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Bayer LeverkusenErster Bundesligatitel nach Sieg gegen die Bayern immer wahrscheinlicher

Lesezeit 4 Minuten
10.02.2024, Nordrhein-Westfalen, Leverkusen: Fußball: Bundesliga, Bayer Leverkusen - Bayern München, 21. Spieltag in der BayArena, Leverkusens Josip Stanisic (2.v.r) jubelt mit seinen Teamkameraden über sein Tor zum 1:0.



Der Jubel bei Bayer Leverkusen war am Wochenende groß.

13 Spielrunden vor Bundesliga-Schluss beträgt der Vorsprung der Werkself fünf Punkte.

Die erste Meisterschaft der Vereinsgeschichte für die Werkself rückt nach dem fulminanten Heimsieg gegen die Bayern immer näher.

Sie hatten selbst haufenweise Gründe geliefert um abzuheben. Doch die Fußballprofis von Bayer Leverkusen taten es einfach nicht. Selbst nach dem fulminanten 3:0 (1:0)-Heimsieg gegen Bayern München, der ihre Chancen auf die erste Meisterschaft der Vereinsgeschichte um ein Vielfaches erhöht zu haben scheint, nicht. 13 Spielrunden vor Bundesliga-Schluss beträgt der Vorsprung der Werkself fünf Punkte.

Und die Art und Weise, wie sie den deutschen Branchenprimus in der BayArena beherrschte, lässt den Fakt, dass Xabi Alonsos Team zwei Spiele mehr verlieren müsste, um noch von Thomas Tuchels desolaten Münchnern abgefangen zu werden, wie abwegige Phantasterei erscheinen. „Das war ein Topspiel, gegen eine Topmannschaft“, bremste Jonathan Tah die meisterlichen Erwartungen als Erster, „wir haben drei Punkte gesammelt, aber was am Ende dabei rauskommt, wie viele Punkte wir noch holen, das werden wir dann sehen“, fuhr der Abwehrchef fort.

Bayer lässt gegen die beste Offensive der Liga keine Torchance zu

Nachdem er und seine Mitstreiter der besten Offensive der Liga (59 Saisontore) nicht den Hauch einer Chance und nur neun, meist harmlose, Torschüsse zugelassen hatten, wurde er am Vorabend seines 28. Geburtstags dann doch noch eine Kampfansage los: „Was ich sagen kann ist, dass wir uns vornehmen, jedes Spiel mit der gleichen Intensität, mit der gleichen Energie anzugehen und jeder weiß, was passiert, wenn wir das tun.“ Bei dem Beiwort „jeder“ durfte sich vor allem der deutsche Rekordmeister angesprochen fühlen. Der war mit dem vermeintlichen Vorteil einer kompletten Trainingswoche (ohne DFB-Pokal-Viertelfinale) angereist und von Alonsos Schützlingen vier Tage nach deren Halbfinaleinzug gegen Stuttgart, auf Normal- bzw. Minimalgröße zurechtgestutzt worden.

Um das rational kaum Erklärbare doch zu erklären, zog der Last-minute-Pokal-Siegtorschütze die Taktik und die Psychologie heran: „Als wir in der Kabine vor dem Spiel Bayerns Aufstellung gesehen haben, war das natürlich ein schönes Gefühl“, spielte Tah auf Tuchels Systemumstellung mit einem defensiven Mann mehr und Sacha Boey auf der ungewohnten linken Außenverteidiger-Position an, „da haben wir gespürt, wieviel Respekt sie vor uns haben und das hat uns Mut gegeben, um mit Selbstvertrauen in dieses Spiel zu gehen“.

Bayer Leverkusen: Alonso stellt auf Viererkette um und macht alles richtig

Da auch Alonso mit Linksverteidiger Josip Stanisic ein fluides System mit defensiver Dreier-, Vierer- bzw. Fünferkette eingeführt hatte, verpuffte der Schachzug von Bayern-Coach Thomas Tuchel. Spätestens nach der komplizierten Anfangsphase mit hohem Münchner Pressing und vielen eigenen, langen Bällen, fanden Tah und Co. ihre Positionen und dominierten das Spitzenspiel in der Defensive. Um zudem mit den sprintstarken Nathan Tella und Amine Adli, sowie Raumdeuter Florian Wirtz, immer wieder brandgefährlich umzuschalten: „Wir haben es als Mannschaft gut gemacht und super verteidigt. Alle wussten, was wir machen müssen“, beschrieb Leverkusens Vizekapitän das eigene Empfinden auf dem Platz.

Nachdem Robert Andrich die Münchner Defensive beim Vorstoß über links komplett unsortiert erwischt hatte und mit seinem harten Flachpass quer durch den Strafraum, ausgerechnet Josip Stanisic das 1:0 aufgelegt hatte, brach der eigentliche Arbeitgeber des Bayer 04-Leihspielers in sich zusammen (18). Deren Edeljoker Thomas Müller formulierte es frei nach Oliver Kahn: „Mir fehlen da teilweise die Eier“, schimpfte er nach 653 ertraglosen Pässen (419 bei Leverkusen), monierte noch die „Verkopftheit“ und fehlenden „Mut“ und „Freiheit“ im eigenen Spiel, um dann die Werkself in 2024 treffend zu beschreiben: „Wenn du die anschaust, da ist auch nicht jeder Spielzug geplant, aber die zocken einfach, spielen Fußball und suchen Lösungen“.

Vor allem Alejandro Grimaldo fand eine gute und traf nach genial einfachem Doppelpass mit Tella, wuchtig zum 2:0 (50.). Spätestens nach Jeremie Frimpongs 3:0, das dieser nur wegen Tahs gewonnenem Kopfballduell gegen den aufgerückten Bayern-Keeper Neuer, von der rechten Außenlinie ins verwaiste Münchner Tor erzielen konnte (90.+5), passten Tahs ruhig gesprochene Worte nicht mehr zu den emotionalen Bildern im neuen, rheinländischen Hexenkessel.

Wilde Jubeltrauben aus Spielern und Verantwortlichen, „Xabi Alonso“-Sprechchöre, die den Cheftrainer (inklusive Coaching-Staff) zum ausgiebigen Feiern vor die Nordkurve lockten und bedröppelte Bayern-Vorstände, deren „Wir geben nicht auf“-Interviews wie das Pfeifen im Bauch der BayArena klangen, ließen ganz Leverkusen an diesem denkwürdigen Samstagabend doch in gewisser Weise abheben.