Köln – Steffen Baumgart überlässt nicht gerne etwas dem Zufall – und unliebsame Überraschungen schätzt er auch nicht besonders. Also hatte der 49-Jährige am Freitag ein paar Notizen zu seiner ersten Bundesliga-Pressekonferenz als Trainer des 1. FC Köln mitgebracht. Es galt vorbereitet zu sein – vor allem wenn die unausweichliche Frage nach dem sportlichen Ziel der Geißböcke in der Saison 2021/22 kommen sollte.
Sie kam, denn es liegt in der Natur der Medien Aussagen zu provozieren, mit denen sie Leistungen messen und Menschen bewerten können. Angesichts der Bedeutung seiner Antwort warf Baumgart einen Blick auf seine Zettel, um sich seiner forschen Ansage ganz sicher zu sein: „Ich möchte am Ende der Saison zu den besten zwölf Teams gehören. Wir wollen tabellenmäßig nach oben rücken.“
Aufbruchsstimmung im Geißbockheim
Neue und selbstbewusste Töne also, die da aus dem Geißbockheim kommen und die gut zur Aufbruchstimmung passen, die Baumgart und sein Trainerteam in den sechs Wochen Vorbereitung verbreitet haben. In der vergangenen Spielzeit waren Sportchef Horst Heldt und Trainer Markus Gisdol nicht müde geworden zu betonen, dass es für den FC nur um den Klassenerhalt gehen könne. Am Ende sprang der Klassenerhalt erst über die Relegation heraus.
Baumgart dagegen macht sein Team vor dem Auftakt-Heimspiel am Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) vor 16.500 Zuschauern im Rheinenergiestadion gegen Hertha BSC Berlin lieber größer, als es von den Experten eingeschätzt wird. Sein Ding ist nun mal die Flucht nach vorne, der Weg in die Offensive auf und neben dem Platz. Auch, weil er die Verhältnisse rund um seinen neuen Arbeitsplatz einzuschätzen weiß: „Ich höre immer, wir wollen nichts mit dem Abstieg zu tun haben und eine ruhige Saison erleben. Aber eine ruhige Saison gibt es in Köln ohnehin nicht, egal wie es läuft.“
Für den Trainer geht es deshalb auch vielmehr darum, der Unruhe adäquat begegnen zu können. „Ein großes Ziel wäre für mich, dass der FC als Einheit auftritt. Nicht nur in der Mannschaft, sondern auch drum herum. Wir wollen einen Weg gehen, und der soll Erfolg bedeuten und die Menschen stolz machen. Dafür brauchen wir alle, und alle müssen an einem Strang ziehen.“
Hertha ist stark
Die erste sportliche Aufgabe in diesem Prozess ist eine große. Gegner Hertha BSC hat eine nahezu perfekte Vorbereitung gespielt und dabei unter anderem Jürgen Klopps FC Liverpool mit 4:3 besiegt. „Ich warte, wann kommt der Blitz. Es ist auch nicht normal, wenn alles so gut läuft“, wunderte sich selbst Trainer Pal Dardai. Mit dem erfahrenen Kevin Prince Boateng und Nationalspieler Suat Serdar haben sich die Hauptstädter unter ihrem neuen Sportchef Fredi Bobic nach einer verkorksten Spielzeit 2020/21 zudem überdurchschnittlich verstärkt, obwohl sie Ex-FC-Torjäger Jhon Cordoba für 20 Millionen Euro ins russische Krasnodar abgegeben haben.
Ins positive Bild aus der Hauptstadt passte, dass der brasilianische Olympiasieger Matheus Cunha einsatzfähig ist und Lars Windhorst die letzte Tranche seiner 375 Millionen Euro-Einlage in Höhe von 30 Millionen Euro überwies.
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„Wenn sie ins Rollen kommen, kann das eine sehr gute Saison für sie werden. Aber wir haben ein Heimspiel und das wollen wir gewinnen“, reagierte Steffen Baumgart angriffslustig auf die Favoritenrolle der Berliner. Seinen unerschütterlichen Optimismus dürfte er aus dem recht mauen Pokalauftritt der Herthaner bei Drittligist SV Meppen (1:0) und dem Zustand seines eigenes Teams ziehen. „Die Mannschaft ist fit. Im Pokal in Jena haben wir 120 Minuten lang sehr viele Kilometer gemacht. Die Jungs konnten bis zum Ende Tempo gehen und wir konnten von der Bank nachlegen.“ Auch die taktische Entwicklung stimmt den Trainer positiv: „Wir haben sehr gut an den Abläufen gearbeitet, vieles hat sich schon verbessert. Die Jungs haben den Gedankengang des Nach-vorne-Verteidigens.“
„Ein Traum geht in Erfüllung“
Nachdem Baumgart Ellyes Skhiri nach dessen starkem Auftritt in Jena einen Startelf-Platz in Aussicht stellte und weiter hofft und auch davon ausgeht, dass der Tunesier beim FC bleibt, blieb noch die Frage nach der Besonderheit des ersten Heimspiels als FC-Trainer und der Rückkehr der Fans ins Stadion. Bei der Antwort musste Baumgart nicht auf seine Zettel schauen: „Wer mich kennt, weiß, dass für mich jedes Spiel etwas Besonderes ist, weil ich dieses Spiel liebe. Bei jedem Spiel geht mein Traum in Erfüllung. Und wer sich nicht darauf freut, dass wir hier wieder Zuschauer begrüßen können, ist fehl am Platz.“
Voraussichtliche Aufstellungen:1. FC Köln: T. Horn; Schmitz, Hübers, Czichos, Hector; Skhiri; Kainz, Uth, Duda; Modeste, Thielmann. – Hertha BSC: Schwolow; Pekarik, Stark, M. Dardai, Plattenhardt; Ascacibar; K.-P. Boateng, S. Serdar; Lukebakio, Jovetic; Selke.