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Fragen und AntwortenKölner Landgericht rügt permanente Videoüberwachung von FC-Fans

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Bei einem Böllerwurf waren 2019 mehrere Menschen verletzt worden, Kameras hatten den Täter identifiziert.

Köln – Die permanente Videoüberwachung von Fanblöcken in Fußballstadien ist nach Ansicht des Kölner Landgerichts rechtswidrig. Denn hiermit wird nach Auffassung der siebten Kleinen Strafkammer gegen die Persönlichkeitsrechte der Fans verstoßen. Die Entscheidung könnte weitreichende Folgen für die Einsätze der Polizei in Fußballstadien haben. Die Antworten zu den wichtigsten Fragen:

Was war Anlass der Gerichtsentscheidung?

Beim Spiel der Amateure des 1. FC Köln gegen Rot-Weiß Oberhausen im August 2016 hatten Fans im Franz-Kremer-Stadion lautstark Schmähgesänge gegen die Polizei angestimmt und sich anschließend in einem Verfahren wegen Beleidigung verantworten müssen. Vor dem Amtsgericht erfolgte dann ein Freispruch für die Fans, denn die Richter werteten den Sprechgesang „All Cops are Bastards“ als teilweise von der Meinungsfreiheit gedeckt. Gegen das Urteil des Amtsgerichts hatte die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt und nun eine Niederlage kassiert.

Denn das Landgericht entschied, dass die Verwertung der Bilder, auf der die angebliche Beleidigung zu sehen und zu hören ist, dem Beweisverwertungsverbot unterliegt. Zu den Kamerabildern äußerte das Gericht: „Auf den Aufnahmen sieht und hört man eine große Gruppe meist halb nackter, teilweise etwas schwabbeliger junger Männer die trommeln, brüllen und grölen. Das sind, je nach persönlicher Sichtweise, Geschmacklosigkeiten oder Besonderheiten gemeinsamer Freizeitgestaltung, in keinem Fall aber Straftaten.“ Die Bilder hatte ein Beweissicherungstrupp aufgenommen.

Bedeutet dies das Aus für die Kameraüberwachung?

Die Entscheidung bezieht sich auf einen Einzelfall, der von anderen Gerichten auch anders hätte bewertet werden können. Allerdings könnte die Sichtweise der Richter auch als Vorlage für ähnliche Fälle dienen, falls die Polizei weiter in den Stadien permanent Kameraüberwachung einsetzt. Dafür müssten Fans aber erneut gegen die Videoüberwachung klagen.

Wie reagiert die Fanszene des 1. FC Köln?

Die Gerichtsentscheidung wird bei vielen Fans wohlwollend zur Kenntnis genommen. Doch der Glaube an Veränderungen fehlt. „Als Teil der aktiven Fanszene begrüße ich das Urteil. Doch der Umgang mit ähnlich gelagerter Entscheidungen führt zu großer Skepsis bei den Fans“, sagt Thomas Reinscheidt, Chef des Fanportals „effzeh.com“. Dabei denkt er an die Datenbank „Straftäter Sport“, in der die Polizeibehörden potenzieller Hooligans sammeln.

Welche Konsequenzen zieht die Polizei?

Eine grundlegende Abkehr von der Videoüberwachung ist nicht vorgesehen. Mit dem Urteil habe das Gericht „einen Einzelfall“ bewertet, so Polizeisprecher Ralf Remmert. Die Videoanlage im Rheinenergie-Stadion sei Eigentum des Stadionbetreibers, der Kölner Sportstätten GmbH, Nutzer ist der 1. FC Köln. „Mit Erwerb einer Eintrittskarte zum Stadion erkennt der Besucher in den ,Allgemeinen Geschäftsbedingungen’ die Regelung der Kölner Stadionordnung an. Aus der Stadionordnung ergibt sich auch, dass zur Sicherheit der Besucher das Stadion und das Umfeld des Stadions mit einem Radius von maximal 500 Metern audio- und videoüberwacht werden darf“, so die Polizei.

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Das Polizeigesetzt erlaube das Erhebung personenbezogener Daten bei öffentlichen Veranstaltungen, sofern diese nicht dem Versammlungsgesetzt unterliegen. Im aktuellen Fall hatte das Gericht der Polizei einen „vorsätzlichen, jedenfalls aber grob fahrlässigen“ Verstoß gegen das Polizeirecht attestiert.

Wie nutzt die Polizei die Videoüberwachung?

In ihrer Stadionzentrale wertet die Polizei permanent die Kamerabilder aus den Fanblöcken aus. Im März 2018 erkannten die Ermittler auf den Bildern große Mengen Pyrotechnik im Leverkusener Fanblock. Daraufhin war Einsatzleiter Volker Lange zu Gesprächen in den Block gezogen und hatte den Fans die Absage des Spiels angedroht, falls die Böller gezündet werden.

Die Ansage zeigte Wirkung. Im September 2019 war schließlich beim Spiel zwischen dem FC und Borussia Mönchengladbach durch Kameras ein Böllerwerfer identifiziert worden. Nur Minuten später war der Mann festgehalten worden. Ende 2020 folgte die Verurteilung wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion zu drei Jahren Haft.