Geschäftsführer Simon Rolfes über Bayers Transferpolitik, die erfolgreiche Saison und die vielen Gerüchte um die Werkself.
Bayer 04-Chef Simon Rolfes„Ist doch klar, dass wir immer nach dem Maximum streben“
Geschäftsführer Simon Rolfes erklärt im Gespräch mit Frank Hellmann, was Trainer Xabi Alonso auszeichnet, warum die vielen Gerüchte ihn nicht aufregen, die Transferpolitik bei Bayer Leverkusen kein Glück war und diese Saison für die Werkself schon jetzt ein Erfolg ist.
Herr Rolfes, Sie haben mal gesagt, Sie hätten sich vorstellen können, auch Ingenieur zu werden, wenn es nicht zum Profifußballer gereicht hätte. Was hätte Sie an dem Beruf denn so gereizt?
Ich war als Schüler so wahnsinnig, die Leistungskurse Mathe und Physik zu wählen. Aber die Begabung und die Affinität waren nun mal da, und darüber habe ich schnell gemerkt, dass mir Physik ein bisschen mehr Spaß macht als Mathe. Mich faszinieren schon immer Bauwerke wie beispielsweise die neue Rheinbrücke bei Leverkusen. Daraus ist der Berufswunsch entstanden, Ingenieur zu werden. Grundsätzlich gefällt es mir, etwas zu errichten. Meine heutige Aufgabe in einem Fußballklub ist sicher weniger technisch, doch es macht auch hier Spaß, etwas aufzubauen (lacht).
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Sie sind Baumeister einer Mannschaft, die gerade Fußball-Deutschland begeistert und vor dem Derby beim 1. FC Köln seit 33 Pflichtspielen ungeschlagen ist.
Es freut mich wirklich, dass wir nicht nur lokal die Menschen mitnehmen, sondern auch neutrale Zuschauer uns gerne sehen. Wir spielen mit einem guten Spirit, das spricht die Leute offensichtlich an.
Ihr Kader kommt fast wie ein Kunstwerk daher. Hätten Sie gedacht, dass alles so gut zusammenpasst?
Genau weiß man das nie. Wir haben das im Jahr davor auch in die andere Richtung erlebt. Wir waren von vielem überzeugt, aber wie sich ein Team zusammenfindet hängt auch davon ab, wie die Menschen in der Gruppe einander schätzen. Das ist das Spannende, wie sich der Kader diesbezüglich mit dem Trainer entwickelt. Ein Schlüsselerlebnis war für mich im vergangenen Sommer das Vorbereitungsspiel in Marseille vor 60000 Zuschauern. Das hat sich wie Europapokal angefühlt und war von einem besonderen Wettkampfspirit geprägt.
Kaderplanung ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Die Zeiten, dass Scouts alleine durch die Welt reisen, sind lange vorbei. Heute sind doch Software, Datenanalyse und Videos viel wichtiger geworden, oder?
Scouts werden heute anders eingesetzt als früher. Da fragt sich keiner mehr vor Ort durch, um einen Fußballer zu finden, der vielleicht auch noch was kann. Es wird gezielter beobachtet, alle drei Komponenten sind wichtig. Aber wir haben mit Piero Hincapie mal einen Spieler verpflichtet, den ich nicht mehr live, sondern nur per Video beobachten konnte, weil wir eine schnelle Entscheidung treffen mussten.
Können Sie anhand ihres Königstransfers Granit Xhaka mal erklären, wie so etwas abläuft? Er hat zuletzt gegen den FSV Mainz 05 sogar ein Tor geschossen.
Ihn haben Sportchef und Cheftrainer auf dem Platz auskundschaftet, weil wir selbst noch gegen ihn gespielt haben: Das ist die vierte Komponente bei der Kaderplanung. Spaß beiseite: Wir hatten über viele Jahre Charles Aranguiz als Anker in unserem Spiel. Wir wollten als Nachfolger auf dieser Position eine besondere Persönlichkeit. Für dieses Profil die notwendige Qualität mitzubringen – dafür kommen dann nicht so viele infrage. Granit war für uns die Topoption.
Und er war sofort bereit, in die Bundesliga zurückzukehren?
Wenn er gesagt hätte, er möchte in London bleiben, wäre es nicht gegangen. Aber sein positives Signal hatten wir schon im Februar. Nur war es danach ein langer Kampf mit Arsenal, doch Granit hatte sich dort auch in schwierigen Zeiten immer korrekt verhalten. Das hat den Transfer im Juli dann ermöglicht.
Und wie bekommt man ein Juwel wie Alejandro Grimaldo?
Indem man es davon überzeugt, dass der Fußball, den wir spielen, noch besser zu ihm passt. Grimaldo war auch bei Benfica Lissabon ein guter Spieler, aber genau das war wirklich ein wichtiger Punkt. Er wollte etwas Neues machen, und das konnten wir ihm auf hohem Niveau anbieten. Aber es ist natürlich keine Frage, dass es ein Vorteil war, mit Xabi Alonso einen spanischsprachigen Trainer zu haben, der bei dem Spieler höchstes Ansehen genießt.
