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1. FC KölnTrainer und Sportchef kritisieren Pfiffe der FC-Fans

Lesezeit 4 Minuten

Im Rheinenergiestadion soll nur einer pfeifen – und zwar Trainer Steffen Baumgart, wenn er seine Spieler anleitet.

Köln – Was im Zusammenspiel zwischen Mannschaft und Zuschauern möglich ist, offenbarten die Minuten nach dem kaum noch für möglich gehaltenen Ausgleich des 1. FC Köln gegen Union Berlin. Als Anthony Modeste in der 86. Minute seinen Doppelpack zum 2:2 schnürte, jubelnd zur FC-Bank sprintete und Trainer Steffen Baumgart die Schiebermütze stibitzte, um sie sich selbst aufzusetzen, kochte das mit 49.000 Fußball-Anhängern gefüllte Rheinenergiestadion am Sonntag über. Die positiv aufgeladene Stimmung stachelte die Geißböcke noch einmal richtig an. Mit der dritten Luft am Ende einer intensiven Partie hätte Florian Kainz noch den Siegtreffer erzielen können – vielleicht sogar müssen (87.).

Kritik an Pfiffen von den FC-Zuschauern

Eine Atmosphäre, die Baumgart am liebsten 90 Minuten lang erleben würde. Und die er sogar einfordert, wenn es bei seinem Team während eines Spiels mal nicht wie gewünscht läuft. „Ich habe kein Spiel gesehen, das es verdient hatte, zu pfeifen“, kritisierte der 49-Jährige jene Zuschauer, die ihren Unmut nach dem 1:2-Rückstand vor allem bei Rückpässen auf Torwart Timo Horn immer wieder durch Raunen und Pfiffe zum Ausdruck brachten. „Da sehe ich Fußball anders als die Zuschauer. Ich war in dieser Phase enttäuscht.“

Als sich seine Emotionen nach dem erneut nervenaufreibenden Heimspiel gesetzt hatten, wandelte er seine Enttäuschung über die Pfiffe von den Rängen in einen flammenden Appell um: „Die Zuschauer müssen auch einen Weg der Entwicklung gehen wie wir als Mannschaft mit unserer Art Fußball zu spielen. Ich rede da von einem gemeinsamen Weg, den wir alle gehen wollen.“ So wie er von seinen Spielern einfordert den Ball mutig von hinten herauszuspielen und dabei Fehler in Kauf zu nehmen wie die vor den beiden Gegentoren gegen Union, erwartet Baumgart von den Fans, der Mannschaft zu helfen und die Fehler als Teil der Entwicklung einzuordnen: „Dieses Stadion kann Emotionen bringen. Ich frage mich, warum sie das nicht schon beim 1:2 machen. Warum müssen die Jungs Sorge habe, dass sie einen Fehler machen?“.

Kritik an Zuschauern auch vom Sportchef

Der Trainer stellte sich vor seine Spieler und übernahm die Verantwortung für die Fehler, weil er genau diese riskantere Spielweise verlangt, um am Ende die Chance zu erhöhen, erfolgreich zu sein: „Wenn wir hier einen anderen Fußball entwickeln wollen, braucht das Zeit. Dann gibt es Szenen, in denen es nicht klappt. Ich erwarte, dass alle mit diesen Fehlern umgehen und hinter uns stehen. Wir können unseren Weg gehen oder in alte Muster verfallen: Tief stehen, den Gegner kommen lassen.“

Sportchef Jörg Jakobs kritisierte die pfeifenden Zuschauer für ihre unangemessene Erwartungshaltung angesichts eines sehr starken, schwer zu bespielenden Gegners. „Union spielt nicht von ungefähr im Europapokal. Und jeder sollte berücksichtigen, wo wir herkommen, was hier vor nicht mal sechs Monaten für eine nervlich herausfordernde Situation vorgeherrscht hat“, erinnernde er an den Fast-Abstieg. Auch Jakobs wünschte sich, dass das Publikum die eigenen Mannschaft gerade bei Fehlern oder im Rückstand unterstützen und stärken soll. „Alles andere ist kontraproduktiv. Es sollte im Stadion abgesehen vom Schiedsrichter nur einer pfeifen – unser Trainer.“ Tatsächlich war das 2:2 am Sonntag der erste FC-Punktgewinn im fünften Bundesliga-Duell mit Union. Und auch nach sechs Heimspielen der Saison 2021/22 sind die Geißböcke im Rheinenergiestadion noch ungeschlagen.

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Am Ende der Stimmungsdiskussion ergriff Urs Fischer das Wort. Und wenn der Trainer von Union mit dem Dialekt eines Schweizer etwas tragend Deutsch spricht, hat das etwas beruhigend Wahrhaftiges: „Fehler gehören zu diesem Spiel. Wir haben auch Fehler gemacht, die wir akzeptieren müssen. Wenn ich an meine Zeit als Spieler zurückdenke, hätte nicht 20 Jahre Fußball spielen können, wenn ich nach meinen Fehlern beurteilt worden wäre.“ So gesehen hätte Florian Kainz in der 87. Minute das 3:2 erzielen können, aber nicht müssen. Denn zum Fußball gehört auch, dass Schüsse freistehend aus fünf Metern über das Tor fliegen können.