Toni Kroos hat die Fußball-Bühne verlassen. Mit ihm geht ein ganz Großer des deutschen Fußballs.
Abschied von Toni KroosKinder sollten lernen zu spielen wie er
Wenn die Fans des Gegners einem Spieler von der anderen Seite applaudieren und alle Akteure auf dem Feld sich bei einem verabschieden, ihm gratulieren und Trost spenden, dann weiß jeder: Da geht ein ganz Großer. Toni Kroos beendet seine Fußballkarriere. Der erfolgreichste – und beste – deutsche Fußballer dieses Jahrtausends verlässt die Bühne.
Mit 34 Jahren ist Schluss. Kroos wollte zu einem Zeitpunkt aufhören, zu dem er sportlich noch mithalten kann. Ein Satz, der einer Untertreibung gleichkommt. Kroos dominierte das Spiel der deutschen Nationalmannschaft in diesem Turnier genauso wie er es bei Real Madrid bis zuletzt tat.
Sechs Champions League-Titel, 114 Länderspiele
Vor wenigen Wochen noch feierte er seinen sechsten Champions-League-Sieg, fünf mit den Spaniern, einen mit dem FC Bayern. 306 Spiele machte er für den größten Verein der Welt – Kroos ist in Madrid längst eine Legende. Ein Status, der dem 114-fachen Nationalspieler und Weltmeister von 2014 in Deutschland auch zuteilwerden sollte.
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Lange aber haderte sein Heimatland mit dem Mittelfeldspieler. Zu langsam, zu ruhig, zu fein sei er für das „typisch deutsche“ harte Spiel im defensiven Mittelfeld. All das ist gar nicht falsch, aber eben nur die halbe, populistische Wahrheit. Kein Wunder deshalb, dass die Bayern ihn 2014 zu Real ziehen ließen – und er dort erst so richtig groß wurde.
Kroos ist kein Zweikämpfer, kein Dauerläufer, kein Leichtathlet auf dem Fußballplatz, wie ihn die neue deutsche Fußballschule gerne sieht. Nach modernen Trainings-wissenschaftlichen Maßstäben, nach physischen Parametern würde er heutzutage vermutlich aus einem Nachwuchsleistungszentrum fliegen, weil das Tempo fehlt oder er den x-ten Lauf nicht mehr in Geschwindigkeit y schafft.
„Querpasstoni“ ist eine Beleidigung
Was für eine Verschwendung das gewesen wäre! Stattdessen sollten Kinder lernen, so zu spielen wie Kroos. Denn der gebürtige Greifswalder, der – und das wirkt heute völlig wahnwitzig – bei Bayern und bei seiner Leihe in Leverkusen als Supertalent erstmal auf dem linken Flügel geparkt wurde, ist in anderen Disziplinen des Spiels unantastbar.
„Querpasstoni“ hieß er in Deutschland lange, was angesichts seiner wahren Qualitäten eine echte Beleidigung ist. Ja, Kroos spielte viele Querpässe - aber sie dienten stets dem Spiel. Knapp 38.000 Pässe, das will ein NDR-Datenprojekt analysiert haben, spielte er seit 2014 auf Fußballplätzen. Mehr als 35.000, ein Großteil davon nach vorne, kamen an.
Nach Passquoten jenseits der 90 Prozent streben andere – für ihn sind sie Normalität. Kroos ist der wohl technisch beste, intelligenteste Spieler, den Deutschland jemals hatte. Ruhig in jeder Lage, cool bei jedem Spielstand - weil er wusste, dass einer seiner Pässe alles wieder verändern kann. Wer muss da schon jeden Zweikampf gewinnen?
Ein Symbol des Sich-Wehrens
Im letzten Spiel seiner Karriere gegen Spanien übrigens zeigte Kroos auch viel von dem, was die Deutschen an ihm lange vermissten. Zu Beginn trat er die Supertalente Pedri und Yamal um. Das kann man als schwaches Abwehrverhalten werten, hierzulande gilt sowas aber ja eher als Symbol des Sich-Wehrens. Und das tat Kroos – auch gegen die Krämpfe in der Verlängerung. Er zog durch.
Es sagt einiges über Fußball-Deutschland aus, dass so jemand im Ausland lange größere Anerkennung erfuhr, als daheim. Als er 2021 seine DFB-Karriere beendete, weinten ihm die wenigsten eine Träne nach. Das Bewusstsein, dass man einen der größten deutschen Spieler aller Zeiten verlor, war nicht da. Es kam erst, als man merkte, was einem fehlte: 2024 entschloss er sich – oder wurde er überredet? – die Heim-EM mitzunehmen. Es entwickelte sich während des Turnieres ein „Toni“-Hype mit Sprechchören in den Stadien.
Weil die Leute endlich sahen, wie wichtig dieser Spieler ist, wie gut er seiner Mannschaft tut – und wie groß der Respekt der Gegner vor ihm ist. Nun ist seine Karriere zu Ende. Bei Instagram beendete er seinen Post zum Karriereende (auf Englisch) mit: „Danke, Fußball! Du schönes Spiel. Und... Gern geschehen! Ende der Durchsage.“ Der EM-Titel, eigentlich der Letzte, der ihm fehlt, blieb ihm verwehrt. Das ist kein Grund zur Trauer. Kroos sollte stolz sein auf das Erreichte – genauso wie Fußball-Deutschland auf diesen Spieler.