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Interview mit Ex-FC-Coach Peter Stöger„Wir sind ein unangenehmer Außenseiter“

Lesezeit 7 Minuten
Peter Stöger

Ausgeschieden: Peter Stöger nach der entscheidenden Niederlage mit Ferencvaros gegen Young Boys Bern.

  1. Peter Stöger (55) ist in Budapest zu Fuß unterwegs, als er den Anruf von Martin Sauerborn entgegen nimmt.
  2. Während der Ex-Coach des ​1. FC Köln durch die ungarische Hauptstadt läuft, redet er über seinen neuen Club Ferencvaros und den ersten Europa League-Gegner Bayer 04 Leverkusen.

Herr Stöger, Sie sind seit 1. Juli Trainer bei Ferencvaros. Wie gefällt Ihnen Budapest?

Es ist eine sehr schöne Stadt. Vieles erinnert mich an meine Heimatstadt Wien. Die Bauwerke, die Kaffeehäuser und der große Fluss in der Stadt wie in Köln. Es lässt sich hier gut leben.

Sie pendeln demnach nicht von Wien nach Budapest, sondern sind umgezogen?

Ja, seit ich hier bin hatten wir alle drei Tage ein Spiel. Die Champions League-Quali hat ja schon am 6. Juli mit der ersten Runde gegen Pristina begonnen. Ich bin eher selten in Wien, obwohl es mit dem Auto nur zweieinhalb Stunden sind. Meine Frau Uli kommt aber regelmäßig aus Wien hierher.

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Zur Person

Peter Stöger ist am 11. April 1966 in Wien geboren. Zwischen 1986 und 2002 spielte er in der österreichischen Bundesliga (dabei 235 Mal für Austria Wien) und sammelte 65 Länderspiele. 2005 begann Stöger seine Trainerkarriere bei der Austria. 2013 wechselte er zum 1. FC Köln und führte den Club 2017 in den Europapokal. Eine Woche nach seinem Abgang beim FC wurde er am 10. Dezember 2017 Rückrunden-Trainer bei Borussia Dortmund. Nach einem Jahr Pause ging Stöger 2019 als Vorstand Sport zurück zur Austria, wo er 2020 auch das Traineramt übernahm. Seit Juli ist er Coach von Ferencvaros . (sam)

Tradition und Erfolge: Ferencvaros

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Meistertitel, 23 Pokalsiege und der Gewinn des Messe-Cups (heute Europa League) 1965. Ferencvaros Budapest ist der erfolgreichste Club in der ungarischen Fußball-Historie. 1899 gegründet, vereinen die Grün-Weißen Tradition und Erfolge und sind trotz zahlreicher Skandale der beliebteste Club Ungarns. Nachdem sich Ferencvaraos in der Saison 2020/21 zum zweiten Mal für die Champions League qualifizieren konnte, scheiterte der Meister diese Saison in der Qualifikation nach Erfolgen gegen Pristina, Vilnius und Slavia Prag in den Playoffs mit 2:3 und 2:3 an den Youngs Boys Bern. Also der Mannschaft, die der neue Leverkusener Coach Gerardo Seoane in der vergangenen Saison noch trainiert hat. (sam)

Wieso haben Sie sich für Ferencvaros entschieden?

Es gab schon mal Kontakt nach meiner Zeit in Dortmund. Da war aber für mich klar, dass ich erst einmal nichts mache. Der Kontakt ist dann im März dieses Jahres wieder aufgelebt. Der ukrainische Trainer Serhij Rebrow hatte zwar noch Vertrag, wollte sich aber verändern. Da hat mich Ferencvaros gefragt, ob ich interessiert wäre, wenn Rebrow tatsächlich geht und ich habe angefangen, mich näher mit dem Club zu beschäftigen.

Warum haben Sie sich dann für den Job entschieden?

Ich wollte nach meinen beiden Jahren als Sportvorstand bei Austria Wien auf jeden Fall wieder nur als Trainer arbeiten und hatte mehrere Möglichkeiten. Ferencvaros fand ich von Anfang an sehr spannend als Club mit großer Tradition, der vergangenes Jahr in der Champions League unterwegs war, in Ungarn omnipräsent ist und eine tolle Fanbase hat. Ich kann hier Titel gewinnen und europäisch spielen. Letztendlich ging es bei meiner Entscheidung auch darum, welches Gefühl die Menschen mir geben, mit denen ich es hier im Club zu tun habe.

Offensichtlich ein Gutes?

Es war keines dieser Bewerbungsgespräche, die ein Trainer mittlerweile überall führen muss. Die Verantwortlichen haben viel über mich gewusst. Es war eher so, dass sie mir erklärt haben, warum sie mich haben wollen. Die Wertschätzung hat mich sehr gefreut. Die Restverhandlungen gingen schnell. So ist das immer, wenn ich etwas unbedingt machen möchte.

Sie hatten zur gleichen Zeit auch Gespräche mit dem 1. FC Köln. Warum ist nichts aus einer Rückkehr von Peter Stöger ans Geißbockheim geworden?

