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Vorstand des 1. FC Heidenheim„Ich war immer Visionär, auch Optimist, aber an den Europapokal habe ich als letztes gedacht“

Lesezeit 4 Minuten
Heidenheims Vorstandsvorsitzender Holger Sanwald mit Daumen nach oben vor dem Spiel.

Heidenheims Vorstandsvorsitzender Holger Sanwald mit Daumen nach oben vor dem Spiel.

Vorstandsvorsitzender Holger Sanwald spricht im Interview über Heidenheims Europapokaltraum und Englisch in der Bäckerei.

Holger Sanwald, Vorstandsvorsitzender des 1. FC Heidenheim, spricht im Interview mit Frank Hellmann über den Europapokaltraum in der Provinz, die deutsche Sprache als Auswahlkriterium bei der Spielersuche und den fehlenden Anzug von Trainer Frank Schmidt.

Herr Sanwald, beim Amtsantritt von Frank Schmidt als Trainer in Heidenheim war Ihr Club noch in der Fußball-Oberliga Baden-Württemberg. Können Sie eigentlich schon begreifen, jetzt mindestens sechs Europapokal-Spiele in der Conference League zu bestreiten?

Wir sind erst vergangenes Jahr zusammen mit Darmstadt 98 in die Bundesliga aufgestiegen. Viele dachten ja, dass uns dasselbe passiert wie den Darmstädtern. Vier Spieltage vor Schluss war auch unser Klassenerhalt noch nicht sicher. Zur Erinnerung: Dann gewinnen wir kurz vor Schluss 1:0 in Darmstadt, spielen 1:1 gegen Mainz, holen in Freiburg im letzten Heimspiel von Christian Streich ein glückliches 1:1 und schlagen Köln 4:1 – und waren damit ein einziges Mal in der vergangenen Spielzeit Achter, das war eben nach dem 34. Spieltag. Ich habe mich wie ein Kind über unseren Klassenerhalt gefreut, und plötzlich fangen die Fans an, vom Europapokal zu singen. Als ich kürzlich bei der Auslosung in Monaco sein durfte, dachte ich wieder: Was machst du eigentlich hier? Und dann wird als erstes Heimspiel noch Chelsea gezogen. Ich war immer ein Visionär, auch ein Optimist, aber an den Europapokal habe ich als letztes gedacht. (lacht)

Dass der Premierengegner mit Olimpija Ljubljana nicht ganz so attraktiv ist, macht nichts, oder?

Das ist für uns alles ein Traum, und uns ist natürlich auch klar, dass wir das vielleicht nur ein einziges Mal erleben. Als wir in den 90er-Jahren noch in der Landesliga spielten, habe ich von der Verbandsliga geträumt, dann von der Regionalliga, später von der 2. Bundesliga. Aber doch nicht vom Europapokal.

Stand ein Umzug auch mal zur Debatte?

Da muss ich meiner Vorstandskollegin Petra Saretz ein riesiges Kompliment machen, die für die Organisation zuständig ist: Wir wollten diese Spiele unbedingt in unserem gewohnten Umfeld ermöglichen, was aber nicht selbstverständlich war: Wir sind dankbar, dass wir bei der Uefa – genau wie von der DFL – eine Ausnahmegenehmigung bekommen haben. Zum Glück hat die Uefa wieder ein Programm, mit dem Stehplätze in mehreren Ländern erlaubt sind. Zuhause in unserer Arena spielen zu können, war ein Riesenkampf.

Was bringt die Conference League finanziell?

Das bringt uns rund fünf Millionen Euro ein, was bei einem Etat von etwa 75 Millionen Euro für unseren Verein schon wahnsinnig viel Geld bedeutet. Nur für die sechs Spiele in der Liga-Phase. Deshalb haben wir nach der erfolgreichen Qualifikation gegen BK Häcken ja auf dem Weg nach Monaco am Deadline Day auch noch Niklas Dorsch verpflichten können. Ohne die sicheren Einnahmen aus der Conference League hätten wir diesen Transfer nicht getätigt. Mit dem Geld bauen wir Substanz auf; das passt perfekt in unsere Politik der kleinen Schritte, um uns in jeder Spielklasse nachhaltig etablieren zu können.

Zu Ihrer Philosophie gehört ja auch, überwiegend auf deutsche Spieler zu setzen. Zuletzt beim Auswärtssieg beim FSV Mainz 05 (2:0) hatten 14 der 15 eingesetzten Akteure einen deutschen Pass. Das ist ja kein Zufall, oder?

Wir haben mit den Aufsteigern Holstein Kiel und FC St. Pauli das kleinste Budget der Liga. Also müssen wir unseren eigenen Weg finden, uns in der Bundesliga zu behaupten. Wir setzen viel auf Kommunikation, auf das Miteinander. Wenn es da sprachliche Barrieren gibt, wird es schwieriger – davon sind wir überzeugt. Wenn jeder nur die Hälfte verstehen würde, kämen unsere Anforderungen an die Spieler nicht so rüber. Das Beherrschen der deutschen Sprache, nicht der Besitz des deutschen Passes, gehört zu unserer Philosophie dazu. Wenn unsere Spieler Deutsch sprechen, ist die Integration, also auch die Bindung an den Verein und das Umfeld einfacher. Man darf ja nicht vergessen: Heidenheim ist keine internationale Metropole, sondern Teil einer ländlichen Region. Bei uns spricht in der Bäckerei nicht jeder Englisch wie wahrscheinlich in einer Großstadt wie Hamburg, Berlin oder Frankfurt.

Und Trainer Frank Schmidt hat ja auch eine eigene Mundart.

Im Vergleich zu vielen anderen hier spricht der auch Hochdeutsch (lacht).

Seinen Anteil am Erfolg kann man sicher nicht hoch genug würdigen. Wird er eigentlich am Donnerstag zur Feier des großen Tages angemessen einen Anzug tragen?

Ich weiß gar nicht, ob er einen Anzug hat (lacht wieder). Das muss man ihn mal fragen. In den Play-Offs hat er keinen getragen. Man muss sich das noch mal vorstellen: Er ist in Heidenheim geboren, wächst hier auf, kommt später zurück, als wir in der Verbandsliga spielen. Mit ihm als Spieler sind wir in die Oberliga Baden-Württemberg aufgestiegen, ein Riesenerfolg damals. Er war hier Kapitän, Co-Trainer, seit 2007 ist er unser Cheftrainer. Er ist unser herausragender Erfolgsfaktor, dass diese Geschichte wahr geworden ist. Dafür gibt es keinen Superlativ!