Precht, YogeshwarProminente fordern Waffenstillstand – Melnyk schimpft auf „Versager“
Erneut haben deutsche Prominente in einem offenen Brief an die Politik gefordert, sich stärker für eine Verhandlungslösung im Krieg zwischen Russland und der Ukraine einzusetzen. In dem Text mit dem Titel „Waffenstillstand jetzt!“, der am Mittwochabend in der „Zeit“ veröffentlicht wurde, schreiben bekannte Philosophen wie Richard David Precht und Svenja Flaßpöhler, aber auch Schriftstellerin Juli Zeh und der Kölner Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar, Europa stehe vor der Aufgabe, den Frieden auf dem Kontinent wiederherzustellen und ihn langfristig zu sichern.
Die Ukraine habe sich bislang gegen den „brutalen russischen Angriffskrieg“ verteidigen können. Je länger die Unterstützungsmaßnahmen des Westens aber andauerten, desto unklarer werde allerdings, „welches Kriegsziel mit ihnen verbunden ist“. Ein Sieg der Ukraine mit der Rückeroberung aller besetzten Gebiete einschließlich Donezk, Luhansk und der Krim gelte unter Militärexperten als unwahrscheinlich. Russland werde weiter eskalieren.
Precht und Co. verlangen „konzertierten Vorstoß“ für Verhandlungen
Die Prominenten stellen daher in Frage, ob Waffenlieferungen der richtige Weg seien. Tausende weitere Menschen würden sterben, auch durch humanitäre Notlagen auf der ganzen Welt. Zudem bestehe die Gefahr einer atomaren Eskalation. Daher müsse unbedingt verhandelt werden. „Verhandlungen bedeuten nicht, wie manchmal angenommen wird, der Ukraine eine Kapitulation zu diktieren. Einen Diktatfrieden Putins darf es nicht geben“, heißt es aber auch. Es sei bislang noch kein „konzertierter Vorstoß“ der internationalen Gemeinschaft für Verhandlungen erfolgt.
Als weitere Unterzeichner sind unter anderem Merkels Ex-Militärberater Erich Vad und der Sozialpsychologe Harald Welzer sowie Publizist Jakob Augstein aufgeführt.
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Die Initiative erinnert stark an den von Alice Schwarzer initiierten ersten offenen Brief von Ende April, in dem es um sehr ähnliche Positionen ging und der ebenfalls in der „Zeit“ erschien. Die Kölnerin gehört allerdings nun nicht zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern. Diese Aktion hatte viel Kritik ausgelöst. Den Initiatorinnen und Initiatoren war vorgeworfen worden, mehr oder weniger direkt eine Kapitulation der Ukraine zu verlangen.
Militärexperte Masala widerspricht, Melnyk ist empört
Auch nun, zwei Monate später, regt sich Widerspruch gegen den Vorstoß. Militärexperte Carlo Masala äußert sich bei Twitter und sagt, es würden erneut Dinge gefordert, ohne Lösungen zu präsentieren. Er fragt, was nach einem Waffenstillstand passieren solle oder wie die territoriale Integrität der Ukraine wiederhergestellt werden solle. Es gehe im Grunde zunächst darum, Wladimir Putin aber auch der Ukraine Anreize für eine diplomatische Lösung zu geben. Auf diese Frage wie auf viele andere gebe die Einlassung der Prominenten keine Antworten. Für ihn bedeute „nie wieder“ eben auch, dass man sich Angriffskriegen entgegenstelle.
Noch härter geht Georg Löfflmann, Professor für Internationale Politik und Militärstrategie an der Universität Warwick, mit den Appell ins Gericht: „Ein analysefreies Sammelsurium von Verhandlungsappellen, das angesichts der militärischen Lage und der offen imperialistischen Expansionspolitik Russlands so hilflos wie realitätsfern wirkt, und dazu Aggressor und Angegriffenen moralisch auf die gleiche Stufe stellt“, schreibt Löfflmann bei Twitter.
Der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, zeigt sich empört: „Nicht schon wieder, what a bunch of pseudo-intellectual loosers“ („Nicht schon wieder, was für ein Haufen pseudo-intellektueller Versager“). Sie alle sollten sich endlich mit ihren „defätistischen „Ratschlägen“ zum Teufel scheren“, schrieb Melnyk bei Twitter.
Der offene Brief vom Ende April hatte eine Gegenreaktion, der sich viele andere Prominente anschlossen, ausgelöst. Nun bleibt abzuwarten, ob das mediale Echo auch in diesem Fall ähnlich groß wird.