Köln – Der Abend war wie gemacht für jede Menge Trübsinn. Die Tatsache, dass von 123.313 Mitgliedern nur 913 – und damit weniger als ein Prozent – den Weg zur Jahreshauptversammlung des 1. FC Köln in die Lanxessarena fanden, ist wahrlich kein Ruhmesblatt für den ersten Fußball-Club der Stadt. Genauso wenig wie die Zahlen, die der neue Geschäftsführer Philipp Türoff in seiner Premieren-Bilanz vorstellen musste. Der FC ist mit Verpflichtungen in Höhe von 80 Millionen Euro hoch verschuldet und hat sein Eigenkapital bis auf einen kleinen Rest von 3,2 Millionen Euro aufgebraucht. Viel schlechter kann es kaum sein. Und natürlich schwebten die fürchterlichen Gewalttaten vom 8. September in Nizza über der Versammlung.
FC-Mitgliederversammung: Mehr fröhliche, als traurige Gesichter
Nach nicht einmal fünf Stunden Diskussionen, Reden und Abstimmungen gab es kurz vor 23 Uhr tatsächlich aber mehr fröhliche als betrübte Gesichter. Nicht nur, weil der seit 2019 amtierende Vorstand mit Präsident Dr. Werner Wolf sowie den Vizepräsidenten Eckhard Sauren und Dr. Carsten Wettich mit 91,82 Prozent der Stimmen von den Mitgliedern ein überwältigendes Votum für drei weitere Jahre Arbeit an der Spitze des FC erhalten hatten. Die gelöste Stimmung war auch der schonungslosen Transparenz und Klarheit zu verdanken, mit der sowohl Vorstand und Mitgliederrat als auch die Geschäftsführung mit Türoff und Sportchef Christian Keller aufklärten und eine Zukunft in Aussicht stellten, die alle, die es mit dem FC halten, an bessere Tage glauben lässt.
Ehrlich, klar und transparent
Das größte Problem- und damit Entwicklungsfeld des Clubs sind die Finanzen: „Es geht weiter ums Überleben“, erklärte Präsident Wolf die unvermindert sehr ernste Situation. Erneute Zuschauerbeschränkungen durch Corona und ein Übergreifen der Energiekrise oder Inflation auf den Fußball würden die Kölner hart treffen. „Der FC ist seit Jahren strukturell defizitär. Das war schon vor Corona so. Wenn ein Club wirtschaftlich nicht gesund ist, hat er im Profifußball heutzutage keine Chance“, legte Christian Keller den Finger in die offene Wunde. Es hätte immer Sondererlöse wie Transfers benötigt, um finanziell über die Runden zu kommen. „Man musst nicht am meisten Geld haben, aber man sollte clever beim Einsatz seiner Ressourcen sein. “ Als wichtige Entwicklungsfelder benannte Keller ferner die aktuell marode Infrastruktur (Ausbau Geißbockheim) und eine verbesserte Organisationsstruktur der Verwaltung, um die Ressource Mitarbeiter effizienter zu nutzen.
Keller zeigte in seiner beeindruckenden und frei gehaltenen Rede den Weg auf, den der FC beschreiten soll, um es als solider, etablierter Bundesligist Union Berlin und dem SC Freiburg gleichzutun. Der Sportchef forderte Kontinuität („Ich bin froh, dass sich der Vorstand erneut zur Wahl gestellt hat“), Offenheit für Neues und ein Erwartungsmanagement, das trotz aller Emotionalität des FC „bodenständig und bescheiden“ bleibt.
Bitte um Frustrationstoleranz
Darüber hinaus brauche es Überzeugung, damit alle den eingeschlagenen, gemeinsamen Weg konsequent beibehalten: „Wenn Hindernisse kommen, muss man sie wegräumen anstatt den Weg zu verlassen“, sagte Keller und bat um „Frustrationstoleranz“. Denn der Weg, den die Kölner mit einem heftigen Sparkurs einschlagen müssen und im Hinblick auf Transfersummen und Spielergehälter auch wollen, wird Rückschläge im sportlichen Bereich beinhalten. Die gilt es auszuhalten.
Es dürfte hilfreich sein, dass der Vorstand mit einer großen Mehrheit im Rücken die schwierigen Aufgaben der nächsten drei Jahre und die intensive Umsetzung seiner Strategie „Matchplan“ angehen kann: „Dieses Wahlergebnis gibt uns die Wucht des Vereins mit, mit der wir in Zukunft auftreten können und auch müssen“, sagte Werner Wolf. Vize Sauren sieht gar rosige Zeiten auf den FC zukommen: „Wir werden den FC mit Philipp Türoff, Christian Keller und Markus Rejek als neuer Geschäftsführung so zukunftsträchtig aufstellen, wie noch nie zuvor.“
Zum Thema Nizza gab es in der Aussprache nur zwei Wortbeiträge: „Das verwundert mich. Ich hatte eine, komplett andere Diskussion erwartet. Womöglich hat unsere klare Haltung gegenüber den Gewalttaten viel zur Beruhigung beigetragen“, vermutete Wolf. Den Präsidenten wird dieses Thema aber nicht so schnell loslassen, genau wie die niedrige Teilnehmerzahl bei der Versammlung. „Ich bin enttäuscht. Es gab in der Vergangenheit schon diesen Zusammenhang, dass wenn es sportlich gut läuft, weniger Mitglieder kommen. Wir müssen die geringe Teilnahme auf Basis einer Analyse aber besser verstehen.“