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Interview mit FC-Trainer Steffen Baumgart„Leute zu begeistern ist meine größte Stärke“

Lesezeit 6 Minuten

Zu Hause auf dem Trainingsplatz: Fußballlehrer Steffen Baumgart.

Steffen Baumgart hat den einstigen Fahrstuhlclub 1. FC Köln wachgeküsst. Auf laute, aber auch empathische Art. Wie ihm das gelang, darüber spricht der FC-Trainer im ersten Teil des Rundschau-Interviews.

Herr Baumgart, Sie gelten als Bessermacher. Sehen Sie sich selbst auch als solcher?

Bessermacher? Das bin ich nicht. Mir ist es wichtig, dass ich die Jungs dorthin bekomme, Sachen anders, klarer zu machen – indem sie vom Trainerteam klare Anweisungen erhalten. Wenn du den Jungs Klarheit, Sicherheit und einen Plan mit an die Hand gibst, damit nicht jeder Spieler seinen Gedanken auf dem Platz freien Lauf lassen kann, dann ist es gar nicht zu verhindern, dass sie besser werden. In der täglichen Zusammenarbeit kommt bei uns dann noch der Spaß dazu. Wenn du Spaß an der Arbeit hast – egal ob du Stammspieler bist oder nicht – dann kommt das Besserwerden von allein.

Was ist dabei am wichtigsten?

Das Wichtigste ist: Die Spieler dürfen Fehler machen. Denn Fehler gehören dazu. Wenn du zur Arbeit gehst und ständig Druck und Feuer bekommst, hast du irgendwann keinen Bock mehr. Dann verlierst du die Tendenz, dich zu verbessern.

Haben Sie als Spieler auch mal die andere Seite erlebt?

Ich hatte auch Trainer, die zwei Jahre nicht mit mir gesprochen und so getan haben, als ob sie alles wüssten. Dann verlierst du als Spieler die Lust – und wirst automatisch schlechter. Freude zu vermitteln, Spaß beim Training zu haben, auch wenn die Intensität weh tut, und dabei klare Grenzen zu haben, ohne sie wirklich zu setzen – darum geht es. Und das bringe ich auch in den Gesprächen rüber.

Das, was ich kann, ist zu begeistern. Ich kann das, was wir hier machen, begeisternd rüberbringen. Davon bin ich überzeugt.
Steffen Baumgart, FC-Trainer

Neuzugang Luca Waldschmidt sagte, dass er nach dem Gespräch mit Ihnen am liebsten gleich nach Köln losgelaufen wäre.

Ich kann nicht viel, aber das kann ich richtig gut: Leute von der Art und Weise, wie wir den Fußball hier leben, begeistern. Das sehe ich als meine größte Stärke an.

Haben Sie das erlernt – oder als Spieler selbst erlebt?

Als Spieler habe ich von denjenigen Trainern am meisten mitgenommen, die für Klarheit und Ehrlichkeit standen. Sportlich hat es zwischen uns nicht immer gepasst, dafür aber immer auf der menschlichen Ebene. Eine Aufgabe, einen Weg, ein Ziel zu haben – das ist alles wichtig. Aber: es gibt immer auch die menschliche Seite. Bei uns steht der Mensch im Zentrum. Das ist die Kernbotschaft.

Woran lassen Sie sich messen?

An dem, was ich in den Gesprächen mit den Spielern gesagt habe. Was ich mir erhoffe, was ich erwarte und was wir uns erarbeiten wollen. Ich möchte kein Trainer sein, der etwas erzählt – und ein halbes Jahr später kommt ein Spieler zu mir und sagt: „Trainer, Du hast nichts von dem eingehalten, was Du gesagt hast.“ Das wäre für mich das Schlimmste. Bisher hatte ich das Glück, dass mir das noch kein Spieler gesagt hat (lacht).

Ist es ein Transfervorteil, Spieler auf menschlicher Ebene abzuholen?

Das ist definitiv ein Vorteil. Davie Selke hat woanders mehr Kohle verdient. Luca Waldschmidt kommt auch nicht zum FC, weil er hier mehr Geld verdient. Sondern weil beide das Gefühl haben, bei uns menschlich abgeholt zu werden.

Unterscheiden sich Trainer in ihrer menschlichen Art am stärksten voneinander?

Taktisch nehmen sich alle Trainer nicht viel. Der große Unterschied ist, ob du als Trainer deine Spieler auf menschlicher Ebene zu greifen bekommst. Das ist die große Stärke eines Pep Guardiola oder eines Jürgen Klopp. Hansi Flick und der FC Bayern haben funktioniert, weil es menschlich gepasst hat. Und ein Jupp Heynckes hatte dieses Väterliche.

Zu wissen, über Probleme reden zu können, gibt den Spielern ein beruhigendes Gefühl. Das erleichtert.
Steffen Baumgart, FC-Trainer

Bekommen Sie diese sehr menschliche Art von Ihren Spielern gespiegelt?

