Köln – Das Spiel war längst verloren, und doch versuchte es Anthony Modeste mit der Brechstange. Auf der verzweifelten Suche nach einem Erfolgserlebnis, das der vom Glück verlassene Franzose so sehr herbeisehnte, schnappte er sich am Abend des 24. Januar im menschenleeren Stadion von Sinsheim den Ball, schritt zum Strafstoßpunkt, visierte das linke untere Eck an – und scheiterte trotz eines gar nicht mal üblen Schusses an Oliver Baumann, dem Torhüter der TSG Hoffenheim.
Zwar haben selbst die besten Fußballer der Welt schon Elfmeter verschossen, doch dieser Fehlversuch war auf tragische Weise ein besonderer. Modeste war damit der erst zweite Spieler in der Historie der Bundesliga, der nach seiner Einwechslung einen Elfmeter verschuldete und dann einen vergab. Der Strafstoß in dieser 78. Minute beim Spielstand von 0:3 aus Kölner Sicht sollte sein persönlicher Befreiungsschlag werden. Stattdessen wurde er zum Sinnbild der verheerenden Gesamtsituation des gefallenen Torjägers.
Ohne Tor und ohne Vorlage
Acht Tage später hat Modeste den 1. FC Köln zum zweiten Mal verlassen. Diesmal kam sein Abgang nach nur 215 Einsatzminuten in der laufenden Bundesliga-Saison ohne Tor und Vorlage einer Flucht gleich. Als am finalen Tag vor Schließung des Winter-Transferfensters eine Anfrage der AS Saint-Étienne auf Horst Heldts Schreibtisch eintrudelte, zögerte der Kölner Sportchef nicht lange.
Ein Konsens im Verein und zwischen allen Beteiligten war schnell gefunden. Wenige Stunden später war Modeste für ein halbes Jahr ohne Kaufoption in seine französische Heimat verliehen. Die finanziell klammen Geißböcke sparen damit in etwa einen Millionenbetrag ein.
Auch in näherer Zukunft kaum Einsatzzeiten
Dass sie ihr Sorgenkind zur Marktwerterhaltung ziehen ließen, ohne Ersatz in der Hinterhand zu haben, ist ein Indiz dafür, dass der 32-Jährige auch in näherer Zukunft kaum zu Einsatzzeiten gekommen wäre. Kölns Offensiv-Hoffnungen im Kampf um ein weiteres Jahr Erstklassigkeit ruhen auf dem pfeilschnellen Emmanuel Dennis (23), der kürzlich verpflichteten Leihgabe des FC Brügge.
Modeste dagegen wirkte seit geraumer Zeit wie ein störender Fremdkörper, der sich immer wieder mit Verletzungen herumplagte, seinen Frust offen zur Schau trug und obendrein das Teamgefüge blockierte. Das 0:5-Debakel Anfang Januar in Freiburg, bei dem er als Startelf-Spitze die Laufarbeit verweigert und damit das System seines Teams mit zum Absturz gebracht hatte, war ein unübersehbarer Beleg dafür.
Trauriger Höhepunkt
Die vorläufige Trennung von seinem einstigen Publikumsliebling stellt für den 1. FC Köln den traurigen Höhepunkt eines sündhaft teuren Missverständnisses dar. Nichts anderes war die Zusammenarbeit seit der auf der 70-Jahre-Feier des Clubs pompös zelebrierten Rückkehr Modestes aus China im November 2018.
Der Angreifer ist mit einem generösen Jahressalär von rund 3,5 Millionen Euro zwar Großverdiener im Grüngürtel, doch konnte er nie wieder auch nur annähernd an seine überragenden Leistungen aus der Saison 2016/17 anknüpfen. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere hatte Modeste den FC mit 25 Saisontoren auf Europas Bühne zurückgehievt. Damals wurde er von den Fans besungen und auf Händen durch Müngersdorf getragen. Sein Abgang am späten Montagabend erfolgte dagegen in aller Stille.
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In Saint-Étienne wandelt er nun auf den Spuren seines Ende 2018 verstorbenen Vaters Guy, der ab 1972 sieben Jahre für die AS spielte. Der abstiegsbedrohte Tabellen-16. der Ligue 1 ist nach Nizza, Angers, Bordeaux und Bastia seine fünfte Station in Frankreich. „Ich freue mich auf die Zeit in meiner Heimat und die Chance, bei Saint-Étienne möglichst viel Spielzeit zu bekommen“, sagt der Angreifer, der dem FC „ganz viel Erfolg“ für die kommenden Monate wünscht.
„Ich drücke dann aus Frankreich die Daumen, dass wir unser Ziel erreichen und in der Liga bleiben.“ Schon in einem halben Jahr sehen sich beide Seiten wieder. Anthony Modeste ist als Spieler noch bis 2023 an den 1. FC Köln gebunden.