Székesfehérvár – Der Blick von Steffen Baumgart ging ins Leere. Der Trainer des 1. FC Köln war einfach nur erschöpft von all der Anspannung und den Emotionen dieses ungarischen Abends am 25. August 2022. Der 3:0 (1:0)-Erfolg im Playoff-Rückspiel der Conference League bei Fehérvár FC und der damit verbundene Einzug in die Gruppenphase hatte Baumgart und seinem Team körperlich und mental alles abverlangt.
„Wir haben jetzt einen Moment, den wir einfach mal genießen sollten. Morgen wird uns erst bewusst werden, was wir erreicht haben. Für den ganzen Verein“, erklärte der 50-Jährige und verabschiedete sich „innerlich schmunzelnd“ in die Kabine: „Da werde ich gleich richtig runterfahren und ruhig da sitzen.“
Ein Moment zum Genießen
Momente zuvor war Baumgart noch in wilder Ekstase unterwegs gewesen, hatte mit seinem Trainerteam in der Mol Aréna Sóstó vor der roten Wand mit den 3000 FC-Fans ausgelassen getanzt und sich aus dem Kölner Block eine FC-Fahne geholt. Der unfassbare Druck, der auf dem 50-Jährigen und seiner Mannschaft vor diesem Spiel gelastet hatte, war abgefallen. Alles war positiv. „Man redet von Stolz. Wir haben das weitergeführt, was wir in der vergangenen Saison begonnen haben. Die Jungs haben alles rausgehauen“, kommentierte der angefasste Trainer den Erfolg. Er hatte es seinen Spielern gleich getan. Selten hat zuvor man den ohnehin hochemotionalen Baumgart so erlebt. Sein rotes Shirt war komplett durchgeschwitzt, die Stimme angegriffen.
Seine ganze Anspannung hatte sich in der hektischen Schlussphase entladen, als der Einzug in die Gruppenphase beim Stand von 2:0 nach Toren von Timo Hübers (10.) und des überragenden Ellyes Skhiri (46.) gegen die nicht aufgebenden Ungarn noch immer am seidenen Faden hing. Als das türkische Schiedsrichtergespann zwei Mal in Folge gegen den FC entschied, war es um Baumgarts Contenance geschehen (siehe Infokasten). Ali Palabiyik schickte den Coach auf die Tribüne, was wenig half. „Es war schon geil den Trainer so zu sehen, wie er auf der Tribüne auf und ab läuft, weil er sich nicht beruhigen kann. Aber so ist er, so gibt er die Leidenschaft und das Feuer an uns weiter“, amüsierte sich Marvin Schwäbe. Der FC-Keeper, der mit seiner Großtat gegen Budu Zivzivadze (61.) maßgeblichen Anteil am Weiterkommen hatte, war nach Kingsley Schindlers entscheidendem Kopfballtreffer zum 3:0 (90.+4) über 90 Meter zum gegnerischen Tor vor der roten Wand gesprintet, um mitzujubeln. „Da ist alles übergekocht.“
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Zuvor hatten die Kölner leiden müssen, weil sich nach gut einer Stunde die Strapazen ihres Auftrags in den Beinen bemerkbar gemacht hatten. „Fehérvár hat in dieser Phase noch einmal alles gegeben. Man hat den Jungs aber auch angesehen, dass sie müde und kaputt waren“, beschrieb Baumgart die Phase, in der alles noch einmal auf der Kippe stand.
Heimspiel gegen VfB Stuttgart
Zum einen der sportliche Lohn für die hervorragende Leistung der vergangenen Bundesliga-Saison, im zweiten Schritt aber vor allem die finanzielle Erleichterung für den klammen Club, die der Einzug in die Gruppenphase mit sich bringt. „Das hilft uns, dass diese Saison auf jeden Fall safe ist“, sagte Geschäftsführer Christian Keller. Aufgrund von Gehaltseinsparungen und Transfers sei die Situation auch vorher schon „okay“ gewesen. „Sollte die Pandemie nicht nochmal ganz knallhart zurückschlagen“, erklärte Keller, „gehe ich davon aus, dass der FC in dieser Saison endlich mal wieder ein positives Ergebnis erwirtschaftet.“ Über die wirtschaftlichen Komponente hinaus freute sich der Sportchef über das Prestige, dass der FC sich in mindestens sechs weiteren Partien weiter auf der internationalen Bühne präsentieren kann. „Spiele, auf die wir uns alle total freuen“, sagte Keller auch mit Blick auf die Fans. Rund 3000 Anhänger hatten am Donnerstag in Székesfehérvár vor, während und nach dem Spiel für eine friedliche und extrem stimmungsvolle Atmosphäre gesorgt. Marvin Schwäbe sprach von einem „Auswärtsheimspiel“, für Timo Hübers war es Ekstase pur: „Dass 3000 Fans hier mit nach Ungarn kommen, ist nicht selbstverständlich. Das wissen wir sehr zu schätzen und hat viel Spaß gemacht.“
Der Moment des Genießens ist nur von kurzer Dauer. Am Sonntag (15.30 Uhr/DAZN) steht in der Bundesliga mit dem Heimspiel gegen den VfB Stuttgart um Ex-FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle schon wieder das wichtige „täglich Brot“ an.
1. FC Köln: Schwäbe; Schmitz, Kilian, Hübers, Hector; Martel, Skhiri; Thielmann, Ljubicic, Kainz; Adamyan. – VfB Stuttgart: Müller; Mavropanos, Anton, Ito; Vagnoman, Endo, Sosa; Ahamada, Egloff; Kalajdzic, Silas.