Köln – Als es geschafft war, streckte André Pawlak (50) die Arme in die Höhe und ballte die Hände zu Fäusten. Dann drückte er Kevin McKenna und René Wagner fest an sich. Es war der Jubel der Assistenten; jener Zuarbeiter aus dem Hintergrund, die dem omnipräsenten Steffen Baumgart üblicherweise den Rücken frei halten. Doch weil der an Corona erkrankte Chefcoach des 1. FC Köln noch in Quarantäne weilt, hatte der Fußball-Bundesligist im Duell mit dem SC Freiburg ohne seinen Antreiber an der Seitenlinie auskommen und die Verantwortlichkeiten neu verteilen müssen.
„Die Mannschaft ist total gefestigt“
So geriet der 1:0 (1:0)-Heimsieg über den Europa-Anwärter zu einem beeindruckenden Beweis dafür, wie sehr der Beinahe-Absteiger der vergangenen Saison seine neue Spielidee binnen einen halben Jahres personenunabhängig verinnerlicht hat. „Die Mannschaft ist total gefestigt“, freute sich André Pawlak über den fortgeschrittenen Reifeprozess der Geißböcke, der auf kontinuierlicher Arbeit basiert. „Wir haben klare Abläufe über Wochen, über Monate trainiert, die sind einfach drin.“
Genau daran habe das dezimierte Trainerteam vor dem Anpfiff nochmal erinnert. „Auf dem Platz haben wir Jungs, die in der Lage sind, das umzusetzen und beizubehalten, was wir als Plan mitgegeben haben“, erklärte André Pawlak, warum der Ausfall Baumgarts zumindest in dieser Partie kaum erkennbar ins Gewicht gefallen war. Ohne den Cheftrainer sei es zwar schon „etwas Besonderes“ gewesen, berichtete Anthony Modeste, der Schütze des Siegtores aus der 23. Minute. „Wir wissen aber, was wir tun müssen.“ Und so glückte auch die wichtige taktische Umstellung in der Mittelfeld-Zentrale, die das Trainerteam nach einer Videoschalte in der Halbzeitpause mit Steffen Baumgart vornahm.
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Pawlak selbst hatte die Partie auf seine eigene Art begleitet. Sein Coaching fiel ebenfalls lautstark aus; davon zeugte seine angeschlagene Stimme, die gegen den Lärmpegel von 10 000 erstmals wieder zugelassenen Zuschauern ankommen musste. „Ich bin es die letzten Jahre gar nicht mehr gewohnt gewesen, so laut zu sprechen wie heute“, erklärte der Baumgart-Vertreter seine schon zur Halbzeit eingesetzte Heiserkeit, die für gewisse Heiterkeit in der Kölner Kabine gesorgt hatte. „Da musste ich ein bisschen schmunzeln“, berichtete etwa der neue Abwehrchef Timo Hübers, der sein Team mit einer überragenden Leistung zum dritten gegentorlosen Spiel der Saison geleitet hatte.
Auf dem Weg dorthin war André Pawlak nicht annähernd so energisch durch die Coachingzone gesprungen, wie es Steffen Baumgart vorlebt. Ein Nachteil sei das nicht gewesen, resümierte Pawlak unter Verweis auf die „intensive, aggressive Leistung“ des FC, der weite Phasen des ersten Durchgangs beherrscht hatte und verdient in Führung gegangen war. „Ich habe heute nicht gesehen, dass etwas gefehlt hat“, betonte der Aushilfs-Cheftrainer, um daraus die wesentliche Erkenntnis des Erfolgs über einen „sehr guten“ Gegner abzuleiten: „Ich habe gesehen, dass die Mannschaft weiß, was sie tut, und das dann auch mal ohne Steffen schaffen kann. Darauf kann die Mannschaft unheimlich stolz sein.“
Baumgart auch vor dem Fernseher gewohnt lebendig
Steffen Baumgart dürfte es ebenfalls gewesen sein, als er im heimischen Wohnzimmer nach einer finalen Abwehrschlacht seines Teams wieder zur Ruhe gekommen war. Die vorangegangenen 90 Minuten hatte der Cheftrainer im Beisein von Frau, Kindern und Hund vor dem Fernseher ebenso laut brüllend und ausufernd gestikulierend verbracht, wie man es von ihm aus dem Stadion kennt. Baumgart, auch in der Quarantäne mit Schiebermütze und T-Shirt bekleidet, tigerte vor seiner Couch hin und her, brüllte abwechselnd den Fernseher an („Zum Ball! Zum Ball! Zum Ball!“) oder Anweisungen („Sie sollen nach vorne spielen, auch wenn sie drei Stück kriegen!“) in sein Handy, über das er mit Videoanalyst Denis Huckestein im Stadion verbunden war. Zu bestaunen ist die emotionale Eskalation Baumgarts in einem Zusammenschnitt, den seine Tochter Emilia auf der Video-Plattform „TikTok“ veröffentlichte und so für einen viralen Hit sorgte.
Schwer zu schaffen machte dem FC-Coach vor allem der Umstand, das Stadion-Geschehen mit zeitlicher Verzögerung empfangen zu haben, wie Sportchef Jörg Jakoks süffisant preisgab: „Steffen hatte durch die Übertragung eine Zeitverzögerung von 50, 60 Sekunden. Die letzte Minute stand er im Funkkontakt zu unseren Leuten. Als die Nachricht vom Abpfiff kam und Steffen noch ein bisschen hinten dran war, haben wir ihm gesagt, dass er die letzten Sekunden ganz entspannt gucken kann.“
Durch den achten Saisonsieg rückten die Kölner vor auf Platz sechs, Champions-League-Rang vier ist nur zwei Zähler entfernt. „Herausragend“ sei das, freute sich André Pawlak, während Jörg Jakobs frohlockte: „Wir nähern uns den 40 Punkten und der Situation an, dass wir vielleicht mal über andere Ziele nachdenken können.“ 32 Punkte weist der FC vor der Partie beim Vizemeister und direkten Verfolger RB Leipzig (Freitag, 20.30 Uhr) nun schon auf. „So kann man gut abtreten“, stellte Pawlak überaus sachlich fest – und erntete dafür ein paar Lacher.