medienlandschaft geäußert.
- Ein Kommentar.
Kennen Sie noch Robert Atzorn? Zwischen 1991 und 1999 gehörte der Schauspieler zum Inventar des ZDF. Als Lehrer „Dr. Markus Paul Specht“ erklärte Atzorn nicht nur seinen Serien-Schülern gerne die Welt, sondern sorgte auch für vorabendliche Wohlfühl-Stimmung bei den Zuschauern. „Specht engagiert sich für seine Schüler. Sein Berufsalltag konfrontiert ihn täglich mit neuen Problemen und Herausforderungen“, lautet die Google-Beschreibung der damals überaus erfolgreichen Serie.
Jahrzehnte später könnte man auch prima das mediale Selbstverständnis mancher Intellektueller so beschreiben – allen voran das eines bekannten Philosophen.
Es ist, genau: Unser Lehrer Doktor Precht! Der Schriftsteller und Philosoph Richard David Precht tingelt bereits seit Jahren durch deutsche Debatten und die dazugehörigen Talkshows oder Feuilleton-Seiten. Ob Klimawandel oder Krieg – Precht hat eigentlich immer etwas zu sagen. Ob es immer besonders klug ist, was Precht sagt, das sei einmal dahingestellt. Aber er sagt es.
Precht ist einziger Gast bei Lanz
Precht sagt es in Artikeln. In Talkshows. Podcasts. Und natürlich, wie zuletzt, in offenen Briefen und Appellen. Bei „Markus Lanz“ bekam Precht nun sogar die gesamte Sendung als Bühne – als einziger Gast durfte er mit dem ZDF-Moderator über Gott und die Welt plaudern, ganz als wäre es gar nicht die ZDF-Talkshow, sondern nur der Podcast, den die beiden Protagonisten ganz zufällig betreiben – und auch im ZDF dezent bewarben.
Dass Precht dabei nicht nur lang und breit zum x-ten Mal seine Sicht auf die Ukraine, Russland, Waffenlieferungen, Verhandlungen, offene Briefe und Appelle darlegen konnte, müssen auch die, die ihm nicht wohlgesonnen sind, aushalten. Dass jeder eine Meinung haben und die auch sagen darf, macht eine Demokratie schließlich aus.
Umso erstaunlicher ist da, dass Precht den ZDF-Auftritt nutzte, um – nicht zum ersten Mal – eine „Selbstgleichschaltung“ der deutschen Medien zu bemängeln – so als säße er dabei gar nicht genau in einem dieser Medien. Doch was verleitet den Philosophen zu der Auffassung?
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Angeblich würden die Gegner von Waffenlieferungen und Befürworter von Verhandlungen, die Russland übrigens gar nicht zu führen bereit ist, von den deutschen Medien mit ihrem Standpunkt nicht ausreichend gewürdigt. Denn die „Bellizisten“, wie Precht, Schwarzer, Flaßpöhler und Co. die Befürworter der militärischen Unterstützung der Ukraine gerne nennen, hätten die Meinungshoheit.
Da sei die Frage erlaubt: Worüber hat das Land dann in den letzten Wochen eigentlich diskutiert? Gefühlt im Wochenrhythmus haben „Prominente“ oder „Intellektuelle“ sich mit ihren klugen Ratschlägen an die Bundesregierung gewandt oder sie in Artikeln, Talkshows oder sonstwo feilgeboten – jedes einzelne Mal wurde lang und breit darüber berichtet. Nur Zustimmung gab es eben kaum.
Und das dürfte des Pudels Kern sein, wenn Precht nun eine angebliche Selbstgleichschaltung der Medien bemängelt. Meinungsfreiheit (das ist, wenn jeder mal Unsinn erzählen darf) bedeutet nicht Widerspruchslosigkeit (das ist, wenn Unsinn nicht mehr Unsinn genannt werden darf). Und eine gute Berichterstattung bedeutet nicht, jedem mal recht zu geben, nur damit alle zufrieden sind.
Zusammen mit Harald Welzer hat Precht nun übrigens ein Buch angekündigt. Der Philosoph und der Soziologe, der im Zuge des Ukraine-Kriegs ebenfalls mehrfach prominent zu Wort kam, aber damit auf wenig Gegenliebe stieß, verfassen nun also eine Klageschrift.
Precht und Welzer kündigen Buch über Massenmedien an
In „Die Vierte Gewalt“ soll es laut Verlag um die Frage gehen, „wie Massenmedien die Demokratie gefährden“. Also die gleichen Massenmedien, die Precht mit einer eigenen Show ausgestattet und Welzer stets zum Gespräch geladen haben. Nun gibt es also endlich wieder besorgte Bürger, die sich über die Presse mokieren – nur diesmal eben in vermeintlich schlauen Büchern statt in der Kneipe oder bei der Montagsdemo. Da kommt doch Freude auf!
Es dürfte aber ein lukratives Geschäft für den besorgten Philosophen und den besorgten Soziologen werden, das Geschäftsmodell Systemkritik ist aus Flucht- und Corona-Zeiten schließlich mittlerweile gut bewährt. Nun gibt’s also endlich wieder „Fake News“-Gejammer – diesmal sogar mit Doktortitel.
Geraune über Gleichschaltung schadet der Demokratie
Über – jetzt wird’s ironisch – die Schäden, die ein solches Geraune einer Demokratie zufügen kann, haben Precht und Welzer offenbar bisher nicht groß nachgedacht. Es wird schließlich genug willige Leser und Leserinnen geben, die in das Klagelied der eitlen Akademiker miteinstimmen werden. Und überhaupt, das ist doch ein pragmatisches Konzept: Bei einem Verriss des Buches durch die Presse ist die eigene schmollende These vermeintlich sofort bewiesen. Oder das Buch ist dann einfach genauso schlecht geworden, wie die Idee dahinter jetzt bereits klingt.
Aber keine Sorge, auch dann werden Precht, Welzer und Co. uns das lang und ausführlich und vermutlich oft erklären – und das natürlich in den so furchtbar „selbstgleichgeschalteten Medien“. Da darf nun jeder für sich selbst entscheiden, ob das besonders klug oder nur besonders geschäftstüchtig ist.
Es gibt ja leider keinen TV-Lehrer mehr, der es uns erklären könnte. Na, ja – außer eben: Unser Lehrer Doktor Precht.