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1. FC Köln in NizzaWie der Verein den Skandal um die Randale aufarbeitet

Lesezeit 4 Minuten
Randale Nizza

Ausschreitungen überschatteten das FC-Spiel in Nizza. 

Nizza/Köln – Die Nacht hatte nicht ausgereicht, um das Entsetzen über die Ereignisse am Donnerstag in der Allianz Riviera zu mindern. Steffen Baumgart war fassungslos, wütend und noch immer schockiert: „Ich habe nackte Gewalt erlebt. Es ist schon beängstigend, wenn du so nah dran stehst. Meine Familie saß auch dort, wo die vorbeigelaufen sind. Da geht einiges in einem selbst ab“, beschrieb der Cheftrainer des Bundesligisten 1. FC Köln seine Gefühle nach den Gewaltexzessen vor dem Conference League-Spiel beim französischen Erstligisten OGC Nizza. „Für mich ist es nicht einfach damit umzugehen.“

Wie Baumgart ging es an diesem 8. September 2022 allen, die Augenzeuge der brutalen Szenen auf den Tribünen des EM-Stadions von 2016 werden mussten. Gewaltbereite Chaoten attackierten sich in den Farben ihrer Clubs ohne jede Rücksicht, bewarfen sich mit Flaschen, Stühlen, schlugen mit Fäusten, Eisenständern und sogar E-Scootern aufeinander ein. Einer der Beteiligten stürzte ohne Fremdeinwirkung vom Mittel- in den Unterrang und verletzte sich schwer. Am Ende zählte die Polizeipräfektur von Nizza 32 Verletzte. Das Ausmaß der Ausschreitungen war damit kaum abgebildet.

Mehr als 30 Verletzte bei Ausschreitungen in Nizza

Der Eskalation der Gewalt war wohl eine Reihe von kleineren Taten vorangegangen. „Die Hooligans im Gästeblock haben haben sich durch Vorfälle im Vorfeld anstacheln lassen“, vermutete FC-Geschäftsführer Christian Keller. Am Freitag setzte sich das Bild der Ereignisse Stück für Stück zusammen. Immer wieder soll es zu Übergriffen französischer Hooligans gekommen sein. Auch während des Fanmarsches von etwa 4000 FC-Anhängern zum Stadion.

Vor den Augen des fassungslosen FC-Trainers Steffen Baumgart haben die vermummten Gewalttäter auf der Tribüne völlig freie Bahn. 

Vor dem Stadion griffen OGC-Anhänger dann friedliche FC- Fans an, bewarfen sie mit Steinen und schlugen mit Holzlatten auf sie ein. Eine Messerattacke gegen einen Kölner könnte schließlich das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Eine gewaltbereite Gruppe im Gästeblock, die sich wohl aus Hooligans aus Köln, Dortmund und aus Paris zusammensetzte und etwa 80 Mann stark war, machte sich auf den Weg zum Heimbereich. Eine gewaltbereite Mischung, die nicht mehr aufzuhalten war und direkt an FC-Geschäftsführer Philipp Türoff, Vizepräsident Carsten Wettich und der Familie von Steffen Baumgart auf der VIP-Tribüne vorbeistürmte.

Skandalös war, dass sich dem Schlägertrupp auf der Haupttribüne nichts in den Weg stellte – weder Absperrungen, die die Blöcke trennten, noch ausreichendes Sicherheitspersonal. Die Hand voll Ordner war sofort überfordert und bis zu einem resoluten Eingreifen der Polizei mit Pfefferspray und Tränengas dauerte es volle zehn Minuten. Zu lang, um das Allerschlimmste zu verhindern.

Randale Nizza 2

Fußball-Chaoten bewarfen sich mit diversen Gegenständen. 

Nach den fürchterlichen Geschehnissen war schnell klar, dass die Sicherheitslage im und um das Stadion herum der Situation nicht angemessen war. Es gab keine Einlasskontrollen, viele Zuschauer mussten nicht einmal ihre Eintrittskarten vorzeigen. Der Veranstalter war nicht einmal in der Lage, eine valide Auskunft über die Zuschauerzahl zu geben. „Wir haben bei den Gesprächen im Vorfeld der Partie extrem viele Hinweise darauf gegeben, die Organisation zu verbessern und die Sicherheit zu erhöhen. Wir haben auch darauf hingewiesen, dass wir eine bessere Fantrennung für sehr sinnvoll und wichtig erachten“, sagte FC-Geschäftsführer Christian Keller, der erklärte: „Weil bekannt ist, dass es rivalisierende Lager gibt und dass die verbotene Fangruppe von Paris Saint-Germain wahrscheinlich kommen wird und Probleme mit Nizza hat. Doch die Vorschläge wurden im Endeffekt größtenteils nicht angenommen.“

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Der FC machte sich sofort an die Aufarbeitung der Ausschreitungen und will dabei in Zusammenarbeit mit der Polizei, der UEFA und der Fanszene in aller Härte vorgehen: „Es war auf Seiten beider Clubs eine kleine Minderheit von jeweils unter 100 Personen, die für den Gewaltexzess im Stadion gesorgt hat.

Polizei richtet Hinweisportal ein

Die Kölner Polizei hat zur Aufklärung der Vorfälle in Nizza eine Ermittlungsgruppe eingerichtet und ein Hinweisportal freigeschaltet , auf dem Fotos oder Handy-Videos zu den Randalen hochgeladen werden können. „Es wird einmal mehr deutlich, dass wir Gewalttäter von den Stadien fernhalten müssen. Die Videoaufzeichnung, auf der der Sturz eines Zuschauers von der Tribüne geradezu bejubelt wird, macht mich fassungslos“, sagte Polizeipräsident Falk Schnabel. Man wolle möglichst viele der Gewalttäter identifizieren. (sam)

Über 7900 von 8000 Zuschauern im Kölner Block haben mit den Vorfällen nichts zu tun. Eine Pauschalverurteilung unserer Fans und dabei insbesondere der aktiven Fanszene ist deshalb falsch“, sagte Keller. Es gehe ohnehin nicht darum, irgendeiner Seite die Schuld zuzuweisen. Er betonte, dass eine umfassende Analyse Zeit benötige und forderte noch mehr Zivilcourage. Am Donnerstag hatten FC-Fans den von den Schlägereien zurückkehrenden Hooligans versucht, die Masken vom Kopf zu ziehen und vertrieben sie mit „Wir sind Kölner und ihr nicht“-Rufen aus ihrem Block.

Die UEFA leitete noch am Freitag eine Untersuchung ein. Eine 2017 gegen den FC verhängte Zweijahres-Bewährung nach einem Vorfall in London ist abgelaufen. Das wird den Club aber wohl nicht vor drakonischen Strafen schützen. „Wenn du einmal Blödsinn gemacht hast, stehst du mehr unter Beobachtung, als wenn du dir nie was zuschulden hast kommen lassen“, befürchtete Keller. Als Direkt-Maßnahme wertete die UEFA die Europacup-Partie am 15. September in Köln gegen Slovácko zum Risikospiel auf.