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Der Unangepasste verlässt das SpielFC-Kapitän Jonas Hector beendet seine Karriere

Lesezeit 6 Minuten
FLYERALARM Frauen Fussball Bundesliga, 1. FC Koeln - Eintracht Frankfurt Florian Kainz 1. FC Koeln und Jonas Hector 1. FC Koeln lachend in der Loge

Gelöst einen Tag nach Bekanntgabe seiner Entscheidung:Jonas Hector mit seiner Frau Anika (r.) und Teamkollege Florian Kainz am Sonntag beim Frauenfußball-Bundesligaspiel 1. FC Köln gegen Eintracht Frankfurt im Rheinenergiestadion

Jonas Hector beendet nach dieser Saison seine Karriere als Fußball-Profi. Eine Karriere, in der sich der Kapitän des 1. FC Köln nie an das Millionengeschäft und seine Gepflogenheiten angepasst hat.

Es hätte gar nicht anders kommen können. Jonas Hector hat genau gewusst, was er tut. Und wenn der Kapitän des 1. FC Köln für sich und sein Leben eine Entscheidung getroffen hat, dann ist sie durch nichts und niemanden mehr umzustoßen. Also war am Samstag nach dem 3:1-Sieg des 1. FC Köln bei der TSG Hoffenheim für den 32-Jährigen der Moment gekommen, auch der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass für ihn nach dieser Saison als Profi Schluss ist.

Steffen Baumgart teilt Entscheidung mit

Ein Moment, in dem sich die Wahrscheinlichkeit für den Klassenerhalt des FC der 100 Prozent genähert hat und Hector die Gewissheit gab, dass sich der Club seines Herzens in Sicherheit befindet. Für den Linksverteidiger der einzig richtige Augenblick, um den Verein und seine Anhänger nicht länger im Unklaren zu lassen, denn die Entscheidung, auf die alle gewartet haben, war lange in ihm gereift.

Die Mannschaft hat einen großen Spieler gewürdigt.
Christian Keller, FC-Geschäftsführer Sport

Weil Jonas Hector Jonas Hector-Dinge tut, trat er am frühen Samstagabend nicht selbst vor die Mikrofone. Er hielt nach dem Spiel eine Ansprache in der Kabine und informierte seine Teamkollegen, die die Worte ihres Kapitäns mit lang anhaltendem und durch die Kabinenwände deutlich vernehmbarem Applaus quittierten. „Die Mannschaft hat einen großen Spieler gewürdigt“, beschrieb Christian Keller die bewegenden Szenen. Der FC-Sportchef war wie Steffen Baumgart im Vorfeld des Spiels von Hector informiert worden, dass sich der Kapitän im Fall eines Sieges dem Team offenbart.

Es war dann an Cheftrainer Baumgart, die Nachricht am Ende der obligatorischen Pressekonferenz   publik zu machen. Hector beließ es bei einem Tweet über die FC-Kanäle und schickte Keller mit dem Auftrag zu den Journalisten, nur das Allernötigste mitzuteilen: „Die Beweggründe von Jonas sind alle nachvollziehbar. Der sportliche Verlust ist natürlich sehr, sehr groß für uns. Am Ende der Saison ist der Zeitpunkt, ihm im würdigen Rahmen zu danken. Mehr möchte ich nicht sagen.“

Entscheidender Elfmeter gegen Italien

Keller sprach ganz im Sinne von Jonas Hector, der trotz seiner an Höhepunkten reichen Profi-Karriere öffentlichkeitsscheu geblieben ist und das Reden in Mixed Zones lieber denen überließ, die auch Freude daran hatten. Selbst als er 2016 in Frankreich das EM-Viertelfinale gegen Italien im Elfmeterschießen entschied, wirkte er in den Interviews fehl am Platze. Das Spiel war ihm wichtig, nicht die Worte, die darüber in der Öffentlichkeit verloren werden.   Den FC führte er auf dem Feld mit Leistungen und in der Kabine mit fundierten taktischen Analysen und als Stimmungskanone an.

Hector hat seit Jahren nur noch die vorgeschriebenen Interviews bei den TV-Rechteinhabern über sich ergehen lassen. Wenn dann ein Reporter nicht gut vorbereitet war, bekamen er und die Öffentlichkeit zu hören und zu sehen, wie wenig Lust der „immer noch beste Linksverteidiger Deutschlands“ (O-Ton Steffen Baumgart) auf Befragungen hat. Unvergessen bleibt das DAZN-Interview nach dem vom FC mit 0:1 verlorenen Relegations-Hinspiel 2021 gegen Holstein Kiel.

