Köln – Draußen sangen die Menschen glückselig vom Europapokal, als Steffen Baumgart mit grimmiger Miene auf dem Podium Platz nahm und darüber referierte, was ihm nicht so gut gefallen hatte. „Vieles“ habe diesmal nicht gepasst, merkte der Trainer des 1. FC Köln kritisch an nach dem recht zerfahrenen 3:1 (2:1)-Erfolg über Arminia Bielefeld. „Es war ein Spiel, bei dem wir gesehen haben, welchen Weg wir noch vor uns haben“, sieht Baumgart den Fast-Absteiger des vergangenen Jahres noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung angekommen.
Im vorletzten Heimspiel reichte Köln die kämpferische Vorstellung
Andererseits muss Fußball nicht immer schön aussehen, damit am Ende ein zufriedenstellendes Ergebnis zu Buche steht. Und so reichte den Geißböcken im vorletzten Heimspiel der Bundesliga-Saison 2021/22 eine vor allem kämpferisch überzeugende Vorstellung, um den auch nach der Amtsübernahme von Interimscoach Marco Kostmann über weite Strecken harmlosen Tabellenvorletzten niederzuringen. „Entscheidend war, dass die Jungs in puncto Mentalität und Laufbereitschaft das abgerufen haben, was sie abrufen können“, lobte Baumgart die einmal mehr einsatzfreudige Darbietung des FC.
Der dritte Sieg in Folge befeuerte den Kölner Traum vom Einzug ins internationale Geschäft. Mit nunmehr 49 Punkten haben die Geißböcke bereits drei Spieltage vor Schluss genauso viele Zähler auf dem Konto wie am Ende der Saison 2016/17, in der ihnen als Tabellenfünfter die Qualifikation für die Europa League gelang. „Diese Saison ist wie ein Déjà-vu“, erinnerte sich Anthony Modeste.
50.000 Zuschauer sangen begeistert
Am Samstagnachmittag erreichte der Freudentaumel in Müngersdorf sogar einen vorläufigen Höhepunkt in dieser Saison. Schon Minuten vor dem Abpfiff – die Arminia drängte noch auf den erneuten Ausgleich – schmetterte ein größerer Teil der 50.000 Zuschauer voller Inbrunst: „Wir spielen wieder im Europapokal.“ „Die Leute waren zwei Jahre nicht im Stadion und genießen das jetzt“, meinte Anthony Modeste, der die Szenerie mit der vor fünf Jahren verglich: „Wir sind gut dabei, die Euphorie ist wie in 2017“, sagte der Torjäger und fügte hinzu: „Wir wünschen uns, dass wir die Europa League schaffen.“
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In dieser Hinsicht wies der 31. Spieltag allerdings einen kleinen Schönheitsfehler aus FC-Sicht auf. Als nach Spielende über die Anzeigetafel flackerte, dass der Tabellensechste und damit aktuelle Europa League-Qualifikant 1. FC Union Berlin durch zwei sehr späte Tore noch mit 2:1 bei RB Leipzig gewonnen hatte, hallten ein paar Pfiffe durch den Kölner Westen.
Rang sieben müsste für die Europa Conference League reichen
Die Geißböcke rangieren damit weiter auf Rang sieben, der aller Voraussicht nach zur Teilnahme an der Europa Conference League berechtigen wird. Was ja auch aller Ehren wert wäre nach den Sorgen der vergangenen Jahre. Der Vorsprung auf den schwächelnden direkten Verfolger TSG Hoffenheim, der mit dem 2:2 bei Eintracht Frankfurt zum sechsten Mal in Folge sieglos blieb, vergrößerte sich zudem auf drei Punkte.
Nach oben hin ist das Feld noch enger zusammengerückt. Der Tabellenfünfte SC Freiburg, der gegen Borussia Mönchengladbach über ein 3:3 nicht hinauskam und ein hochanspruchsvolles Restprogramm vor der Brust hat, liegt nur noch drei Zähler vor den Kölnern. „Wir schauen von Spiel zu Spiel, und wenn wir weiter so spielen, dann dürfen wir schon auf etwas hoffen“, erklärte Eigengewächs und Leistungsträger Salih Özcan, um dessen Verbleib die FC-Ultras am Samstag mit einem in türkischer Sprache gehaltenen Spruchband kämpften.
Modeste verteilte Kaffeepackungen an Zuschauer
Das nicklige Duell mit der Arminia dürfte einen Vorgeschmack auf das gegeben haben, was die Geißböcke in den letzten drei Saisonspielen in Augsburg, gegen Wolfsburg und in Stuttgart erwartet. „Wir haben gemerkt, was es bedeutet, gegen Mannschaften zu spielen, die in der Bundesliga ums Überleben kämpfen“, sagte Lizenzspielerleiter Thomas Kessler. Der FC war durch den derzeit überragenden Mark Uth zwar sehr früh in Führung gegangen (3.), hatte aber noch in der ersten Halbzeit zwei Rückschläge zu verkraften. Erst schied Kapitän Jonas Hector mit einer Kopfverletzung aus (29.), dann bugsierte Timo Hübers den Ball nach einem Aussetzer seines Innenverteidiger-Kollegen Luca Kilian unglücklich ins eigene Netz (33.).
Die erneute Kölner Führung durch Anthony Modeste (43.) sorgte für Gesprächsstoff. Nicht etwa, weil der Treffer strittig war. Sondern weil der Franzose beim Torjubel eine hinter dem Bielefelder Gehäuse platzierte Packung seiner Kaffeebohnen in die Kameras hielt. „Das ist immer dünnes Eis. Du darfst nicht überdrehen, sonst kriegst du meistens – etwas hart ausgedrückt – irgendwann vor die Fresse“, rüffelte Trainer Steffen Baumgart seinen Starstürmer, der unter die Kaffee-Produzenten gegangen ist.
Auf der Ehrenrunde legte Modeste noch einen drauf, indem er Kaffeepackungen an die Zuschauer verteilte. „Ich vergesse nie, wo ich herkomme. Das war ein kleines Dankeschön, weil die Fans uns immer unterstützen“, rechtfertigte sich der Torjäger. Nun droht ihm Ärger durch den DFB, der am Sonntag ankündigte, Untersuchungen wegen des Verdachts der unerlaubten Werbung einzuleiten. Die Fans sangen trotzdem von Europa. Nach Jan Thielmanns Kontertor (86.) zum 3:1 sogar noch lauter.