Zu einem meiner ehemaligen Spieler habe ich mal gesagt: „Erinnere dich an die Zeit, die wir hier gemeinsam hatten. Sie wird so nie wieder kommen. Und wenn doch – dann ruf mich bitte an.“ Als wir uns später wiedersahen, sagte der Spieler: „Trainer, glaub mir, ich will dich seit zwei Jahren anrufen. Aber ich kann dich nicht anrufen, weil ich das Zusammensein so nicht mehr erlebt habe.“ Was ich damit ausdrücken möchte: Es muss immer um den Menschen gehen. Fußballer sind ganz normale Menschen mit ganz normalen Problemen. Mal sind sie größer, mal sind sie kleiner. Es gibt wichtigere Dinge als den Fußball, auch wenn wir ihn alle lieben.

Versuchen Sie, Neuzugänge menschlich zu durchleuchten?

Wir versuchen, uns in persönlichen Gesprächen einen Eindruck von den Jungs zu machen – weil der Schein von außen manchmal trügt. Letzten Endes bin ich mir aber sicher, dass sich jeder Spieler nach den Werten sehnt, die wir hier vorleben. Jeder Mensch will doch zufrieden sein und Anerkennung verspüren; wissen, dass er gebraucht wird und Fehler machen darf, dass er dabei sein darf und respektiert wird.

Wie weit gehen Sie ins Private rein?

Wenn ein Spieler drei Mal in Folge zu spät kommt, bin ich als Trainer verärgert. Wenn ich aber weiß, dass das Zuspätkommen einen triftigen Grund hat, dann bekommt man die Situation gelöst. Es geht um Offenheit. Mittlerweile wissen die Jungs, dass sie mit solchen Dingen offen umgehen können. Sie vertrauen nicht nur mir, sondern dem gesamten Trainerteam. Zu wissen, über Probleme reden zu können, gibt den Spielern ein beruhigendes Gefühl. Das erleichtert.

Diese Stadt, dieser Club, diese Fans haben es verdient, dass wir weiterhin geilen Fußball spielen. Wir wollen auf dem Offensivfußball, den wir in Köln etabliert haben, weiter aufbauen.
Steffen Baumgart, FC-Trainer

Nun ist Ihr Team gefordert, den Abgang der Leistungsträger Jonas Hector und Ellyes Skhiri aufzufangen. Wie kann das gelingen?

Das geht nur als Team. Eins-zu-eins sind beide für uns nicht zu ersetzen.

Was bedeutet das?

Diese Stadt, dieser Club, diese Fans haben es verdient, dass wir weiterhin geilen Fußball spielen. Wir wollen auf dem Offensivfußball, den wir in Köln etabliert haben, weiter aufbauen. Es geht darum, an unseren Prinzipien festzuhalten, gleichzeitig aber unseren Fußball weiterzuentwickeln. Wir haben noch ganz viele Felder, in denen wir besser werden können.

Wie groß ist der personelle Umbruch, der in diesem Sommer zu stemmen ist?

Wenn ich sehe, welchen Umbruch andere Mannschaften zu bewältigen haben, dann ist das bei uns noch überschaubar. Klar ist aber auch: Wir verlieren in jedem Sommer absolute Stammspieler. Erst Sebastiaan Bornauw, dann Tony Modeste und Salih Özcan, jetzt Jonas Hector und Ellyes Skhiri. Das waren immer wieder neue Herausforderungen, die wir dennoch gemeistert haben. Aus meiner Sicht gehört Veränderung auch zum Fußball dazu. Jetzt arbeiten wir daran, dass es uns zukünftig gelingt, unsere Säulen noch länger zu halten.

Wird es auch in der kommenden Saison in erster Linie wieder um den Klassenerhalt gehen?

Wir werden mit dem Abstiegskampf etwas zu tun haben. In der Bundesliga spielen 18 Mannschaften, von denen die meisten erstmal gegen den Abstieg kämpfen. Es gibt nur vier oder fünf Vereine, die von vornherein sicher sein können, dass sie mit unten nichts zu tun haben werden. Daher liegt unsere oberste Priorität darauf, sich aus dem Abstiegskampf fernzuhalten. Das haben wir in den vergangenen beiden Jahren sehr gut gemeistert. Es gab in der vergangenen Saison zwar immer mal Phasen, in denen wir reinrutschen hätten können. Das ist aber nie passiert. Wir wissen um die grundsätzliche Gefahr, aber auch, dass wir unseren Fußball weiterentwickeln können. Wenn uns das gelingt, können wir die Punkteausbeute verbessern. Von den Leistungen her betrachtet haben wir im letzten Jahr sechs, sieben Zähler liegen gelassen. Deshalb war ich auch nicht ganz zufrieden.