AboAbonnieren

Interview mit Philipp Kühn„Wir wollen den 1. FC Köln bestmöglich ärgern“

Lesezeit 6 Minuten
Philipp Kühn

Osnabrücks Torwart Philipp Kühn

Köln – Philipp Kühn kennt sich aus in Köln. In der Saison 2016/17 hütete er das Gehäuse des damaligen Regionalligisten FC Viktoria. Nun kehrt der Stammtorhüter des Zweitligisten VfL Osnabrück anlässlich des Zweitrundenspiels im DFB-Pokal am Dienstag (18.30 Uhr, Sky) beim 1. FC Köln in die Rheinmetropole zurück. Mit Tobias Carspecken sprach er über den ungewöhnlichen Verlauf seiner Karriere.

Herr Kühn, welche Gedanken sind Ihnen durch den Kopf gegangen, als der 1. FC Köln als Gegner aus dem Lostopf gefischt wurde?

Wir haben uns gefreut. Aus unserer Sicht ist es als unterklassiger Verein zwar sehr schade, dass wir nicht an der Bremer Brücke spielen. Aber es ist ein schönes Los.

Wie stehen die Chancen für Ihr Team?

Wir sind Außenseiter, ganz klar. Dennoch werden wir alles dafür tun, um den FC bestmöglich zu ärgern. Es ist Pokal und der hat eben seine eigenen Gesetze, auch wenn das abgedroschen klingen mag. Auch die Kölner haben eine englische Woche in den Knochen.

Wie könnte die Überraschung gelingen?

Ziel sollte es erstmal sein, so lange wie möglich die Null zu halten und zum Beispiel über unsere Konterstärke ein Tor zu erzielen. Vielleicht wird der FC dann irgendwann ungeduldig.

Zur Person

Philipp Kühn (28) steht seit der Saison 2018/19 beim VfL Osnabrück unter Vertrag. Seine vorherigen Stationen im Herrenbereich waren der SV Drochtersen/Assel, der FC Viktoria Köln, der SV Sandhausen, RW Oberhausen und RW Ahlen. Als größte sportliche Erfolge stehen die Zweitliga-Aufstiege mit Osnabrück (2019) und Sandhausen (2012) in seiner Vita. Mit der Viktoria gewann der gebürtige Beckumer 2017 den Meistertitel der Regionalliga West, verpasste aber in der folgenden Aufstiegs-Relegation gegen den FC Carl Zeiss Jena den Sprung in die 3. Liga. Kühns Vertrag in Osnabrück läuft nach dieser Spielzeit aus. (cto)

Nach Abstiegskampf in der vergangenen Saison mischt Osnabrück in dieser Spielzeit bislang in der oberen Tabellenhälfte mit. Wie ist die Entwicklung zu erklären?

Wir haben trotz einiger Abgänge im Sommer die Qualität im Kader halten, wenn nicht sogar steigern können. Das ist den Verantwortlichen gut gelungen. Außerdem sind wir schnell wieder zu einem Team zusammengewachsen. Wir sind ein eingeschworener Haufen. Es ist ganz schwer, gegen den VfL zu gewinnen. Wir haben zwar nicht die besten Einzelspieler der Zweiten Liga, sind aber als Kollektiv eine der stärksten Mannschaften. Das alles ist keine Selbstverständlichkeit, wenn man bedenkt, welch großen Umbruch wir zu bewältigen hatten.

Der VfL hat im Sommer Trainer Daniel Thioune an den Hamburger SV verloren. Für ihn übernahm Marco Grote, der zuvor im Nachwuchs von Werder Bremen gearbeitet hat. Wie ist der Übergang gelungen?

Wir haben die Philosophie unseres neuen Trainers gut angenommen. Im ersten Jahr nach dem Aufstieg mussten wir uns noch an die Zweite Liga gewöhnen. Jetzt sind wir selbstbewusst genug, um verstärkt fußballerische Lösungen zu finden.

Was ist in dieser Saison möglich?

Es ist wichtig, dass wir frühzeitig ein Polster aufbauen und gar nicht erst in die gefährliche Zone kommen. Wenn man von 40 Punkten als magische Grenze für den Klassenerhalt ausgeht, haben wir die Hälfte der Zähler fast schon erreicht. Diesen Trend gilt es fortzusetzen.

