Köln – Es liegt in der Natur der Sache, dass sich im Nachgang des sportlichen Statements des 1. FC Köln beim 1:0 gegen den SC Freiburg das größte Interesse auf Steffen Baumgart konzentrierte. Der FC-Trainer bedient die Unterhaltungsbranche Deutsche Fußball Liga (DFL) eben wie kaum ein anderer.
1. FC Köln: Jeder spricht über das Baumgart-Video
Selbst wenn, oder gerade weil er nicht im Stadion sein kann und von seiner älteren Tochter Emilia dabei gefilmt wird, wie er im heimischen Wohnzimmer abwechselnd den Fernseher und sein Handy anbrüllt. Der 50-Jährige ist ein Ereignis und braucht dafür nur er selbst zu sein. Typen wie er sind gefragt in der Welt des zunehmenden versnobten und sich konsequent von der Fanbasis entfernenden Hochglanz-Business.
Baumgart ist deshalb auch ein Glücksfall für den 1. FC Köln. Der Club, der vor dem ersten Arbeitstag des Trainers sportlich und finanziell am Abgrund taumelte und dank Baumgart zumindest auf dem Rasen schon wieder richtig Fuß gefasst hat.
André Pawlak nimmt gegen Freiburg wie selbstverständlich die Chefrolle ein
Es darf als Ironie des Schicksals angesehen werden, dass die eigentlichen Verdienste des Fußballlehrers am Samstag ausgerechnet in einem Moment ins Rampenlicht rückten, in dem der Hauptdarsteller in eine Corona-Quarantäne verbannt war. Wie etwa, dass Baumgart fernab seines Talents als Entertainer um sich herum ein Trainerteam gebildet hat, das in der täglichen Arbeit an einem Strang zieht, ohne dass der Einzelne an Selbstbewusstsein, Freiheit und Individualität verliert.
Es war beeindruckend zu verfolgen, mit welcher Selbstverständlichkeit und Authentizität André Pawlak gegen Freiburg die Chefrolle einnahm und mit seiner Persönlichkeit perfekt ausfüllte. Unter Baumgarts Führungsstil mit flacheren Hierarchien hat offenbar jedes Wort und jede Meinung ein solches Gewicht, dass jeder sich und seine Arbeit respektiert und wertgeschätzt sieht.
Modeste legt dem FC sein Herz zu Füßen
Der gleiche Schlüssel passt auf die Spieler. Das Phänomen Anthony Modeste ist in dieser Saison längst eine nicht enden wollende Geschichte. Der Franzose erzielte das Siegtor, traf im sechsten Pflichtspiel in Folge und legte dem FC auch noch sein Herz zu Füßen. „Ich bin nicht ohne Grund aus China zurückgekommen und ich bin glücklich, dass ich im Winter hier geblieben bin“, räumte er mit Blick auf seinen sportlich missratenen Trip nach Fernost und das ausgeschlagene Millionen-Angebot aus Saudi Arabien ein.
Der Traum des 33-Jährigen, mit dem FC europäisch zu spielen, ist ausgerechnet in seinem letzten Vertragsjahr greifbar. Die Kölner stehen mit 32 Punkten nach 21 Spieltagen auf Rang sechs und so gut wie seit der Saison 1996/97 nicht mehr da. „Wir haben noch viel vor. Erst, wenn wir die 40 Punkte haben, schauen wir weiter“, erklärte der Torjäger der Tabellensituation angemessen.
Modeste fühlt sich dabei so wohl, dass er sich sogar Anweisungen des Trainerteams widersetzt. Wie bei seinem 14. Saisontor, als er einen Pass von Jan Thielmann direkt ins rechte Eck zirkelte. „Wir sagen den Spielern immer, dass sie mit zwei Kontakten spielen sollen. Tony hat mir nach seinem Tor angezeigt, dass er es auch mit einem Kontakt kann“, berichtete Pawlak schmunzelnd.
Thielmann zeigt hier seine beste Saisonleistung bisher
Vorbereiter Thielmann ist ein anderes gutes Beispiel für die passenden Strukturen im FC-Gebilde. Der 19-Jährige stand in der Bundesliga erstmals seit dem 0:2 am 30. Oktober in Dortmund wieder in der Startelf und zeigte als zweite Spitze seine beste Saisonleistung: „Ich war glücklich, dass mich die Trainer aufgestellt und mir das Vertrauen gegeben haben.“
Vertrauen, das er sich verdient hat, weil er trotz solider Leistungen seine Rolle als Joker klaglos akzeptierte und sich durch harte Trainingsarbeit für eine Rückkehr in die Startelf aufdrängte. Erkenntnisse, die wichtig sein werden, wenn der FC sich am Freitag bei RB Leipzig und die Woche darauf im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt in der Tabelle weiter orientiert.
FC will Baumgarts Anfeuer-Video nicht kommentieren
Das aufsehenerregende Video wird dagegen wohl ein einmaliger Ausflug Baumgarts in die Social Media-Welt bleiben. Auch, weil der Trainer sich als öffentliche Person auf einem schmalen Grat bewegt, wenn er solch tiefe Einblicke in sein Privatleben gewährt. Vorstand und Geschäftsführung des FC ließen die Bilder jedenfalls unkommentiert.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die Aufnahmen wurden auch nicht auf den FC-Kanälen geteilt. Klare Indizien dafür, dass das Video vom Club nicht autorisiert wurde und es geteilte Meinungen über die Veröffentlichung gibt. Meinungen, die aber nur intern diskutiert werden dürften. Auch weil das öffentliche Echo auf die Bilder aus dem Wohnzimmer der Baumgarts so positiv ausfiel.