Köln – Die Dinge waren noch nicht so recht greifbar, als der 1. FC Köln Mitte September als Tabellensiebter der Fußball-Bundesliga das Star-Ensemble von RB Leipzig zu Gast hatte. „Sehr frisch und neu“ sei die Saison damals gewesen, relativierte FC-Trainer Steffen Baumgart am Donnerstag in der Rückblende auf den fünften Spieltag.
Dennoch galt es schon in der Frühphase der Spielzeit als gewaltige Überraschung, dass der Relegations-Teilnehmer der vorangegangenen Saison im Tableau über dem holprig gestarteten Vizemeister rangierte und ihm obendrein in einem spektakulären Schlagabtausch ein 1:1-Unentschieden abtrotzte.
FC auf dem sechsten Platz der Bundesliga
Fünf Monate später kommt es sogar einer Sensation gleich, dass die tabellarische Ausgangslage gleich geblieben ist vor dem zweiten Aufeinandertreffen dieser beiden so unterschiedlichen Clubs. Mit der kaum für möglich gehaltenen Ausbeute von 32 Punkten nach 21 Spielen nehmen die Kölner in der Tabelle einen furiosen sechsten Platz ein, der am Saisonende gleichbedeutend wäre mit der Qualifikation für das europäische Geschäft. Dabei geht es für den FC nach Jahren im Zeichen des Existenzkampfes vornehmlich um die frühzeitige Rettung.
Die mit weitaus höheren Zielen ausgestatteten Leipziger folgen bei einem Zähler weniger direkt auf Rang sieben. Damit steigt am Freitagabend (20.30 Uhr, DAZN) vor 15 000 erlaubten Zuschauern in der Red Bull Arena ein Duell der Tabellennachbarn, das vor Saisonbeginn wohl nicht mal die kühnsten Optimisten prognostiziert hätten.
Steffen Baumgart ist mit diesem Umstand nicht aus der Reserve zu locken. Vielmehr ist er um eine sachlich-nüchterne Einordnung der Lage bemüht. In dem überraschenden Tabellenbild sieht der FC-Coach lediglich eine „Momentaufnahme“, mehr nicht. Ihr Zustandekommen erklärt er mit gleich zwei unvorhersehbaren Entwicklungen: „Wir liegen weit über unseren Zielen. Leipzig hängt seinen Zielen noch hinterher.“
„Es geht darum, das Spiel gewinnen zu wollen“
Damit waren die Kräfteverhältnisse zwischen dem Champions League-Teilnehmer und dem Fast-Absteiger für Baumgart wieder zurechtgerückt. Weil der 50-Jährige jedoch unabhängig vom Schwierigkeitsgrad der jeweiligen Aufgabe immer als Sieger vom Platz gehen will, gestaltete sich seine Zielformulierung gewohnt forsch: „Es geht darum, das Spiel gewinnen zu wollen. Wir stehen vor Leipzig. Ich hoffe, das bleibt so.“
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Als Baumgart dies sagte, war es Donnerstagmorgen und das Abschlusstraining noch nicht im Gange. Dort fehlte dann ausgerechnet der Mann, der auf dem Rasen hauptverantwortlich ist für den steilen Aufschwung seines Clubs. Anthony Modeste hatte sich krank abgemeldet. Der Torjäger konnte nicht trainieren; an einen Einsatz am Freitag ist ebenfalls nicht zu denken. Damit fällt Modeste, der in allen 21 Ligaspielen der Startelf angehört hatte, zum ersten Mal in dieser Saison aus. Ob der Franzose ebenso wie Innenverteidiger Julian Chabot an Corona erkrankt ist, blieb für die Öffentlichkeit unklar.
Ausfall der Lebensversicherung
Für die Kölner bedeutet Modestes Ausfall einen schweren Schlag. Mit 14 Liga-Treffern – davon sechs Tore in den jüngsten sechs Spielen – ist der Mittelstürmer der mit weitem Abstand gefährlichste Kölner. Nicht von ungefähr sprach FC-Torwart Marvin Schwäbe nach dem jüngsten 1:0-Erfolg gegen den SC Freiburg von „unserer Lebensversicherung“, als er auf Siegtorschütze Modeste angesprochen wurde.Modeste veredelt in hoher Regelmäßigkeit den Kölner Pressing-Aufwand, weil er dank seiner Strafraum-Qualitäten ein zuverlässiger Verwerter des Flanken-Hagels ist. Ersetzt wird er vermutlich von Sebastian Andersson. Der Schwede agiert unter Baumgart überwiegend als Joker und steht aktuell bei nur zwei Torerfolgen.
Denkbar ist außerdem, dass Kader-Rückkehrer Ellyes Skhiri direkt in die Startelf rückt und mit Salih Özcan zur Stabilisierung des Zentrums eine Doppel-Sechs bildet. Leipzig sei schließlich eine „technisch hochversierte Mannschaft mit sehr viel Geschwindigkeit“, warnte Baumgart vor den „roten Bullen“, die sich seit der Trennung von Jesse Marsch und der Amtsübernahme von Domenico Tedesco (13 Punkte aus sieben Spielen) im Aufwärtstrend befinden. „Leipzig ist unter Domenico Tedesco immer besser und klarer geworden. Sie bekommen ihre Qualität jetzt wieder auf den Platz“, hat der FC-Coach beo-bachtet. Für die Kölner gehe es darum, „mit unseren Möglichkeiten zu antworten“.
Baumgart freut sich auf seine Rückkehr an die Seitenlinie
Ungeachtet des Fehlens seines wichtigsten Mannes fiebert Steffen Baumgart seinem Comeback an der Seitenlinie entgegen. „Ich liebe es, am Rand zu sein“, betonte der 50-Jährige, der das Freiburg-Spiel aus der Corona-Quarantäne verfolgen musste. Seine Brüllanfälle selbst vor dem heimischen Fernseher sorgten auch im Ausland für Aufsehen, dabei war Baumgart nur er selbst, wie er versicherte: „Ich habe immer eine gewisse Aufregung, das lässt sich bei mir nicht vermeiden. Ich bin so wie ich bin. Das hat nichts damit zu tun, wo ich mich gerade aufhalte. Es geht um meine Jungs.“ Umso glücklicher ist der Fußballlehrer, nun wieder vor Ort dabei sein zu können: „Es ist wichtig für mich, wieder hier zu sein. Ich freue mich, diesen Job zu haben.“
RB Leipzig: Gulacsi; Simakan, Orban, Gvardiol; Klostermann, Laimer, Dani Olmo, Angelino; Nkunku, Forsberg; Silva. – 1. FC Köln: Schwäbe; Schmitz, Kilian, Hübers, Hector; Skhiri, Özcan; Thielmann, Ljubicic, Kainz; Andersson.