Stuttgart – Wer hoch pokert, sollte entweder ein gutes Blatt auf der Hand haben oder ein Meister des Bluffs sein. Und auf jeden Fall sollte er eine gute Strategie mit an den Spieltisch bringen. 515.028 Euro lagen am Mittwoch in der zweiten Runde des DFB-Pokals für den 1. FC Köln im Pott – mit der Aussicht im Fall eines Erfolgs im nächsten Spiel verdoppeln zu können.
Es ging also um viel Geld für die finanziell klammen Geißböcke. Steffen Baumgart stellte sich der Aufgabe mit vollem Risiko und gewann alles. Mit Joker Anthony Modeste im Ärmel führte der FC-Trainer sein Team beim VfB Stuttgart mit einem verdienten 2:0 (0:0)-Sieg ins Achtelfinale des reizvollen Wettbewerbs und untermauerte seine Ansicht, dass es bei ihm „keine erste Elf“ gibt, sondern nur wichtige Spieler.
Maximale Rotation und volles Vertrauen
Baumgart ging mit seiner Aufstellung nämlich „All in“. Maximale Rotation und volles Vertrauen in jeden Spieler seines Kaders hieß die Maxime des 49-Jährigen. Abgesehen von dem schon vor der Saison festgelegten Wechsel auf der Torhüter-Position mit Marvin Schwäbe für Timo Horn kamen Louis Schaub, Kingsley Schindler und Tomas Ostrak zu ihrem ersten Startelfeinsatz in dieser Saison.
Im Vergleich zum 2:2 gegen Leverkusen standen zudem Timo Hübers, Jorge Meré, Jan Thielmann und Sebastian Andersson neu in der ersten Elf. Es waren aber nicht nur acht personelle Wechsel, Baumgart stellte auch auf ein 4-2-3-1-System mit Dejan Ljubicic und Salih Özcan als Doppelsechs um. Andersson bildete die einzige Spitze.
Der FC benötigte keine Anlaufzeit, um sich mit dem neuen Personal im veränderten System sortiert aufzustellen. Dafür dauerte es aber sehr lange, bis die Geißböcke das Tor der fast in Bestbesetzung angetretenen Stuttgarter in Gefahr bringen konnten. Vor allem Ostrak und Thielmann fehlte der von Baumgart immer wieder propagierte Mut bei den wenigen vielversprechenden Angriffen. Ein harmloser 18-Meter-Schuss von Thielmann war der einzige FC-Abschluss auf das VfB-Tor in der ersten Hälfte.
Auf der anderen Seite hatte die von Meré und Hübers top organisierte FC-Defensive die schwäbische Offensive voll im Griff. Pokaltorwart Schwäbe musste erst bei einem Knaller von Konstantinos Mavropanos sein Können präsentieren (44.).
Baumgart verwirrte Stuttgarter entscheidend
Beide Teams hatten im Spiel nach vorne also noch viel Luft nach oben. In der ersten zehn Minuten der zweiten Hälfte gab es dann mehr Abschlüsse als in den ersten 45 Minuten zusammen. Schwäbe leistete sich seine einzige Unsicherheit bei einem Fernschuss von Mateo Klimovicz und lenkte sich den Ball fast durch die eigenen Beine ins Tor (48.). Dann scheiterte Thielmann bei der bis dahin besten FC-Chance an VfB-Keeper Fabian Bredlow (48.) und der Nachschuss des eingewechselten Mark Uth wurde geblockt.
Dann reizte Steffen Baumgart sein Blatt aus und verwirrte die Stuttgarter entscheidend. Mit der Einwechslung von Ondrej Duda und Anthony Modeste (72.) löste der FC-Coach die Doppelsechs auf und stellte auf zwei Spitzen. Das ergab sofort eine FC-Überzahl, die Uth den Raum gab zum Abschluss zu kommen. Bredlow ließ abklatschen, Modeste war mit seinem ersten Ballkontakt zur Stelle und drückte den Ball konsequent unters Tordach (72.).
Mit seinem zweiten Ballkontakt war der Franzose nur fünf Minuten später nicht minder erfolgreich. Andersson machte einen Ball fest, legte ihn auf Uth ab, der den freien Duda auf der linken Seite fand. Die scharfe Hereingabe des Slowaken verpasste Andersson zwar knapp, am langen Pfosten lauerte aber Modeste und schloss zum zweiten Mal unnachahmlich ab. „Es ist schön so viel Selbstvertrauen zu haben. Ich genieße es“, sagte der 33-Jährige zufrieden und glücklich.
Gut für den Torjäger, dass es in der 2. Runde des Pokals noch keinen Videobeweis gibt, denn Andersson stand bei der Duda-Flanke im Abseits. Der erste Auswärtssieg und das erste zu Null-Spiel unter Steffen Baumgart im 100. Pflichtspiel des FC gegen den VfB war perfekt.
VfB Stuttgart: Bredlow; .Mavropanos (79. Beyaz), Ito, Kempf, Sousa; Endo; Coulibaly, Mangala, Didavi, Führich (79. Anton); Klimowicz (62. Faghir). – 1. FC Köln: Schwäbe; Schindler, Meré, Hübers, Hector; Ljubicic (72. Duda), Özcan; Thielmann (90.+2 Obuz), Schaub (72.), Ostrak (46. Uth); Andersson (85. Lemperle). – SR.: Axtekin (Oberasbach). - Zuschauer: 23.000. – Tore: 0:1 Modeste (72), 0:2 Modeste (77.). – Gelbe Karten: Ahamada; Uth.