SportgeschichteAls die gelbe Karte zum allerersten Mal gezückt wurde
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Köln – Vor 50 Jahren begann das Zeitalter der „Gelben Gefahr“: Am 22. Januar 1971 wurde erstmals in der Fußball-Bundesliga ein Spieler verwarnt.
Wie verlief die Premiere?
Schiedsrichter Horst Bonacker aus Quadrath-Ichendorf zeigte der kölschen Fußball-Legende Hannes Linßen am 18. Spieltag Saison 1970/71 im Trikot des MSV Duisburg Gelb - Tatbestand Foul. Ein großes Thema war diese Premiere nicht; viele Zeitungen erwähnten sie gar nicht. Der MSV gewann vor 20 000 Zuschauer im Niederreinstadion bei RW Oberhausen 2:0.
Warum wurde die Karte mitten in der Saison eingeführt?
Die FIFA setzte die Gelbe und Rote Karte bei der WM 1970 in Mexiko erstmals ein; die Neuerung überzeugte auf Anhieb. Die erste Gelbe Karte der WM- und damit auch der Fußballgeschichte zückte der deutsche Schiedsrichter Kurt Tschenscher; im Eröffnungsspiel zwischen Mexiko und der Sowjetunion verwarnte der Mannheimer den Russen Kacha Assatiani (0:0). Der DFB prüfte die Regelung, doch für eine Umsetzung zum Saisonstart war die Zeit zu knapp. Die „probeweise“ Einführung beschloss der Spielausschuss Anfang 1971.
Wie wurde die Reform in der Bundesliga aufgenommen?
Eher beiläufig, da die Gelben Karten keine Folgen hatten. Das änderte sich allmählich, als aus dem Testlauf mit Beginn der Saison 1971/72 ein Dauerzustand wurde.
Ab wann blieben Gelbe Karten nicht mehr folgenlos?
Zur Saison 1979/80 beschloss der DFB, Gelbsünder nach den ersten vier sowie nach jeweils drei weiteren Verwarnungen für ein Spiel zu sperren. Die Premiere traf den Braunschweiger Abwehrspieler Wolfgang Grobe. Grund für die Maßnahme war die sprunghaft steigende Zahl der Gelben Karten in der Bundesliga (von 561 in der Saison 1977/78 auf 673 in 1978/79) und die Tatsache, dass notorische Foulspieler ungestraft durchkamen.
Welche Erinnerung hat der erste Gelbsünder der Bundesliga-Geschichte an die Premiere?
„Keine“, sagt Hannes Linßen und muss selbst schmunzeln. Der spätere Fortuna-Trainer und FC-Sportdirektor war damals in Oberhausen der beste Duisburger und verlängerte am Tag danach seinen Vertrag beim MSV. Der 22-Jährige, vom „Kicker“ wegen seiner Haarpracht als „Fußball-Beatle“ tituliert, kann also nichts zu der verbreiteten Darstellung sagen er sei irrtümlich anstelle seines Teamkollegen Djordje Pavlic verwarnt worden. Vor gut zwei Jahren tauchte Linßens Name bei der 500 000-Euro-Frage auf, die lautete: „Welcher Bundesligaspieler hat die erste Gelbe Karte gesehen“. „Es war bei Aktenzeichen XY – als ob du plötzlich gesucht wirst“, erzählte Linßen, „ich hätte es sicher nicht gewusst.“
Was wurde aus dem Schiedsrichter?
Horst Bonacker, der für Jugend 07 Bergheim im Fußballverband Mittelrhein pfiff, hatte 30 Bundesligaeinsätze hinter sich, als er im Oktober 1974 aus Enttäuschung über seine Rückstufung in die 2. Liga seine Karriere abrupt beendete und seinen Schiedsrichterausweis an den DFB zurückschickte.
Und wer sah die erste Rote Karte der Bundesliga-Geschichte?
Der Frankfurter Friedel Lutz. Am 3. April 1971 stellte der Bochumer Schiedsrichter Wilfried Hilker den Eintracht-Verteidiger im Spiel gegen Eintracht Braunschweig vom Platz. Kurios: Lutz konnte sich vor einigen Jahren im Interview an Delikt und Opfer erinnern („Ich hab“ dem Jaro Deppe in den Arsch getreten, weil der mich gefoult hatte“), nicht aber an das Instrument der Roten Karte. Bei einem Gespräch mit Hilker wurde die Erinnerung aufgefrischt – und Friedel Lutz weiß nun wie Hannes Linßen, dass er für alle Zeiten einen Platz in der Bundesliga-Historie hat.