Köln kennen Sie gut aus der Saison 2016/17 beim FC Viktoria. Hing Ihnen die verlorene Aufstiegs-Relegation zur 3. Liga gegen den FC Carl Zeiss Jena noch lange nach?

Wir haben die gesamte Saison überragenden Fußball gespielt, wurden Meister der Regionalliga West und sind dann wegen eines Auswärtstores nicht aufgestiegen. Das war unglaublich bitter und musste erstmal von allen Beteiligten, inklusive mir, verarbeitet werden.

Sie wurden für das Relegations-Rückspiel aus dem Kader gestrichen. Haben Sie sich ungerecht behandelt gefühlt?

Das hat an mir genagt. Hätten wir den Aufstieg geschafft, wäre es leichter zu verarbeiten gewesen. So aber war es für mich noch einmal härter. Die Wege haben sich danach getrennt. Ich habe meinen Vertrag auflösen lassen, weil ich mir eine neue Herausforderung suchen wollte.

Das könnte Sie auch interessieren:

Ihre Karriere stand dann am Scheideweg. Sie gingen zum Nord-Regionalligisten SV Drochtersen/Assel, der im Gegensatz zu Ihren vorherigen Stationen unter Amateurbedingungen arbeitete. Wie schwer ist Ihnen die Umstellung gefallen?

Eines vorweg: Alle Leute im Verein, vom Spieler bis zum Vorstand, waren top in Ordnung. Dennoch war die Umstellung nach sieben Jahren Profifußball schwierig für mich. Vieles war anders: Ich hatte auf einmal erst abends und nur einmal täglich Training, wir haben oft auf Kunstrasen trainiert, fast alle Spieler hatten ihre festen Jobs neben dem Fußball. Hinzu kam, dass ich weit weg war von Familie und Freunden.

Gab es zu der Zeit Überlegungen, die professionelle Karriere zu beenden?

Ich habe mir ein paar Mal die Fragen gestellt: Schaffst du es nochmal zurück in den Profifußball? Oder hörst du jetzt auf und machst etwas anderes? Schlussendlich habe ich mir gesagt: Du schaffst das nochmal, musst aber brutal dafür arbeiten und Extraschichten schieben. Das habe ich getan und plötzlich war die Tür in Osnabrück nach einem erfolgreichen Pokalspiel gegen den VfL offen. Da wusste ich: Das ist meine Chance zurück in den bezahlten Fußball.

In Osnabrück waren Sie im ersten Jahr Ersatztorhüter, ehe sich Nils Körber nach dem Zweitliga-Aufstieg verletzte. Leben Sie seither als Nummer eins Ihren Traum?

Es ist schon verrückt: Vor zweieinhalb Jahren habe ich – bei aller Wertschätzung für diese Vereine – in der Regionalliga Nord gegen Jeddeloh und Havelse gespielt. Jetzt spiele ich in Hamburg und Hannover. Das ist ein schöner Traum, den ich mir nach vielen Rückschlägen hart erarbeitet habe – und den ich sehr genieße. Weil ich weiß, wie schwer es war, dorthin zu kommen. Und auch, wie tief man fallen kann.

Müssen Sie sich manchmal selbst kneifen?

Kneifen vielleicht nicht, weil ich es ja alles live miterlebt habe. Vielleicht ein wenig schmunzeln, weil es schon stark auf und ab ging. Das war wie eine Achterbahnfahrt. Unterm Strich habe ich lange auf meine echte Bewährungschance im Profifußball gewartet. Als sie da war, habe ich sie genutzt, indem ich Woche für Woche konstante Leistungen gebracht habe.

Ihr Vertrag in Osnabrück endet nach dieser Saison. Wie sehen Ihre Vorstellungen aus?

In Osnabrück habe ich im Profifußball richtig Fuß gefasst. Ich bin den Verantwortlichen dafür sehr dankbar und fühle mich wohl. Daher ist der VfL mein erster Ansprechpartner.

Kann es für Sie noch höher gehen?

Mein Traum ist, es irgendwann in die Erste Bundesliga zu schaffen. Es sollte von jedem Profifußballer das Ziel sein, so hoch wie möglich zu spielen. Dafür trainiere ich täglich. Mit meinen 28 Jahren komme ich in das beste Torwartalter.