Der Sprinter hatte sich bei der Leichtathletik-EM einen Fehlstart geleistet. Doch Joshua Hartmann möchte wieder angreifen.
LeichtathletikKölner Joshua Hartmann baut seine Sammlung skurriler Aussetzer aus
Joshua Hartmann machte gute Miene zum bösen Spiel. Nachdem der Sprinter des ASV Köln im Olympiastadion Rom den wohl schlimmsten Moment seiner Karriere erlebt hatte, verbarg er seine Enttäuschung hinter einer verblüffend sachlichen Analyse. „So etwas passiert. Eine echte Erklärung habe ich nicht“, kommentierte er seinen Fehlstart im 200-Meter-Finale um den EM-Titel. „Aber wie immer werde ich aufstehen und noch stärker zurückkommen.“
Sogar ein Lächeln umspielte seine Lippen, ehe er erklärte: „Ich habe alles riskiert und verloren. So ist das nun mal im Sport. Jetzt muss ich mit den Konsequenzen leben, aber es ärgert mich nicht.“
Jannik Engel gab indes einen unverblümten Einblick in seine Gefühlswelt. „Klar bin ich traurig“, sagte Hartmanns Heimtrainer. „Zumal Joshis letzter (und einziger, Anm. d. Red.) Fehlstart vier Jahre zurückliegt und der EM-Titel drin gewesen wäre.“ Hartmanns drittschnellste Zeit im Halbfinale (20,38 sec) hätte zur Silbermedaille gereicht. Letztlich setzte sich der Schweizer Timothé Mumenthaler (20,28) vor Filippo Tortu (Italien/20,41) und seinem Landsmann William Reais (20,47) durch.
Alles zum Thema Olympia
- VfL Gummersbach Mehr Neuigkeiten rund um den Handball-Bundesligisten
- Deutsche Eishockey Liga Kölner Haie verlieren Nationalspieler
- Hand mit Beil abgehackt Brutale Attacke im Vorortzug – Vier Teenager bei Angriff verletzt
- Aus dem Hintergrund in die erste Reihe Warum der Kölner Sänger Nico Gomez im Pyjama auf die Bühne geht
- Sportpsychologie Kleine Werkzeugkästen für junge Handballer schaffen
- Filmpremiere „13 Steps“ Edwin Moses zu Gast in Köln - Müngersdorf war sein Lieblings-Stadion
- Ehrung für Top-Athlet Max Rendschmidt trägt sich ins Goldene Buch von Niederkassel ein
Hartmanns Fauxpas reihte sich ein in die Serie teils skurriler Aussetzer. „Es bleibt eine wilde Berg- und Talfahrt mit ihm“, sagte Engel. „Aber eines muss man Joshi lassen: Er kommt immer zurück. Andere Athleten wären an solchen Rückschlägen längst zerbrochen.“ Bei der WM 2023 in Budapest (Ungarn) war für den Kölner im 200-Meter-Halbfinale Endstation gewesen, weil er im Gefühl des sicheren Weiterkommens auf den letzten Metern das Tempo rausnahm.
Diesmal sollte sich das ASV-Ass zwar just an seinem 25. Geburtstag für die Runde der letzten Acht qualifizieren, doch dann versagten ihm die Nerven: Schon vor dem Startschuss fiel auf, dass er beide Daumen auf der weißen Linie platzierte und nicht (wie vorgeschrieben) dahinter. „Eigentlich hätten ihn die Schiedsrichter darauf aufmerksam machen müssen“, so Engel. Ausschlaggebend für die rot-schwarze Karte war allerdings die Reaktionszeit (0,028 sec) unterhalb des Grenzwerts (0,1). Dass Hartmann regelrecht aus dem Startblock stolperte und beinahe stürzte, erklärte Engel so: „Joshi hat gemerkt, dass er viel zu früh dran ist. Daraufhin hat er die Bewegung abrupt abgebrochen.“
Joshua Hartmann wurde aus der 4x100-Meter-Staffel gestrichen
Kritik an der unkonventionellen Startposition – Hartmann kniete mit gebeugten Armen und tief gesenktem Kopf im Block, sodass seine Stirn beinahe die Tartanbahn berührte – wies er zurück: „Natürlich macht man sich damit angreifbar, weil es jedem Lehrbuch widerspricht. Aber Joshi startet schon seit Jahren so. Diese Methode ist genau auf ihn zugeschnitten und der Grund dafür, dass er mittlerweile so gut beschleunigt.“
Aus dem EM-Aufgebot der 4x100-Meter-Staffel war Hartmann kurzerhand gestrichen worden. Auslöser war ein Wechselfehler bei den „World Relays“ auf den Bahamas, an dem Hartmann an Position drei beteiligt war. Wieder mal. Erst ohne ihn sollte das Quartett die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris eintüten. Dort könnte der Kölner auch als Startläufer eingesetzt werden, doch die Panne in Rom diente nicht unbedingt als Bewerbungsschreiben.
Bundestrainer David Corell sitzt gewissermaßen in der Zwickmühle, denn Hartmann ist und bleibt der beste Sprinter hierzulande. Ein Sprinter, der vor zwei Jahren als erster Deutscher seit 1986 in ein EM-Finale über 200 Meter stürmte und Fünfter wurde. Ein Sprinter, der den nationalen 200-Meter-Rekord (20,02) hält und als erster Deutscher die 20-Sekunden-Marke unterbieten könnte. Aber eben auch ein Sprinter, dem immer mal wieder die Nerven versagen.
Trotzdem kann er fest mit einem Paris-Ticket planen, denn bislang ist er der einzige DLV-Athlet mit einer Direkt-Norm über 200 Meter. Auch die Chancen auf einen 100-Meter-Start stehen gut, dank des World-Rankings. Für Hartmann geht es bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig (28. bis 30. Juni) also in erster Linie ums Prestige – und darum wieder aufzustehen.