Köln – Die Lanxess Arena ist ein besonderer Ort für Filip Jicha. Sie ist der Ort, an dem der Tscheche am 29. Dezember 2020 Sportgeschichte schrieb. Durch einen 33:28-Erfolg über den FC Barcelona war Jicha etwas gelungen, was noch keiner vor ihm geschafft hatte.
Jicha hatte als erster Handballer überhaupt sowohl als Spieler als auch als Trainer beim Finalturnier in Köln die Champions League gewonnen. Es war die historische Krönung seiner noch jungen Trainerkarriere, die an diesem Wochenende einen weiteren Meilenstein erreichen könnte.
Anderthalb Jahre nach dem vierten Königsklassen-Titel für den THW Kiel unternimmt der deutsche Rekordmeister beim Final Four im Deutzer „Henkelmännchen“ einen weiteren Anlauf auf den europäischen Handball-Thron. Anders als beim bislang letzten Kieler Triumph, bei dem die Feierlichkeiten in der riesigen Lanxess Arena in aller Stille vonstattengingen, werden die Ränge erstmals seit 2019 wieder voll besetzt sein.
Schwerer Gegner mit Titelverteiger Barcelona im Halbfinale
Doch diesmal könnte die Aufgabe für den THW Kiel schwerer kaum sein. Der Tabellenzweite der abgelaufenen Bundesliga-Saison bekommt es im Halbfinale am Samstag (18 Uhr, DAZN) mit Rekordsieger und Titelverteidiger Barcelona zu tun, der erneut als großer Favorit nach Köln reist. Zusätzlich erschwert wird das Unterfangen durch den Ausfall zweier Leistungsträger, die kaum zu ersetzen sind. Kreisläufer und Abwehrchef Hendrik Pekeler (30) hat vor einem Monat im Viertelfinal-Rückspiel gegen Paris St. Germain einen Achillessehnenriss erlitten, der ihn vermutlich die gesamte zweite Jahreshälfte außer Gefecht setzen wird. Noch frischer ist das Drama um den Weltklasse-Rückraumspieler Sander Sagosen (26). Der Norweger brach sich vor zwei Wochen im Ligaspiel gegen den HSV Hamburg das Sprunggelenk. Beim THW rechnet man mit einer Ausfallzeit zwischen sechs und acht Monaten.
Jicha „Haben nichts zu verlieren"
„Das macht uns auch ein wenig unberechenbar. Ihren Ausfall kannst du nicht über vier, fünf Monate kompensieren. Aber an einem Wochenende geht das. Wir haben definitiv nichts zu verlieren“, gab sich Filip Jicha am Freitag trotzig. Der 40-Jährige ist im Duell mit seinem Ex-Club mehr denn je als Taktikfuchs gefragt.
„In diesem Jahr bin ich sehr darauf fokussiert, das Unmögliche möglich zu machen, denn wir sind definitiv nicht der Favorit. Es ist mein großer Traum, am Sonntag im Finale zu stehen“, erklärte Jicha, der dafür bekannt, seine Spieler glänzend einzustellen. „Ich hoffe, dass ich einige gute Ideen habe, wie wir Barcelona schlagen können“, sagte der Tscheche und gab als Marschroute vor: „Wir dürfen Barca nicht ins Rollen kommen lassen.“
Beeindruckende Titelsammlung des Trainers
Allein ein Blick auf seine Titelsammlung als Trainer verdeutlicht die außergewöhnlichen Qualitäten, über die der Welthandballer von 2010 auch als Dirigent an der Seitenlinie verfügt. Jicha, der schon zu aktiven Zeiten beim THW zwischen 2007 und 2015 zum Anführer avancierte, hat in seinen ersten drei Kieler Cheftrainer-Jahren zweimal die Meisterschaft geholt. Und er ist nach „Noka“ Serdarusic (2007) und Alfred Gislason (2010, 2012) der dritte Coach, der den THW zum Königsklassen-Titel geführt hat. Damit befindet sich Filip Jicha auf bestem Wege, an der Ostsee eine Ära zu prägen, wie es einst dem heutigen Bundestrainer Alfred Gislason gelungen ist. Das frühere Rückraum-Ass durchlief nach dem Ende seiner Spieler-Laufbahn zunächst ein Lehrjahr unter Altmeister Gislason, ehe Jicha beim THW zur Saison 2019/20 das Cheftraineramt übertragen bekam – und das Vertrauen prompt zurückzahlte.
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Inzwischen zieren sagenhafte 29 Titel als Spieler und Trainer seine Vita. Nun steht seine siebte Final Four-Teilnahme an. „Wir sind nicht der Favorit, aber wir stecken den Kopf nicht in den Sand“, sagte „Mr. Final Four“. Worte, die für die Konkurrenz fast wie eine Drohung klingen. (tc)