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Noch ein Punkt bis nach Europa1. FC Köln brilliert beim 4:1-Sieg in Augsburg

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Jan Thielmann von Köln (r) jubelt über seinen Treffer zum 0:1.

Augsburg – Steffen Baumgart war amüsiert, als sich der Sky-Reporter danach erkundigte, wie es denn nun um dem Glauben an die Qualifikation für den Europapokal stehe. Dann holte der Chefcoach des Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln freundlich lachend zur Gegenfrage aus: „Haben Sie die Leistung gesehen? Ja, dann glauben wir.“ Keine drei Stunden später war nach der 3:4-Heimniederlage der TSG Hoffenheim gegen den SC Freiburg aus dem festen Glauben fast schon Gewissheit geworden. Nach dem eigenen grandiosen 4:1 (2:0)-Coup beim ehemaligen Angstgegner FC Augsburg, sechs Punkten Vorsprung auf Tabellenplatz acht und nur noch zwei ausstehenden Spielen in der Saison 2021/22 ist den Geißböcken die Teilnahme an einem europäischen Clubwettbewerb kaum noch zu nehmen.

Das erst vor knapp drei Wochen ausgerufene neue Ziel Europa ist nach vier Siegen in Folge mit 13 erzielten Toren zum Greifen nah. Eine Erfolgsserie, die es so innerhalb einer Saison zuletzt vor 30 Jahren gegeben hat und mit der die Kölner mit 52 Zählern einen neuen Clubrekord seit Einführung der Drei-Punkteregel aufgestellt haben. Der FC hat Union Berlin in der Tabelle überholt und kann als Tabellensechster mit zwei Siegen gegen Wolfsburg und beim VfB Stuttgart den nahezu sicheren Einzug in die Playoffs der Conference League aus eigener Kraft mit dem Einzug in die Gruppenphase der Europa League toppen.

Kölsche Euphorie-Welle

Auslöser des kaum noch messbaren Anstiegs der kölschen Euphorie-Welle war am Samstag ein Auftritt beim FC Augsburg, wie ihn die Anhänger der Geißböcke lange nicht erlebt haben. Der in seiner Höhe noch zu niedrig ausgefallene 4:1-Triumph bei einem Gegner, gegen den es zuvor in 15 Bundesliga-Duellen nur zwei Siege gab, kennzeichnete den Höhepunkt einer unglaublichen Entwicklung, die der FC in dieser Saison vom Fast-Absteiger zum Europapokal-Anwärter genommen. Eine Entwicklung, die am Samstag selbst den sonst bodenständigen Architekten des Kölner Höhenflugs aus den Sitzen riss: „Wir haben ein überragendes, ein sensationelles Spiel gemacht. Ich bin selbst überrascht, mit welcher Konsequenz die Jungs das gemacht haben. Es fällt mir schwer, Worte zu finden. Ich bin einfach begeistert“, sprudelte es aus Steffen Baumgart heraus.

Conference-, Europa- oder Champions League

Nun ist alles möglich: Dem 1. FC Köln (52 Punkte) fehlt mit sechs Zählern Vorsprung auf die TSG 1899 Hoffenheim aus den beiden letzten Saisonspielen gegen Wolfsburg und Stuttgart noch ein Punkt, um als Tabellensiebter kommende Saison sicher in den Playoffs zur Conference League zu stehen. Sollten die Geißböcke beide Spiele stünden sie mit dann 58 Punkten definitiv in der Gruppenphase der Europa League. Das gilt auch, wenn der FC als Tabellensechster am Samstag gegen Wolfsburg und Ex-Sportchef Jörg Schmadtke gewinnt und Union Berlin als Siebter gleichzeitig beim SC Freiburg verliert. Sogar die Champions League ist für Steffen Baumgart und sein Team nach möglich. Das hängt aber auch von den Ergebnissen von Leverkusen (55 Punkte) und Leipzig (42) ab, die aufgrund des Maifeiertages erst am Montag spielen. (sam)

