Köln – Am Ende einer langen Saison verteilte Filip Jicha noch einmal ein Lob. „Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft. Sie hat gekämpft wie Löwen“, sagte der Trainer des THW Kiel. Doch die Überraschung war ausgeblieben. Die letztlich verdiente 30:34 (18:19)-Niederlage am Samstag im Halbfinale des Final Four in Köln hatte den Traum der Norddeutschen vom fünften Titel in der Handball-Champions League platzen lassen. Einen Tag später folgte ein kleiner Trost: Mit einem 37:35 (34:34, 14:18)-Sieg nach Siebenmeterwerfen gegen das ungarische Topteam Telekom Veszprém sicherte sich der THW zumindest noch den dritten Rang.
Filip Jicha hatte das vorzeitige Aus wie ein großer Sportsmann hingenommen. „Du kannst nicht jedes Spiel gewinnen“, erklärte der Tscheche, der in seiner fantastischen Karriere schon so viele Triumphe gefeiert hat. Titel Nummer 30 als Spieler und Trainer muss aber vorerst warten. Für den Bundesliga-Vizemeister bleibt es in der Saison 2021/22 damit bei einem Titel, dem Gewinn des deutschen Vereinspokals.
Der Grund dafür lag auf der Hand. Die Hypothek, mit der der deutsche Rekordmeister nach Köln gereist war, stellte sich schlussendlich als zu groß heraus. Das Fehlen der Schlüsselspieler Hendrik Pekeler und Sander Sagosen war im Halbfinale nicht zu kompensieren. Zumindest nicht über die gesamte Länge der Partie, in der der THW in einer mitreißenden ersten Halbzeit noch auf Augenhöhe mit dem Königsklassen-Rekordsieger agiert hatte.
Halbfinale: Kiel unterlegen
Nach dem Seitenwechsel machte sich das Fehlen von Abwehrchef Pekeler und Rückraum-Star Sagosen jedoch zunehmend bemerkbar. In der Deckung fehlte die Kompaktheit, was auch damit zusammenhing, dass im Innenblock in Abwesenheit von Organisator Pekeler umgestellt werden musste. Erschwerend kam hinzu, dass Niklas Landin, eigentlich eine Bank zwischen den Pfosten, ausgerechnet im größten Spiel der Saison weit unter Normalform agierte und mit nur sechs Paraden das Torwartduell gegen Gonzalo Perez de Vargas klar verlor.
Vorne kamen die Anspiele auf den im ersten Durchgang noch sechs Mal erfolgreichen Kreisläufer Patrick Wiencek nicht mehr durch. Es fehlte an Struktur, die leichten Fehler mehrten sich. Trümpfe wie der ungewohnt schwache Rechtsaußen Niclas Ekberg stachen nicht. „Wenn du gegen Barca gewinnen willst, musst du eine perfekte Leistung zeigen. Das ist uns nicht gelungen“, resümierte Filip Jicha, dessen Team zu Beginn der zweiten Halbzeit erstmals mit drei Toren in Rückstand geraten war – und keinen Weg zurück fand.
Kiel gewann die Champions League bereits vier Mal
„Ich will keine Ausreden suchen, aber natürlich haben sie uns gefehlt“, vermisste Domagoj Duvnjak die schwer verletzten Leistungsträger Pekeler und Sagosen, die dem THW noch viele Monate fehlen werden. Der Kapitän sprach das aus, was die Mehrheit der 19 250 Zuschauer im Hexenkessel Lanxess Arena im Moment des Kieler Scheiterns fühlte: „Wir sind traurig.“ Der fünfte Triumph in der Champions League nach 2007, 2010, 2012 und 2020 ist daher ein Ziel für die Zukunft, bei dem die Norddeutschen allerdings einen Generationswechsel werden stemmen müssen. Sander Sagosen und Niklas Landin werden den Club im Sommer 2023 verlassen.
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Immerhin nahm das Finalturnier ein versöhnliches Ende für den THW, der den Worten seines Trainers nach dem Halbfinal-Aus („Wir werden wieder aufstehen und alles reinhauen“) Taten folgen ließ. Gegen Veszprém kämpften sich die Zebras nach einem 23:27-Rückstand (43.) mit großer Moral noch ins Siebenmeterschießen, wo der wiedererstarkte Niklas Landin gleich drei Mal nicht zu bezwingen war. Und als Filip Jicha die bronzene Medaille umgehängt bekam, war das Lächeln zurück auf den Lippen des Kieler Trainers, der keine 24 Stunden zuvor noch untröstlich schien. „Wir können zufrieden sein“, befand Domagoj Duvnjak.