Gefühl ist wichtiger als Geld.
Jonas Hector, FC-Kapitän 2018 in der WAZ

Jonas Hector, der kein Nachwuchsleistungszentrum durchlief und erst im Alter von 22 Jahren sein erstes Profispiel absolvierte, hat sich nie an die Gegebenheit des Profi-Business angepasst. Er ist selbstbestimmt und dem FC treu geblieben. Lukrative Angebote von großen Clubs wie etwa dem FC Barcelona schlug er aus, ging mit dem FC aber nach dem Abstieg 2018 mit in die 2. Liga und verlängerte seinen Vertrag. „Es steht außer Frage, dass ich bei anderen Vereinen mehr hätte verdienen können. Aber mein Ziel ist es nicht, am Ende der Karriere 400 Millionen Euro auf der Bank zu haben. Gefühl ist wichtiger als Geld“, sagte Hector 2018 in einem seiner seltenen Interviews der WAZ.

Letztes Spiel an seinem 33. Geburtstag

Ein Gefühl, das er beim FC immer fand. Meistens als Linksverteidiger, manchmal auch als Sechser oder Achter oder wie am 30. Spieltag der Bundesliga-Saison 2020/21 beim 2:1 gegen Leipzig einfach überall. Sein wohl bestes Spiel im Trikot mit dem Geißbock, als er doppelt traf und sich für die drei Punkte verantwortlich zeichnete, die die Kölner vor dem Abstieg bewahrten.

Fünfmal wird Jonas Hector noch für den FC in der Bundesliga auflaufen. Sein 347. und letztes Pflichtspiel für die Kölner findet an seinem 33. Geburtstag am 27. Mai im Rheinenergiestadion gegen den FC Bayern München statt. Es ist gut möglich, dass er selbst bestimmt, wie dieser Tag ablaufen wird. Auf jeden Fall wird es aber der Abschied eines der ganz Großen des FC.


Die Karriere von Jonas Hector

2010 Jonas Hector wechselt aus der Oberliga von seinem saarländischen Heimatverein SV Auersmacher ans Geißbockheim, wo er zunächst für die Reserve spielt.

2012 Im Erstrundenduell des DFB-Pokals bei der SpVgg Unterhaching (2:1) absolviert Hector sein erstes Profi-Pflichtspiel.

2013 Beim 4:0-Sieg am 4. November im Zweitliga-Heimspiel gegen Union Berlin gelingt Hector sein erstes Pflichtspieltor im Trikot der FC-Profis.

2014 Zum Auftakt der Saison 2014/15 bestreitet Hector sein erstes Erstligaspiel. Die Partie gegen den Hamburger SV endet 0:0. Im Alter von 24 Jahren wird der Linksverteidiger von Bundestrainer Löw erstmals in das Nationalteam berufen.

2016 Bei der EM in Frankreich verwandelt Hector im Viertelfinal-Drama gegen Italien den entscheidenden Elfmeter.

2017 Nach 25-jähriger Abstinenz kehrt der FC in den Europapokal zurück. Hector gewinnt mit dem DFB-Team den Konföderationen-Pokal in Russland.

2018 Trotz des bevorstehenden Bundesliga-Abstiegs verlängert Hector im April seinen Vertrag um zwei Jahre bis 2023. Im Mai erzielt er das „Tor des Monats“. Nach dem Abstieg wird Hector zum FC-Kapitän ernannt. Die Nationalmannschaft scheidet mit Hector bei der WM in Russland krachend nach der Vorrunde aus.

2019 Als Zweitliga-Meister schafft der FC den sofortigen Wiederaufstieg.

2020 Hectors Rücktritt aus der Nationalmannschaft wird im Oktober durch einen Medienbericht öffentlich bekannt. Die Entscheidung hatte er bereits Wochen zuvor intern kommuniziert.

2021 Als Doppeltorschütze führt Hector den FC am 30. Spieltag zu einem im Kampf um den Klassenerhalt überlebensnotwendigen 2:1-Heimsieg gegen Leipzig. In der Relegation gegen Kiel gelingt die Rettung.

2022 Nach fünf Jahren Pause zieht der FC erneut in den Europapokal ein. Hector lehnt für die Winter-WM in Katar eine Rückkehr in die Nationalmannschaft ab.

2023 Nach dem 3:1-Sieg am 22. April bei der TSG Hoffenheim informiert Hector seine Mitspieler über sein Karriereende. (tca)