Es gab nur ein Gespräch mit Alexander Wehrle und Horst Heldt. Der Grund war, dass ich lange in Köln war und wir alle das Gefühl hatten, man sollte deshalb dieses Gespräch führen, weil es einfach dazu gehört. Das war auch mein Zugang, sich das anzuhören. In unserer Dreierkonferenz war relativ schnell klar, dass wir uns untereinander wertschätzen, es aber stimmig ist, es nicht zu machen und nicht weiter darüber nachzudenken. Auch, weil ich mich eigentlich schon für Ferencvaros entscheiden hatte.

Welche Bedingungen haben Sie in Budapest vorgefunden?

Ferencvaros ist ein Club, der sich entwickeln möchte. Das war auch ein Grund, mich zu holen. Der Club will mein Know-how nutzen, das ich aus der Bundesliga mitbringe.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel die Entwicklung eines modernen Trainingszentrums, wobei ich in dieser Hinsicht aus Köln nicht zwingend etwas mitnehmen konnte. (lacht) Dann schon eher aus Dortmund.

Der Ex-Nürnberger Bundesliga-Profi Robert Mak spielt in ihrem Team. Wie setzt sich der Kader sonst zusammen?

Mit Spielern aus aller Herren Länder. Die meisten sind hier, weil sie den nächsten Schritt machen können. Das ist ja auch das Spannende an unserer Europa League Gruppe mit Leverkusen, Betis Sevilla und Celtic Glasgow. In diesen Spielen können sich unsere Spieler ins europäische Schaufenster stellen und Ferencvaros sich als Club präsentieren und auf sich aufmerksam machen. Wobei es in dieser Gruppe verdammt schwer werden wird, positive Schlagzeilen zu produzieren.

Wie sehen Sie die Chancen von Ferencvaros?

Es wird schwer, zwei oder drei Teams hinter uns zu lassen. Wir sind ein unangenehmer Außenseiter, der vor allem in seinen Heimspielen mit der tollen Unterstützung der Fans zu einigem fähig sein kann.

Ist Leverkusen auch für Sie der Favorit in dieser Gruppe?

Ja. Leverkusen hat seit zehn Jahren Teams, bei denen man immer denkt, heuer sind sie ganz vorne mit dabei. Sie haben immer fußballerische und läuferische Qualität, Schnelligkeit, einen guten Torhüter und immer einen Knipser. Alles, was eine gute Mannschaft braucht und das Saison für Saison.

Es hat für den Werksclub aber noch nie für ganz vorne gereicht. Was fehlt Bayer 04?

Es fehlt etwas, aber ich kann nicht sagen, was es ist. Jetzt hat Leverkusen auf jeden Fall einen guten Trainer. Wir haben in den Playoffs ja gegen Young Boys Bern gespielt, wo Gerardo Seoane vergangenen Saison noch Coach war. Aus den Spielen habe ich mitgenommen, das für uns bei den beiden 2:3-Niederlagen mehr möglich gewesen wäre und das es höchste Wertschätzung für Gerardo als Trainer und als Persönlichkeit gibt.

Sie haben gute Erinnerungen an die BayArena. Mit dem FC haben Sie das Derby 2015 durch zwei Tore von Dominic Maroh 2:1 gewonnen und ein Jahr später 2:2 gespielt.

Das haben sie mir hier in Budapest auch sofort zugerufen. Der Stöger hat mit Köln in Leverkusen gewonnen und gegen Arsene Wengers Arsenal London. Dann kann er das auch mit Ferencvaros. Jetzt habe ich den Druck.

Sie haben den FC sicher noch im Blick. Wie gefällt Ihnen ihr Ex-Club unter dem neuen Trainer Steffen Baumgart?

Ich finde den Fußball cool, erfrischend und unterhaltsam. Ich freue mich für Steffen Baumgart, weil er gut begonnen hat und nicht dauernd jedem immer erklären muss, was er die nächsten Wochen besser machen wird. Das ist ja so in Köln, ich spreche da aus Erfahrung. Es macht im Moment Spaß, den FC spielen zu sehen.

Sagen Sie mal als Kenner des Vereins: Liegt das nur am neuen Trainer?

Das kann ich nicht sagen. Meine Einschätzung ist die eines Fußballfans, der die FC-Spiele im Fernsehen schaut.

Sie haben aber doch noch Kontakt nach Köln und zum FC, oder?

Ja, privat ist der Zeit etwas hängen geblieben. Ich bin aber eigentlich nicht mehr in Köln.

Haben Sie um das Spiel in Leverkusen am Donnerstag herum Zeit für einen Abstecher in die alte Heimat?

Das glaube ich nicht. Es gibt ja keine Zeit. Wir reisen Mittwoch an und sollen so wenig Kontakt wie möglich haben. Donnerstag nach dem Spiel geht es sofort zurück. Am Wochenende spielen wir dann schon wieder im ungarischen Pokal. Es schaut also eher nicht nach einem großen familiären FC-Treffen aus.