Der Trainer hatte vor dem Augsburg-Spiel wieder einmal vorgelebt, worum es geht, wenn ein Team seine Ziele erreichen will - erscheinen sie auch noch so unwahrscheinlich. „Der Trainer lässt es von draußen nicht zu, dass wir nachlassen“, erklärte Jonas Hector. Der erneut überragende Mark Uth konnte seinem Kapitän nur beipflichten: „ Steffen Baumgart hat uns an die Hand gegeben, immer weiterzumachen. Wir sind keine Mannschaft, die einfach nur versucht ein 2:0 zu verteidigen. So müssen wir weitermachen.“Uth ist zwar nur eines von vielen, aktuell aber sicher das interessanteste und markanteste Beispiel für die Entwicklung des Einzelnen im FC-Kollektiv und die Beharrlichkeit, mit der Steffen Baumgart arbeitet. Bis zum 29. Spieltag und dem 3:2-Comebacksieg gegen Mainz haderte Uth mit sich und seinen Rollen im Kölner Spiel. Eine recht lange Zeit für einen wie den gebürtigen Porzer, aber eben auch eine Zeit, in der Baumgart an seinem Weg mit jedem Einzelnen festhielt. Bei Mark Uth dauerte es etwas länger, bis er diesen Weg auch für sich selbst erkannte. Am Samstag öffnete er nach zehn starken Minuten der Augsburger den Weg für Jan Thielmanns 1:0 (12.). Das 2:0 erzielte er mit seinem fünften Saisontor selbst (15.) und beim 4:1, das Tim Lemperle fantastisch eingeleitet hatte (77.) setzte er Anthony Modeste ebenso kunstvoll wie spektakulär und effektiv in Szene.

Wie aus einem Guss

Modestes Schlenzer in den Winkel war als prompte Reaktion auf Florian Niederlechners 1:3 (73.) die Krönung des FC-Spektakels und Ausdruck eines Selbstverständnisses, das man so von den Geißböcken in diesem Jahrhundert noch nicht gesehen hat. Die Kölner spielten 80 Minuten lang wie aus einem Guss. Alle Rädchen griffen von Abwehrchef Timo Hübers, über Sechser Ellyes Skhiri und Spielmacher Mark Uth bis zu Doppelpacker Modeste, der in der 63. Minute den ersten FC-Elfmeter dieser Saison zum 3:0 verwandelte, und dem für den gesperrten Salih Özcan als zweite Spitze neu in die Startelf gerückten Thielmann ineinander.

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„Wir sind richtig heiß auf diese Europa-League-Saison nächstes Jahr. Wir hauen alles raus und wollen unbedingt jedes Spiel gewinnen. Wenn wir so weitermachen, wird dem nichts im Wege stehen“, sagte Uth. Worte, die kaum zu hören waren, weil die knapp 4000 mitgereisten FC-Fans ihre Mannschaft nach dem Schlusspfiff noch 45 Minuten lang lautstark aus dem Gästeblock heraus mit Europapokal-Gesängen feierten. Es bestehen kaum Zweifel, dass die Lieder wahr werden, so erwachsen spielten die Kölner am Samstag. „Wenn man Selbstvertrauen hat, geht alles etwas leichter. Trotzdem werden wir im Training weiter gescheucht, hier lässt niemand nach“, sagte Jonas Hector. Auch Steffen Baumgart ging nach seiner doch ungewöhnlich ausschweifenden Lobeshymne schnell wieder zur Tagesordnung über: „Das sind Momentaufnahmen, wir können uns freuen. Trotzdem sind die Aufgaben, die vor uns liegen, schwer. Die müssen wir konsequent angehen.“ Die nächste wartet am Samstag mit dem VfL Wolfsburg. Es darf vermutet werden, dass dem FC der nächste große Tag im voll besetzten Rheinenergiestadion ins Haus steht – und es am Ende richtig etwas zu feiern gibt.