Nizza/Köln – André Pawlak erging es an diesem traurigen Donnerstagabend in Nizza genau wie allen anderen. Der Co-Trainer des 1. FC Köln, der seinen gesperrten und auf die Tribüne verbannten Chef Steffen Baumgart an der Seitenlinie vertrat, wollte am liebsten über nichts anderes reden als die Rückkehr der Geißböcke auf die internationale Bühne, über Fußball eben.
Nizza: Explosion der Gewalt erschüttert
Nach dem 1:1 (1:0) des Bundesligisten im ersten Gruppenspiel der Europa Conference League beim französischen Spitzenclub OGC Nizza war dies aber unmöglich. Die Explosion der Gewalt rund um und im Stadion Allianz Riviera vor Beginn der Partie zwang Pawlak ausgerechnet an seinem größten Tag als Fußballlehrer, seinem Entsetzen Ausdruck zu verleihen: „Es fehlen einem die Worte. Wie soll man da reagieren? Das ist skandalös und gehört nicht in den Fußball. Es macht uns traurig“, reagierte der 51-Jährige so fassungslos wie alle anderen auch.
Der Tag, an dem der Fußball als friedliches, stimmungsvolles Erlebnis der Fans im Mittelpunkt stehen sollte, wird sich als „Schande von Nizza“ in der FC-Historie verankern. „Der Fußball leidet, der 1. FC Köln leidet und alle, die hier sind, leiden“, fasste Christian Keller die schrecklichen Ereignisse zusammen. Der FC-Sportchef hatte die Gewaltszenen im Stadion nicht als unmittelbarer Augenzeuge erlebt – wie übrigens die Mannschaft auch. Nur die Torhüter Marvin Schwäbe, Timo Horn und Jonas Urbig waren zum Warmmachen draußen, als die Randale auf den Rängen eskalierte.
Die Mannschaft des FC hat das Ausmaß nicht mitbekommen
„Die Mannschaft hat das so nicht mitbekommen. Sie hatte zum Glück unmittelbar nichts damit zu tun. Ich bin froh, dass die Jungs nicht alles mitbekommen haben“, berichtete Steffen Baumgart von der Situation. Zur Mannschaft durfte der Chefcoach auch in dieser Extremsituation nicht. Aufgrund seiner Sperre aus dem Playoff-Rückspiel in Fehérvár untersagte die UEFA ihm jeglichen Kontakt zu den Spielern. „Da sieht man, dass Leute nicht bereit sind, das Gehirn einzuschalten. Es wäre wichtig gewesen, in der Nähe zu sein. Ich trage eine hohe Verantwortung“, fehlte Baumgart jegliches Verständnis.
Die Mannschaft, die er mit seinem Trainerteam für die Aufgabe in Nizza aufgestellt hatte, zeigte sich von den Vorkommnissen weitgehend unbeeindruckt und lieferte eine starke Leistung beim Favoriten der Gruppe D ab. „Wir haben die Stunde, die wir in der Kabine saßen, sehr gut rum bekommen. Wir konnten uns trotzdem weiter auf den Fußball fokussieren. Wir haben der Mannschaft gesagt, dass wir fast anderthalb Jahre so hart für diesen Moment gearbeitet haben. Wir wollten für die friedlichen Fans spielen und das haben wir dann auch eindrucksvoll getan. Wir haben über 90 Minuten eine Top-Leistung abgerufen“, spann André Pawlak den Bogen zum rein Sportlichen. Die Kölner hatten vor der Pausen eine starke Vorstellung abgeliefert und hätten nach dem Premierentor von Mittelstürmer Steffen Tigges (19.) das Spiel schon bis zur Halbzeit entscheiden können. „Die Mannschaft konnte sich von Anfang an konzentrieren. Wir haben eine super erste Halbzeit gespielt. Bei meinem Tor ist mir gar nicht so viel durch den Kopf gegangen. Ich habe mich einfach gefreut“, sagte Tigges.
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Nach dem Wechsel schwanden beim FC die Kräfte, so dass der Favorit seine Qualität mehr und mehr durchsetzen konnte. Das Team von Ex-Bundesliga-Coach Lucien Favre benötigte aber einen von Timo Hübers unglücklich verursachten Handelfmeter, um durch Andy Delort zum Ausgleich zu kommen (62.). Die einzige Situation, in der Nizza den erneut überragenden Marvin Schwäbe bezwingen konnte: „Wir sind mit dem Ergebnis zufrieden, aber es ist natürlich ärgerlich, dass solche Schlagzeilen oben drüber stehen“, wusste auch der FC-Keeper, dass der Fußball an diesem Abend durch den Auftritt einiger weniger Gewalttäter in den Hintergrund rückte – wieder einmal.
Im Bundesliga-Heimspiel am Sonntag (15.30 Uhr, Rhein-Energie-Stadion) gegen Angstgegner 1. FC Union Berlin soll er wieder im Fokus stehen.