Die Spieler sagen, dass die Abläufe unter Alonso alle im Training einstudiert seien.
Ja, ich bin sicher zwei- bis dreimal die Woche beim Training. Man sieht viel über die Verfassung jedes einzelnen und bekommt ein Gefühl für die Gemeinschaft.
Sie haben gesagt, dass der Trainer Sie auch überraschen würde. Spricht er eine Entscheidung nicht mit Ihnen ab, wie vor dem Heimspiel gegen den VfL Bochum, die Afrika-Cup-Fahrer nicht aufzustellen?
Über die Aufstellung entscheidet der Trainer allein. Wenn er mit mir darüber reden möchte, sprechen wir auch mal über die Aufstellung. Aber das ist komplett sein Bereich, da hat er volle Rückendeckung.
Was macht Ihn denn so außergewöhnlich?
Es ist die Kompetenz. Wenn du als Trainer ein erfolgreicher Spieler warst, hast du die ersten vier Wochen einen Bonus. Der ist aber rasch aufgebraucht, wenn die Kompetenz in der anderen Rolle fehlt. Die Spieler merken schnell: Kann er was in seinem neuen Job oder kann er es nicht? Diese Frage ist eindeutig beantwortet. Darüber hinaus baut Xabi eine gute Verbindung zu seinen Spielern auf.
Wie kommuniziert er?
Alles, was die Ansprache betrifft, erfolgt in Englisch. Heutzutage wachsen die meisten Profis international auf und sind mit ihren Sozialen Medien global vernetzt. Das ist als gemeinsame Basis kein Problem. Klar, dass sich Xabi mit unseren südamerikanischen oder spanischen Spielern auch auf Spanisch austauscht.
Ihr Erfolgstrainer wird ständig mit einem neuen Arbeitgeber für die nächste Saison in Verbindung gebracht. Der FC Liverpool soll interessiert sein, nun sucht auch der FC Bayern nach einem neuen Trainer. Geht Ihnen Xabi Alonso von der Fahne?
Ich bin da weiterhin gelassen und optimistisch. Das Allerwichtigste ist doch bei Führungskräften, dass sie sich wohlfühlen und das Gefühl haben, am richtigen Ort zu sein. Xabi weiß, was er am Verein hat. Das hat er schon häufig gesagt.
Wenn er dann doch käme und sagen würde, er wolle weg…
…es gibt viele Konjunktive in der Welt. Nicht alle müssen eintreten.
Im Sommer wurde gefühlt nur der FC Bayern dafür gefeiert, dass Harry Kane in die Bundesliga kommt. Trotzdem hat Uli Hoeneß gestichelt, Leverkusen hätte „ein bisschen Glück“ mit seinen Transfers gehabt.
Glück ist kein Zufall. Diese Diskussion ist für mich aber kein Thema. Es zählt nur, dass wir eine gute Mannschaft auf dem Platz haben.
Sie haben bei Amtsantritt gesagt, Bayer Leverkusen habe viel vor. War damit auch der Angriff auf die Meisterschaft gemeint?
Dass wir eine Topmannschaft in der Bundesliga sein wollen, war die Zielrichtung. Bereits als ich bei Werder Bremen als junger Profi gespielt habe, war Bayer 04 ein Topverein mit einer Spitzennachwuchsarbeit.
Was würde die Meisterschaft, vielleicht sogar weitere Titel im DFB-Pokal oder der Europa League verändern?
Es ist doch klar, dass wir immer in allen Wettbewerben nach dem Maximum streben. Man spürt, dass wir auch in der Attraktivität ein neues Niveau erreichen. Das ist nicht mehr der Verein wie vor 20, 25 Jahren. Wir sind bei den Trikotverkäufen unter den Top Fünf der Bundesliga, sind in der BayArena immer ausverkauft, rufen bei Auswärtsspielen die Maximalzahl des Gästekontingents ab. Diese Saison hat noch einmal einen Boost gegeben. Wir haben schon jetzt viele Fans, darunter viele Kinder begeistert – das wird ein nachhaltiger Effekt bleiben.
Zur Person
26 Länderspiele hat Simon Rolfes für Deutschland bestritten. Der Geschäftsführer Sport bei Bundesliga-Spitzenreiter Bayer 04 Leverkusen spielte nach seinen Anfängen bei Werder Bremen und einer Saison bei Alemannia Aachen selbst von 2005 bis 2015 bei der Werkself, bildete sich nach der aktiven Karriere weiter, stieg als Eigentümer der Firma Vieww als Anbieter von Torlinien- und VAR-Technologie ein, ehe er 2018 wieder bei Bayer 04 anfing. Vier Jahre arbeitete er als Sportdirektor, ehe er 2022 Nachfolger von Rudi Völler wurde. Der in Ibbenbüren geborene Rolfes ist verheiratet und hat drei Töchter.